Moderatorin Lydia Kaminski mit Bernhard Hengrich im Saarbrücker Kino Achteinhalb.

Für Steven Spielbergs Film „Bridge of Spies“ wurde Bernhard Henrich für den Oscar nominiert. Der Niederwürzbacher „Set Decorator“ hat internationale Karriere gemacht – wie seine Arbeit aussieht, davon hat er am Samstag in Saarbrücken erzählt. Angefangen hat alles mit Schaufenstern in Saarbrückens Bahnhofstraße.​

Falsche Höflichkeit ist nichts für Bernhard Henrich. „Das Drehbuch war viel besser als der fertige Film“, sagt er. „Monuments Men“ sei beim Dreh viel zu lange geworden und im Schnitt wieder stark zusammengekürzt worden. Das mag erklären, warum es im Film von und mit George Clooney dramaturgisch manchmal ruckelt und das Ganze nie so ganz zu packen vermag. Trotz Stars wie Matt Damon, Bill Murray und Cate Blanchett; trotz der historisch verbürgten Geschichte über US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg, die in Europa nach Kunstwerken suchen, die das NS-Regime gestohlen und verschleppt hat.​

Mit das Interessanteste am Film von 2014 ist die prächtige, detaillierte Ausstattung – und für die ist Bernhard Henrich verantwortlich, gebürtiger Niederwürzbacher Bergmannssohn, Jahrgang 1952 und von Beruf „Set Decorator“. Was man da genau tut, hat er am Samstagabend im Kino Achteinhalb erklärt, bei einer Filmwerkstatt des Saarländischen Filmbüros und der Saarland Medien. Nach „Monuments Men“ erklärt er erst mal in aller Kürze, wie er einst als Schaufensterdekorateur in Saarbrückens Bahnhofstraße beim PK (heute Galerie Kaufhof) arbeitete, dann zu Hertie und Karstadt nach Berlin ging und dort am Schillertheater landete und die Bühne gestaltete. Das Theater verließ er dann im Streit um Zuschläge, erzählt er im Gespräch mit Moderatorin Lydia Kaminski, und wandte sich der Filmarbeit zu, auf Rat des legendären Produzenten Artur „Atze“ Brauner.​

Für Polanski muss Usedom amerikanisch aussehen​

Die Walter-Kempowski-Fernsehverfilmung „Ein Kapitel für sich“ von 1979 ist eine seiner ersten großen Arbeiten als Ausstatter, rasch beginnt eine internationale Karriere, mit dem „Zauberberg“, „Der große Bellheim“, „Comedian Harmonists“, mit der „Bourne Verschwörung“, dem Stauffenberg-Film „Operation Walküre“ mit Tom Cruise und Roman Polanskis „Der Ghostwriter“ – da baute er unter anderem auf Usedom viele oberirdische Stromleitungs-Attrappen, damit die Insel amerikanischer aussieht, wie der Handlungsort Martha’s Vineyard. Für Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ wurde Henrich 2016 für den Oscar nominiert.​

„Monuments Men“ entstand überwiegend in Deutschland im Studio Babelsberg in Potsam und dessen Umland. Henrich begann mit „Recherche ohne Ende“ über die damals geraubten Werke, über Rahmen, Verpackung beim Transport und hatte dann die Aufgabe, die enorme Menge der Raubkunst – fünf Millionen Werke – filmisch darzustellen, ohne eben fünf Millionen Attrappen zu bauen. „Georgie“, sagte Henrich zu Regisseur Clooney, wie er erzählt, „wir bauen eine hundert Meter tiefe Höhle und stellen die mit Kisten und Kunst voll“.​

Skulpturen aus Hasendraht​

Das war nun leichter gesagt als getan. Henrich und sein Team bauten tausende Bilderrahmen aus Schaumstoff, holten die Bildrechte für jedes einzelne Gemälde ein, das sie für den Film reproduzieren würden, schafften Skulpturen unter anderem aus dem legendären Cinecittà-Studio in Rom heran; zugleich bauten sie eingehüllte Skulpturen, die laut Henrich „vor allem aus Hasendraht“ bestanden, und bauten zudem noch viele weitere Bilderrahmen aus Gips – denn in einer kurzen Szene wurden die mit Flammenwerfern beschossen, sollten aber nicht lodernd in Flammen stehen, damit das Studio Babelsberg nicht gleich mit abbrennt.​

Nicht jedes Detail landet auch im Film​

In Brandenburg hat Henrich ein US-Militärcamp gebaut, auf einem Areal von vier Quadratkilometern – historisch korrekt bis hin zu drei leuchtend roten Löscheimern; die zeigt der „Set Decorator“ im Achteinhalb auf Produktionsfotos, im Film sind sie aber nicht zu sehen; der Frust, dass das Publikum nicht jedes Detail der eigenen Arbeit sieht, ist im Metier der Ausstattung wohl eine Berufskrankheit. Was man im Film nicht übersehen kann, sind die Berge von Autoreifen im US-Camp, die sich Regisseur Clooney für eine kleine Szene gewünscht hat. Henrich ließ einen realen Reifen abformen, davon Duplikate aus Schaumstoff machen und dann stapeln (jeweils neun Stück) – am Ende waren es 14 400 Reifen.​

Man müsse natürlich genau arbeiten, sagt Henrich, aber der historischen Wahrheit dürfe man nicht komplett verpflichtet sein. Film sei eben Film: Die großen Hakenkreuze etwa auf den NS-Raubkunstkisten seien nicht korrekt – aber sie machten alles schnell klar als die damals übliche, kleinere Beschriftung; auch die offenen Kisten im Film für viele Gemälde seien bloß die halbe Wahrheit. Nur die Kisten aus dem Louvre hätten so luftig und halb offen ausgesehen, nicht die aus anderen Museen. Aber wenn man in den Kisten so schön die Raubkunst sehen kann, warum sollten dann nicht alle Kisten so ausschauen, dachte sich Henrich – und ließ 3000 Stück zimmern. „Das war ein Haufen Zeug.“​

In einer Szene von „Monuments Men“ gehen Clooney und seine Mitstreiter einen Strand hoch und auf der anderen Seite wieder herunter. Gedreht wurde das tatsächlich in zwei Ländern: „In England gehen sie den Strand hoch“, sagt Henrich, „und wenn sie wieder runtergehen, sind sie schon in Brandenburg, das Frankreich darstellen soll.“ Ein Beispiel für die Magie des Filmschnitts – oder, wie Henrich ironisch sagt, „ein bisschen Beschiss“.  ​