Einige Fotos von den Dreharbeiten zu „Rogue One“ – vielleicht hält das ein oder andere Foto einen Spoiler bereit.
Die Bildrechte liegen bei Lucasfilm/Disney.
Über Film und dieses & jenes, von Tobias Keßler
Einige Fotos von den Dreharbeiten zu „Rogue One“ – vielleicht hält das ein oder andere Foto einen Spoiler bereit.
Die Bildrechte liegen bei Lucasfilm/Disney.
James Grays Film „The Immigrant“ hätte die Kinoleinwand verdient gehabt – in Deutschland erschien der Film direkt auf DVD, jetzt erlebt er seine TV-Premiere. Er erzählt vom Leidensweg einer jungen Polin, die im New York des Jahres 1921 zu überleben versucht.
Ein trügerisches Bild des Willkommens: Die Freiheitsstatue ragt in den Himmel, aber sie wirkt im Nebel nur schemenhaft – und ist auch noch von hinten zu sehen. Der amerikanische Traum scheint in Sichtweite und dennoch weit entfernt im ersten Moment des Films „The Immigrant“. Die junge Polin Ewa (Marion Cotillard) kommt 1921 in New York an, auf der Suche nach einem besseren Leben. Doch ihre mitreisende Schwester wird wegen Verdachts auf Lungenentzündung gleich in Quarantäne behalten, man droht ihr, sie zurückzuschicken – auch Ewa, denn der Einwanderungsbehörde kommen Gerüchte zu Ohren, sie habe sich auf der Überfahrt von Europa als Frau „von niederer Moral“ erwiesen. Vor der Abschiebung bewahrt sie nur der mysteriöse Bruno Weiss (Joaquin Phoenix), der seine Kontakte spielen lässt, Bestechungsgeld zahlt und Ewa von der Hafeninsel Ellis Island mit in die Stadt nimmt. Der scheinbare Menschenfreund hat ganz andere Motive – dass er für ein Theater attraktive Tänzerinnen anwirbt, ist nur die halbe Wahrheit.
Der amerikanische Regisseur und Autor James Gray, Jahrgang 1969, ist so etwas wie ein Heimatfilmer: Seine Werke „Little Odessa“ (1994), „The Yards – Im Hinterhof der Macht“ (2000) und „Helden der Nacht“ (2007) erzählen von Familienstrukturen, von Polizei und Gewerkschaften, aber immer auch von Grays Geburtsstadt New York, vom Leben dort und der (meist düsteren) Atmosphäre. Gray, dessen Großeltern aus der Ukraine stammen, schildert nun die Geschichte einer schwierigen Heimatsuche und konzentriert sich dabei ganz auf die Hauptfigur. Man erlebt New York durch Ewas Augen: als Labyrinth schäbiger Hinterhöfe, beengter Wohnungen und karger Behördenzimmer. Kameramann Darius Khondji („Sieben“, „Amour“) findet atmosphärische Bilder, zart getönt in Sepiabraun, aber ohne nostalgische Färbung – das 1921 des Film ist auch bildlich im Hier und Jetzt verankert.
New York ist hier eine Welt der strengen Teilung zwischen Haben und Nichthaben – und es ist eine Männerwelt, in der Ewa nur ihren Körper als Währung einsetzen kann. Bruno macht sie zur Prostituierten, und Ewa wehrt sich nicht, weil sie für sich und vor allem ihre Schwester zu allem bereit ist. Gray macht daraus kein Rührstück – er zeigt einfach, wie sich eine Person einer katastrophalen Situation stellt und dabei enorme Stärke beweist. Die Figuren sind vielschichtig: Marion Cotillard spielt Ewa anrührend, zelebriert aber keine Leidens-Leistungsschau. Joaquin Phoenix spielt einen Zuhälter, der sich langsam in Ewa verliebt, vor allem wohl in ihre Integrität, die ihm so fern ist – am Ende scheint Bruno in Selbsthass zu köcheln. Ein Varieté-Magier (Jeremy Renner) scheint eine Ausflucht aus Ewas Misere zu sein, aber der Film macht es sich nicht so simpel, einfach einen besseren Mann als Rettung anzubieten.
Mittwoch, 14.12., 20.15 Uhr, Arte.
Auf DVD ist der Film bei Universum erschienen.
Die Fotos stammen von Arte France/Wildside.
Schwierige, oft zwielichtige Helden waren sein Metier, Figuren, in denen es brodelte. Kirk Douglas, der als Schauspieler und Produzent immer um seine Unabhängigkeit kämpfte, wird am 9. Dezember 100 Jahre alt. Wir gratulieren.
Ein Grübchen wie in Stein gemeißelt. Ein immer etwas verkniffenes Gesicht, der Blick durchdringend, manchmal bedrohlich – nein, den Charme von Cary Grant hatte er nie. Auch nicht die artistische Grazie seines Kollegen/Freundes/Konkurrenten Burt Lancaster. Bei Kirk Douglas war alles etwas rauer und härter – unter den Hollywood-Stars seiner Zeit war er der Malocher, der sich hineinarbeitete in seine Rollen, sie mit Leben füllte und mit einer interessanten Uneindeutigkeit: Strahlende Helden waren seine Figuren so gut wie nie, meist brodelte es in ihnen, Zorn, Trauer, manchmal blinder Ehrgeiz fraßen an ihnen: ob er nun in „Die Wikinger“ das Schwert gegen Tony Curtis schwang, in „Spartacus“ gegen das römische Imperium antrat oder in „Reporter des Satans“ als Klatschjournalist seinen Aufstieg über alles stellte. Selbst Douglas’ klassischen Heldenfiguren, etwa dem Matrosen Ned Land im Disney-Familienfilm „20.000 Meilen unter dem Meer“, traute man nicht vollends über den Weg – da war immer eine gewisse Härte spürbar.
Das nun mit einer harten Jugend zu erklären, könnte ebenso Küchenpsychologie sein wie zutreffend. Jedenfalls musste sich Douglas aus kleinsten Verhältnissen hochkämpfen. Im Armenviertel der US-Industriestadt Amsterdam wuchs Issur Danielovitch Demsky auf, Sohn eingewanderter weißrussischer Juden, Bruder von sechs Schwestern, Sohn eines lieblosen Vaters. „Zorn ist meine Energiequelle“, sagte Douglas einmal. Die Schauspielschule finanzierte er sich mit allerlei Jobs, auch als Ringer beim Jahrmarkt. Durch die Empfehlung einer Freundin aus der Schauspielschule – Lauren Bacall – erhielt er die Chance beim Film. Er nutzte sie mit intensiven Darstellungen oft finsterer Figuren: eine seltene Verbindung von „leading man“ und Charakterdarsteller.
Der Ruhm war für Douglas nicht zuletzt die Chance auf das, was ihn immer antrieb: Unabhängigkeit. 1955 gründete er als einer der ersten Hollywoodstars, dem Beispiel Burt Lancasters folgend, eine eigene Produktionsgesellschaft („Bryna“, benannt nach seiner Mutter). 19 Filme brachte Douglas auf den Weg, darunter den furiosen Antikriegsfilm „Wege zum Ruhm“, für den er Stanley Kubrick engagierte – auch für „Spartacus“. Danach allerdings schwor Kubrick, nie wieder einen Film im Rahmen des Hollywood-Systems (oder mit Douglas) zu drehen. Douglas konnte auch ein harter Hund sein, der sich einmischte, stritt und sich mit der Kino-Industrie anlegte: Als der politisch linke Drehbuchautor Dalton Trumbo in der Zeit des Antikommunismus-Wahns nicht beschäftigt wurde, engagierte ihn Douglas für „Spartacus“ und setzte dieser „schwarzen Liste“ ein Ende.
Die 70er Jahre meinten es nicht mehr ganz so gut mit Douglas – während Kollege Lancaster im europäischen Kino bei Bertolucci und Visconti Unterschlupf fand, blieben bei Douglas die großen Altersrollen aus. Für einen Part, den er immer hatte spielen wollen, war er irgendwann zu alt – die des rebellischen Kranken in „Einer flog übers Kuckucksnest“: 1975 produzierte sein Sohn Michael, später selbst ein großer Star, den Film mit Jack Nichsolson. Mit Burt Lancaster zusammen gelang Douglas 1986 noch einmal ein großer Erfolg: „Archie und Harry“, ein nostalgischer Senioren-Gangster-Jux, der siebte und letzte Film mit Lancaster, der 1994 starb.
Douglas hat einen Schlaganfall und einen Hubschrauberabsturz überlebt, 2004 starb sein jüngster Sohn an Drogen. Einen Großteil seines Vermögens von 80 Millionen Dollar hat er mittlerweile gespendet, seit einigen Jahren lebt er zurückgezogen. Aber er mischt sich immer noch gerne ein, liberal und kämpferisch. In einem Artikel für die „Huffington Post“ kritisierte er im September Donald Trumps Wahlkampf. Er sei immer stolz darauf gewesen, Amerikaner zu sein. „In der Zeit, die mir noch bleibt, werde ich dafür beten, dass sich das nicht ändert.“
Im Fernsehen sind einige Filme des Jubilars zu sehen: Der melancholische Western „Snowy River“ (1982) läuft am Freitag ab 12.30 Uhr im MDR; „Zwei rechnen ab“ mit Douglas und Burt Lancaster ist am Freitag ab 22.35 bei 3sat zu sehen. „Spartacus“ läuft in der Nacht auf Sonntag ab 1.30 Uhr im ZDF, „Der letzte Countdown“ beginnt zehn Minuten später in der ARD (und ist der schlechtere Film). Am Sonntag starten „Die Fahrten des Odysseus“ um 11.05 Uhr im MDR.
Den medialen Helden seiner Kindheit Jahrzehnte später wiederzubegegnen, ist riskant – manche Heroen von einst entpuppen sich als große Langweiler. Wie verhält sich das mit Captain Future, der mit seinem Raumschiff „Comet“ ab 1980 im ZDF-Programm herumsauste? Seine Abenteuer sind wieder auf DVD und erstmals auf Blu-ray zu haben.
Samstagmittags, gegen halb 3, da ging es ins Weltall – zumindest Anfang der 1980er. Da lud das ZDF alle Vorpubertierenden ein, mit ins Raumschiff „Comet“ zu steigen und das All vor allerlei Ungemach zu bewahren: an der Seite von Captain Future, dem Titelhelden jener Zeichentrickserie, und seines durchaus bunten Personals: ein Kunststoff-Androide namens Otto, ein stahlglänzender Roboter namens Grag und, als akademische Unterfütterung, Professor Wright – ein bloßes Gehirn, das in einem Behälter umherschwebt. Mit ihnen suchte man „nach der Quelle der Materie“, löste das „Geheimnis der sieben Steine“ oder traf „die Elektromenschen“ – allesamt verheißungsvolle Episodentitel. Bunte Abenteuer in knalligen Trickfilmwelten waren das, ideal für 13-, 14-Jährige, denen Sätze wie „Photonentriebwerk Y3 volle Leistung!!“ durch Mark und Bein gingen; vor allem, wenn sie von Christian Bruhns schmissigem Disco-Sound begleitet wurden – so schmissig übrigens, dass eine seiner Aufnahmen etwas aufgepeppt 1998 ein veritabler Tanzhit in Großraumdiscos wurde.
Dass Bruhns Musik gar nicht mal die Originaluntermalung war, wussten wir damals nicht – ebenfalls nicht, dass die Serie aus Japan kam, auch wenn manche ruckeligen Animationen und rehäugige Kindchen-Schemata durchaus an Trickserien wie „Heidi“ und die „Biene Maja“ erinnerten, ebenfalls japanische Produktionen.
„Flash Gordon“, die galaktische Kitsch-Torte
Nach 40 Episoden (in Japan waren es ein Dutzend mehr) war im All alles gesagt, der Captain war hinfort, aber nicht vergessen. Vor 13 Jahren erschien eine erste DVD-Edition, die schnell vergriffen und dann nur noch zu schmerzhaften Sammlerpreisen zu haben war. Nun erscheinen die Abenteuer wieder auf DVD und erstmals auch auf hochauflösender Blu-ray; deren Bild müsste für wahren HD-Genuss etwas schärfer sein, aber die Geschichten haben sich gut gehalten: durchweg flott erzählt, mit einiger Action und manchmal auch etwas Grusel (was Jugendschützern einst gar nicht gefiel) – etwa im Auftakt „Der Herrscher von Megara“: Dessen Titelheld verwandelt Siedler auf einem fernen Planeten in Affenmonster, was die terrestrischen Kolonialpläne durchkreuzt.
Als gereifter Zuschauer macht man sich heute bei dramatischen Feststellungen wie „Ich glaube, das Hypnotrom ist beschädigt“ deutlich weniger Sorgen als noch vor 35 Jahren; andere Sätze sind heute ein sprudelnder Quell der Heiterkeit. „Da, links, ein Raumschiff!“ vermittelt immerhin die Gewissheit, dass es im All zwar kein Oben und Unten gibt, wohl aber ein Rechts und ein Links. Auch das Verhältnis der Geschlechter ist noch festgefügt: Als Future eine Gegnerin (höchst simpel) übertölpelt, konstatiert er etwas mitleidig: „Ach, sie sind und bleiben eine Frau.“ Das würde sich heute kein Weltall-Held mehr trauen.
Als Gesamtedition und als Staffelboxen bei Universum Film erschienen.
Vor zehn Jahren hat Kinobetreiber Michael Krane das alte Scala-Filmtheater in der Saarbrücker Futterstraße in die Camera Zwo umgewandelt. Hat sich das Rezept, anspruchsvolle Filme an der Schwelle zum Mainstream zu zeigen, bewährt? Die düstere Treppe nach unten wirkt wie eine Edgar-Wallace-Requisite. Doch statt Kinski oder Fuchsberger wandelte hier, in den Projektionsräumen der Camera Zwo, einst der Filmvorführer. Einen separaten Eingang hatte er – und keinen Zugang zum eigentlichen Kino, ein Stockwerk tiefer. Des Brandschutzes wegen, erklärt Kinobetreiber Michael Krane, der durch seine Camera Zwo führt, die früher einmal, von 1951 bis 2005, das selige Scala-Kino war – in der Region eines der größten „Filmtheater“, wie man Kinos damals so verheißungsvoll nannte. Ein Stockwerk tiefer liegt die Theke mit Kasse – und Popcorn-Maschine: für besonders gestrenge Cineasten ein Sakrileg, Symbol des bösen Kommerzkinos. Krane nimmt es gelassen. „Anfangs dachte ich, wenn die Maschine kaputt geht, repariere ich sie nicht mehr.“ Aber die Mini-Gastronomie bringt Geld in einem Geschäft der knappen Kalkulation. Acht Jahre lang hat Krane keine Werbung gezeigt, „darauf war ich sehr stolz“, aber das ließ sich finanziell nicht halten: 2012 kam die Digitalisierung – für 250 000 Euro, wenn auch bezuschusst von der Filmförderung und vom Land. Klassisch geschulte Vorführer sind heute überqualifiziert, PC-Kenntnisse reichen aus. „Man muss mittags die Systeme hochfahren und abends auf ein paar Knöpfe drücken.“ Es läuft überwiegend gut in der Camera Zwo. 2012 bis 2014 seien „goldene Jahre“ gewesen. „Doch 2015 war ein Desaster, da sind wir abgestürzt.“ Keine wirklich guten Filme, keine großen Hits. „Beruhigend war aber, dass wir ein Katastrophenjahr ganz gut überstanden haben.“ Mit studentischen Aushilfen führt Krane das Kino und mit zwei Festangestellten: er selbst und Kinoleiterin Anna Reitze (32), die laut Krane „den Laden eigentlich besser kennt als ich“. Wohlhabend werde man nicht, „man muss privat alles stemmen, subventioniert werde ich ja nicht“. Apropos: In Konkurrenz zum städtischen Filmhaus sieht er sich nur bedingt, „ich bin ja deutlich mainstreamiger“, während das Filmhaus ganz bewusst auch sperrigere Filme zeige. „Was mir nicht unrecht ist.“ Das Verleihgeschäft, das Einschätzen von Erfolgschancen und bisweilen das Gerangel um Filme, ist nicht einfach. „Zumal man Filme nicht einfach nur für eine Woche buchen kann und je nach Erfolg verlängert oder absetzt.“ Manchmal sitze man auf einem Ladenhüter, den man vertraglich mehrere Wochen zu spielen habe. Nur wenn Filme gnadenlos floppen – aktuell der Sandra-Bullock-Film „Die Wahlkämpferin“ – haben die Verleihe, die täglich durch die vernetzte Kinokasse über die Einnahmen informiert werden, Verständnis und lassen den Film aus dem Programm nehmen. Bei kleineren Verleihen gibt Krane dem Film aber nochmal eine Chance, „sonst wäre das unfair“, oder Werken, die er mag. Der Trickfilm „Anomalisa“ läuft schlecht bei ihm. „Aber ich zeige ihn weiter, weil er gut ist“, sagt Krane, der sich dennoch weniger als Cineast versteht denn als pragmatischer Kinobetreiber. „Würde ich nur spielen, was mir gefällt, wäre der Laden zu.“ HINTERGRUND Das Foto von Michael Krane und Theaterleiterin Anna Reitze stammt von Oliver Dietze. |
Ihr Film zeigt Luxemburg als Land, das nach dem Krieg jegliche Kollaboration verdrängt, um zur Normalität zurückzufinden. Ihre Hauptfigur wählt einen ungewöhnlichen Weg.
Wie er reagiert, ist nur konsequent. Er ist nicht einverstanden mit der Art, wie das Land mit seinen Problemen umgeht. Einige Luxemburger Intellektuelle haben nach dem Krieg so gehandelt – Menschen wie etwa der Filmemacher Gordian Troeller, die das Thema angesprochen haben und dafür massiv kritisiert wurden. Sie haben das Land verlassen.
Wie waren die Reaktionen auf Ihren Film in Luxemburg?
Er hat einen Historikerstreit wieder angefacht, den es schon eine Zeit lang gibt. Vor ein, zwei Jahren hatte die Regierung einen Historiker beauftragt, einen Bericht über die Rolle der Luxemburger Verwaltung während des Krieges zu schreiben, über ihre Rolle etwa bei der Mithilfe der Deportierung von Juden. Der Bericht hat eine Auseinandersetzung unter Historikern ausgelöst: Die einen, meist die jüngeren, haben sich für die Aufklärung und Aufarbeitung entschieden, die konservativen vertraten die These „Die Verwaltung hat nicht kollaboriert, so schlimm war es auch nicht.“ Wir hatten nach Filmvorstellungen einige Gespräche mit Menschen, die diese Zeit erlebt haben. Sie haben die Ambivalenz des Films gelobt. Nichts ist nur schwarz oder weiß. Auch unser Held hat Schattenseiten, eigentlich jede Figur im Film.
Der Polizeichef nennt den integren Helden naiv und verantwortungslos, weil der glaubt, dass Wahrheit wichtiger ist als politische Stabilität. Das mag zynisch klingen, ist aber nicht ganz abwegig, oder?
Diese Frage ist das Hauptthema des Films. Mir war wichtig, dass der Gegenspieler des Helden ganz schlüssige Argumente hat, ich wollte auch nicht über ihn urteilen. Viele Regierungen in Westeuropa haben sich nach dem Krieg dieser Frage stellen müssen: Schauen wir zurück und riskieren, Spannungen wieder aufleben zu lassen, oder vergessen wir alles und fangen wieder von vorne an? Letzteres wurde ja oft praktiziert – mit der Konsequenz, dass politisch kritische Menschen größere Schwierigkeiten bekamen als ehemalige Kollaborateure.
Luxemburg hat eine bestens ausgestattete Filmförderung. War Ihr Film also leicht zu finanzieren?
Der Film hatte ein Budget von 3,8 Millionen Euro, das ist sehr knapp für einen historischen Film mit Bauten und Kostümen. Aber mehr konnte ich nicht bekommen. Luxemburgische Filme auf Luxemburgisch sind schwer zu finanzieren. Der Markt ist eben sehr klein.
Wollten Sie nicht in Englisch für den internationalen Markt drehen?
Auf keinen Fall. Es ist eine Luxemburger Geschichte, der Film hätte in einer anderen Sprache viel verloren. Meine nächsten zwei Projekte spielen nicht in Luxemburg, die werde ich auch in anderen Sprachen drehen – aber hier war das unmöglich.
Wie geht es weiter mit dem Film?
Es gibt eine französische Synchronfassung, die auch die Bedingung der belgischen Filmförderung war, die uns unterstützt hat. Wir wollen jetzt direkt die Kinos der Großregion ansprechen, Bitburg, Trier, Metz, Arlon in der Wallonie. „Eine neue Zeit“ im Ausland zu zeigen, ist nicht einfach, da Luxemburger Kino für viele eine unbekannte Größe ist, da gibt es manche Vorurteile und Mauern zu durchbrechen.
Die Bilder stammen von Samsa Film.
Im TV-Klassiker „Die Profis“ (1978-1983) räumte ein Trio mit allem auf, was in England im Argen lag. Die Serie erscheint nun aufwändig restauriert komplett auf DVD und Blu-ray. Eine Wiederbegegnung mit einer Serie, die eines, zum Glück, nicht ist: zeitlos.
Ein Auto, das durch eine Glasscheibe rast und Splitter regnen lässt. Dazu eine reißerische Musik, während die Hauptdarsteller flink in Autos steigen oder Gewichte stemmen oder einen Sandsack verprügeln – und das ist bloß der Vorspann. Wer im Fernsehen der 70er und 80er Jahre knallige Krimis suchte, der wurde bei „Die Profis“ fündig. In den späten 70ern lief die Serie erstmals im ZDF und präsentierte zwei betont maskuline Helden, Agenten der fiktiven Geheimdienst-Abteilung CI5, die es mit den Gesetzen nicht immer so genau nehmen und recht ruppig ermitteln – weshalb das ZDF damals vorzog, einige der 57 gedrehten Episoden erst gar nicht zu kaufen.
Die beiden Helden waren wackere Mannsbilder in engen Hosen: Lockenkopf Doyle (Martin Shaw) und Bodie (Lewis Collins), ein harter Hund mit dubioser Söldner-Vita. In den Kampf für die britische Krone schickte sie Cowley (Gordon Jackson), ein chronisch cholerischer Übervater.
Zwischen 1978 und 1983 lösen Doyle und Bodie 57 Fälle, die ein düsteres Porträt Englands und Londons zeichnen. Selten sind die Touristen-Orte zu sehen, fast alles spielt sich in Hinterhöfen, verrauchten Pubs und muffigen Amtsstuben ab – oder in des Duos Ford Capri. Wird der Staat nicht von Finsterlingen mit ausländischem Akzent bedroht oder gar von einer deutschen Terrorbande namens „Meyer-Helmut-Gruppe“ (!), erwächst die Gefahr aus dem Staat selbst: Korrupte Polizisten und korrupte Politiker geben sich die Klinke in die Hand. So kann es schon mal eine ganze, eher untypische Folge lang um kriminellen Pfusch bei Sozialwohnungen gehen. Eine andere Folge, in der Schwarze in London terrorisiert werden, weist Bodie als Alltags-Rassisten aus – und die Serie als gleichzeitig wohlmeinend und grob gestrickt: Bodie überwindet seinen Rassismus, indem er mit der sexy schwarzen Krankenschwester anbandelt, die ihn in der Klinik pflegt.
Viel kritisiert wurde die Serie für Gewalt und den Sexismus der Hauptfiguren – was die Reihe heute besonders interessant macht: Der Zeitgeist von einst, so befremdlich er bisweilen ist, wirkt förmlich greifbar und macht die Serie zu einem Dokument ihrer Zeit, ganz abgesehen von ihrem Unterhaltungswert: So rasant war im Fernsehen damals wenig – hier lernte etwa Regisseur Martin Campbell sein Handwerk, der später die Bond-Filme „Goldeneye“ und „Casino Royale“ inszenierte.
Ab 2005 kamen bei uns ausgesprochen lieblose, bonusfreie DVDs heraus, die man nun getrost entsorgen kann. Die alten Filmkopien wurden für eine Neu-Edition aufwändig restauriert, das Ergebnis auf DVD und besonders Blu-ray ist erstaunlich: So gut hat die Serie noch nie ausgesehen – bei Doyles Minipli kann man die Löckchen zählen, Bodies enge Lederjacke glänzt stärker denn je. Zudem werfen die Episoden, hier erstmals ungekürzt zu sehen, ein Licht auf den damaligen Umgang des Fernsehens mit angekaufter Serienware: Das ZDF kürzte die Episoden um einige Minuten, damit sie ins Programmschema passten; noch problematischer war die deutsche Synchronisation – kaum eine Serie wurde wohl derart schlampig und oft sinnentstellend übertragen. Sich nun die deutsche Sprachfassung gleichzeitig mit den Untertiteln des Originals anzuschauen, ist fast eine Grenzerfahrung. Da wird das „Marines“-Spezialkommando des Originals zur seefahrenden „Marine“, während Bewohner eines heruntergekommenen Mietshauses, im Original ohne nähere Bezeichnung, nun „zu Molukkern und Studenten“ (!) werden. Da stehen einem die Haare zu Berge. Oder in Doyles Fall, die Löckchen.
Die Serie ist komplett bei bei Koch Media erschienen. Bonus-Material: Alternativer Vorspann, Bildergalerie, Tonspur nur mit der Filmmusik.
Hausbau, Urlaub, Lokalpolitik – drei Mal ließ Autor und Regisseur Dieter Wedel seine „Familie Semmeling“ existenzielle Abenteuer erleben. Der Mittelteil der Trilogie zwischen 1972 und 2002 ist jetzt auf DVD erschienen: Der Winterurlaub der geplagten Sippe ist eine Sternstunde deutschen Fernsehens.
Ach, diese armen Semmelings. 1972 erlebte die TV-Familie die Irrungen, Wirrungen und Katastrophen beim Hausbau: „Einmal im Leben – Geschichte eines Eigenheims“ hieß der ARD-Dreiteiler und war einer der ersten großen Erfolge von Autor und Regisseur Dieter Wedel („Der große Bellheim“). 2002 ließ Wedel die Familie in „Die Affäre Semmeling“ durch den Sumpf der Lokalpolitik stolpern. Das Mittelstück der Trilogie entstand 1976, erscheint jetzt auf DVD und ist durchaus eine Sternstunde des deutschen Fernsehens: In „Alle Jahre wieder“ wagen Bruno und Trude (Fritz Lichtenhahn und Antje Hagen) ihren ersten Urlaub seit dem Hausbau. Bruno der Penible wälzt Reisekataloge und kommt zu einer scheinbar preisgünstigen Lösung: Ein winterlicher Pauschalurlaub soll es sein. Der wird allerdings zum Reigen der tragikomischen Demütigungen: verpasste Züge, eine ranzige Kammer statt Hotelzimmer, ewige Vertröstungen, hämische Kellner. Zuhause ist es wohl doch am Schönsten.
Wedel erzählt davon mit einer souveränen Ruhe, die sich heute im Fernsehen niemand mehr traut (oder zutraut). Während die Semmelings daheim ihre Koffer packen und (zu enge) Ski-Anzüge ausprobieren, wechselt der Film die Perspektive und breitet schon einmal die Welt des Hotels als komplexen Mikrokosmos aus: mit Kellnern, die in Abstellkammern untergebracht werden, und mit einer knapp kalkulierenden Direktion, die ihrerseits vom Reiseveranstalter unter Kostendruck gesetzt wird. Da kommen die armen Semmelings als Opfer des eigenen Frusts gerade recht. Wedels Drehbuch hat eine böse Komik, die von der glanzvollen Besetzung genüsslich ausgekostet wird: Klaus Schwarzkopf als Portier, Günter Strack als Hotelmanager mit großen Plänen und Hans Brenner als garstiger Kellner – sie sind ein Vergnügen; ebenso wie Wedels Kniff, dass seine Figuren, als wäre man bei Brecht, aus der Handlung aussteigen und dem Zuschauer Einblicke vermitteln: etwa Herbert Mensching als Reisebüro-Chef, der seinen Abscheu von finanzschwachen Kunde erklärt und eben Günter Strack als Manager, der erklärt, dass Bettenburgen ja viel sozialer sind als kleine Hotels. Und mehr Gewinn machen sie auch.
Erschienen bei Studio Hamburg Enterprises. Die erste und die finale Semmeling-Reihe sind bereits erhältlich.
1930 steckt Regisseur Fritz Lang in der Krise: Die Ehe welkt dahin, die Filmideen sind verblüht, doch das reale Grauen wird zur Inspiration – eine beispiellose Mordserie in Düsseldorf. Lang begleitet die Ermittlungen und trifft den mittlerweile verhafteten Täter Peter Kürten. Das Ergebnis ist 1931 Langs legendärer Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. So zumindest spielt sich das in Gordian Mauggs sehenswertem Spielfilm „Fritz Lang“ ab, der Fakten, Fiktion und historisches Filmmaterial mischt. Das Foto (Tim Fulda) zeigt den Regisseur mit Heino Ferch, der Fritz Lang spielt, bei den Dreharbeiten.
In Ihrem Film sitzen sich Regisseur Fritz Lang und Peter Kürten gegenüber – hat diese Begegnung jemals stattgefunden? Lang hat sich widersprüchlich geäußert.
Ich behaupte: Ja! In US-Interviews 1965 hat er gesagt, dass er den Massenmörder persönlich gesprochen habe. Er sagte sogar wörtlich: „Ich kannte Peter Kürten persönlich!“
In den 70ern hat er das Gegenteil behauptet.
Damals hatte ihn die Nouvelle Vague in Paris entdeckt, da lehnte er es ab, etwas mit „dem rheinischen Mörder“ zu tun gehabt zu haben. Fakt ist, dass das Aktenstudium Kürten zeigt, dass stellenweise Wort-für-Wort aus den Aussagen Kürtens zitiert wird – Worte in Peter Lorres Mund gelegt werden, die ihrerseits durch Kürtens Aussagen zu belegen sind. Auch die zeitgenössische Presse bezog sich in allen Artikeln immer auf Kürten, ohne dass Fritz Lang oder Thea von Harbou etwas dazu geäußert hätten.
Warum hat Lang sich so verhalten?
Lang glaubte an den Genie-Mythos. Stets lehnte er es ab, Vorbilder oder künstlerische Anleihen zu nennen, nein, bei ihm entsprang das Genie immer aus ihm selbst. Lang war ein Mann, der von sich stets immer nur die Geschichte erzählte, die ihm nützte. Als er über Frankreich reisend Deutschland verließ, um in Amerika Fuß zu fassen, traf er dort auf Peter Lorre, der den Kindermörder in „M“ gespielt hatte, der bereits in den USA war, Lang von den Dreharbeiten her hasste und daher keine Möglichkeit ausgeließ, den US-amerikanischen Studiobossen Fotos zu zeigen, die Fritz Lang mit Josef Goebbels zeigten. Lang hatte sofort die entsprechende Geschichte parat: Er sei Halbjude und deshalb geflohen, weil die SA schon begann, sein Haus in Berlin zu umstellen. Und dies, obwohl ihm Goebbels doch zuvor die Führerschaft des Deutschen Films angeboten hatte. Lang habe deshalb noch am selben Abend Deutschland Richtung Paris verlassen. Diese Aussagen sind nicht haltbar. Langs Reisepass zeigt als Ausreisestempel nicht Januar 1933, wie Lang behauptete, sondern November 1933. Er hatte also alle Zeit der Welt, um seinen Besitz zu Geld zu machen, bevor er sich als Emigrant de Luxe auf den Weg ins Luxushotel George V. in Paris machte.
Wie würden Sie Ihren Film selbst bezeichnen? Eine Sendung in der ARD nannte ihn „Doku-Drama“. Aber passt „Doku“ da überhaupt?
Mein Film ist ein Spielfilm. Historisches Archivmaterial findet darin zwar Platz – es wird aber wie Spielfilmmaterial eingearbeitet.
War Fritz Lang als Person der Anstoß des Projekts? Oder ging es Ihnen eher um ein generelles Porträt eines nach Inspiration suchende Künstlers oder um die Darstellung einer Zeit im großen Umbruch?
Es ging mir um Fritz Lang. Er war ein wahrer Künstler und für den Film der Erfinder aller Genres, die wir heute kennen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Regisseuren des Kinos der Weimarer Republik kam er nicht vom Schauspiel und nicht vom Theater. Er war beeinflusst von Architektur und von der Malerei, und sein Verdienst ist es, diese Künste in den Film übertragen zu haben. Sehen Sie sich die Filme Langs an: der filmische Raum, das überirdische Licht. Er war ein Meister sondersgleichen. Kein Tag im Atelier verging, ohne dass Erfindungen gemacht wurden, die auch heute noch in der Filmkunst Gültigkeit hätten!
Ihr Lang im Film kennt das Gefühl von Mordlust selbst – er aber kann es auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs befriedigen. Bezieht sich das nur auf Lang oder sehen Sie darin einen Zug der menschlichen Natur?
Fritz Lang sprach immer vom „Anderen in uns“. Ihn beschäftigte die Frage, warum der Mensch, der doch in die Welt geboren wird, um Gutes zu tun und in Gemeinschaft zu leben, warum dieser Mensch in Situationen gerät, wie im Falle von Kain und Abel, wo er zu einem mordenden Ungeheuer werden kann. Lang war kein Mensch, der in den Weltkrieg zog um Mordlust auszuleben. Nein, aber wie viele andere geriet er in einen Krieg, der erstmals ein industrieller Krieg war, ein Töten und Getötetwerden durch einen Gegner ohne Gesicht. Er muss dort Dinge gesehen haben, die ihn wie Furien für den Rest seines Lebens hetzten. Wie viele seiner Generation wurde er durch den Krieg beschädigt, auch wenn er seinen Granaten entkommen war. Im Übrigen war die Figur Peter Lorres exakt so angelegt. Es war sogar konzipiert, in „M“ eine Weltkriegsszene zu haben, in der gezeigt wird, wie Lorre zum Kindermörder wird. Diese Passagen wurden aber dann von Lang verworfen.
So gesehen hat es ja eine dunkle Ironie, dass Kürten, der Massenmörder der Weimarer Republik, später von einem Regime in den Schatten gestellt wird, das ihn wie einen Amateur wirken lässt – ein paar Jahre später hätte er vielleicht Karriere gemacht. Würden Sie das auch so sehen?
Kürten mordete aus sexueller Triebhaftigkeit heraus. Ich glaube die Henker von SA und SS hatten andere Motive, dunkler noch als die Kürtens, der trotz allem noch ein Gewissen hatte. Vor seiner Hinrichtung schrieb Kürten stapelweise Entschuldigungsbriefe an die Verwandten seiner Mordopfer.
Der visuelle Stil Ihres Films mit den langen Schatten und den harten Kontrasten ist aufwendig. Gab es seitens des Ko-Produzenten Arte keinen Einwand, dass Sie im Vollbild-Format alter Filme gefilmt haben?
Natürlich entspricht dies nicht mehr den heutigen Sehgewohnheiten. Aber bei Arte ist man mit dem Besonderen immer Zuhause. Und im Kino gilt sowieso: Komme Zuschauer, setz Dich und lass Dich ein auf eine neue Erfahrung!
War es für Sie einfach, Ausschnitte aus Filmen Fritz Langs von der Murnau-Stiftung zu bekommen? Mussten Sie das Konzept und das Drehbuch vorlegen? Und war das Material dann relativ bezahlbar?
Man hat mich fair behandelt. Eine Vorlage des Drehbuches war nicht nötig.
Wie kamen Sie zur Besetzung von Heino Ferch und Samuel Finzi?
Ich habe von vornherein gewusst, wen ich für welche Rolle am allerallerallerallerbesten finde. Ich legte mein Drehbuch vor, bangte, hoffte – und wurde sofort angerufen, vom begeisterten Heino, vom begeisterten Samuel. Manchmal hat man eben einfach Glück.
Hat sich Ferch mit alten Lang-Interviews etwa auf die Sprache Langs vorbereitet? Und
Finzi auf die Sprechweise Peter Lorres?
Beide Schauspieler haben sich mit allen Kräften auf die Rolle geworfen und zu ihrem Charakter ersteinmal grundsätzlich „Ja“ gesagt. Wir haben viel über die Figuren und ihre Zeit gesprochen, Filme geschaut. Was von Lang verfügbar war, ist hier eingeflossen. Die Dialoge für Samuel entstammen wortwörtlich den Kürten-Akten.
Haben Sie selbst einen Lieblingsfilm von Lang?
Ganz klar – mein Lieblingsfilm ist „M“. Ganz toll ist auch „Der müde Tod“.
Was halten Sie von seinen letzten Filmen, die er für Produzent Artur Brauner in eutschland gedreht hat, „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“, „Das indische Grabmahl“ und „Der Tiger von Eschnapur“?
Die späten Filme aus der Brauner-Zeit haben mich als Kind sehr geprägt. Aber ich habe ein bisschen Angst davor, sie als heute 50jähriger wiederzusehen.
Die DVD ist erschienen bei W-Film/Lighthouse.
Es ist eine Biografie, die mehr nach Drehbuchkonstruktion denn nach realem Leben klingt – und doch gab es Jack Unterweger (1950-1994). Mit 24 erschlägt der Österreicher eine Frau, wird zu lebenslanger Haft verurteilt und beginnt in der Haft zu schreiben, wird als „Knastpoet“ bekannt, gibt eine Literaturzeitschrift heraus und gewinnt prominente Fürsprecher in der Schriftsteller-Branche, die eine Petition für seine vorzeitige Entlassung unterschreiben: unter anderem Günter Grass, Elfriede Jelinek und Ernst Jandl. Nach 16 Jahren kommt Unterweger frei. Ein halbes Jahr nach seiner Entlassung beginnt eine Mordserie, deren Indizien auf Unterweger hinweisen; er flüchtet in die USA, wird gefasst, wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt – und erhängt sich in der Nacht danach.
Aus dieser Biografie hat die österreichische Regisseurin Elisabeth Scharang den finsteren Film „Jack“ gedreht; gesellschaftssatirische Momente hat „Jack“, wenn Unterweger zum Liebling der Kulturschickeria wird, die sich an seiner finsteren Mörder-Aura ergötzt. Dabei gibt der Film nicht vor, Unterweger zu ergründen oder wissen zu können, ob er die neun Frauen tatsächlich ermordet hat oder nicht. Atmosphärisch dicht und gut besetzt ist der Film, mit Birgit Minichmayr als Journalistin und Corinna Harfouch als verheiratete Frau, die eine Affäre mit Unterweger beginnt. Das nachtschwarze Zentrum aber ist der Burgschauspieler Johannes Krisch, der Unterweger als animalischen Mann mit enormer Ausstrahlung spielt, ohne aber anziehend oder sympathisch zu sein. Er bleibt ein Rätsel in einem Film, der nicht so tut, als habe er es gelöst.
DVD erschienen bei Lighthouse Entertainment.
© 2023 KINOBLOG
Theme von Anders Norén — Hoch ↑
Neueste Kommentare