Film und dieses & jenes, von Tobias Keßler

Schlagwort: Axel Prahl

Regisseur Jochen Alexander Freydank über „Der Bau“

kafkas der bau

Der Regisseur Jochen Freydank, aufgenommen am 21.01.2015 beim 36. Filmfestival Max Ophüls Preis in Saarbrücken.
Foto: Oliver Dietze

„Den Film muss nicht jeder mögen. Aber ich musste ihn einfach machen“, sagt Jochen Alexander Freydank. „Der Bau“ ist ein schwerer Brocken – und ein Herzensprojekt für den Regisseur, Autor und Produzenten. Mit 16, 17 hatte er Kafkas Erzählung „Der Bau“ gelesen, die ihn nie los ließ, und die er lange in ein Drehbuch umzuformen versuchte. „Vor zehn Jahren hatte ich endlich eine Fassung, bei der ich glaubte, den Stoff geknackt zu haben.“ Aus dem dachsartigen Tier bei Kafka wird bei ihm ein Mensch, das Thema bleibt: Rückzug, Angst, Isolation.

Kein Stoff für eine Sommerkomödie – entsprechend mühselig war die Finanzierung, bei der Freydank auch sein Oscar von 2009 für den Kurzfilm „Spielzeugland“ nicht entscheidend weiterhalf. „Es ist eben ein ungewöhnliches Projekt – und mein Entschluss, viel von Kafkas Sprache mithineinzunehmen, hat die Sache nicht einfacher gemacht.“

Nach Jahren hatte Freydank, der 2010 den SR-Tatort „Heimatfront“ inszenierte, das Budget zusammen, nachdem zuletzt noch das Saarland als Unterstützer und der SR als Ko-Produzent mit einstiegen. Um die 750 000 Euro hat der Film nun gekostet. „Ein Fernsehspiel kostet das Doppelte“, sagt Freydank, der hier gegen die klassische Kino-Regel verstieß, nie das eigene Geld zu investieren: In die letzte Lücke hat er „sein Erspartes rinjesteckt“, sagt der Berliner. „Darum habe ich mich nicht gerissen, aber jetzt denke ich nicht mehr darüber nach – es musste sein.“

Vor genau vier Jahren begannen die Dreharbeiten auf dem Gelände der Industriekultur Saar in Göttelborn, wo der Film fast vollständig entstand, abgesehen von einem Tag in Luxemburg und einem Ausflug in die Völklinger Hütte. „Irre kalt war es“, sagt Freydank, „es gab keinen Moment mit Sonnenschein“. Erfreulicher war die Logistik: „Im Umkreis von einem Kilometer hatten wir 20 Drehorte, zum Teil natürlich, zum Teil gebaut. Normalerweise geht ein Drittel der Drehzeit ja für den Umzug von Ort A nach B drauf – da haben wir viel Zeit gespart.“

Die Hauptrolle des Films spielt Axel Prahl, der jene überraschen wird, die ihn vor allem aus dem Münsteraner „Tatort“ kennen – man begleitet Prahl, in jeder Einstellung zu sehen, beim Abgleiten in die Paranoia, beim Zusammenbruch, beim Mord. „Er spielt ja sonst anderes, aber ich wusste, dass er das kann“, sagt Freydank, „er hat schnell zugesagt, meinte aber selbst , dass das ein harter Brocken ist, Kafkas Sprache ist ja nicht ohne“. Auch Josef Hader als Hausmeister war schnell dabei – solche Zusagen seien Glücksmomente gewesen in einer Planungsphase mit „dunklen Momenten, auch wenn ich jetzt keine Sekunde bereue“.

1.2.,  23.35 Uhr, Arte.

 

kafkas der bau

Franz (Axel Prahl) in seinem Bau. © Mephisto Film/Manuela Meyer/Foto: SR

Schön dreckig, dreckig schön: „Harms“ mit Heiner Lauterbach

Harms Heiner LauterbachHarms Heiner Lauterbach

Es ist eine einfache Geschichte. Ein Mann kommt nach 16 Jahren aus dem Gefängnis, findet sich nicht mehr zurecht und tut letztlich das, was er kann: Er plant einen Raub, den letzten, mit dem er dann ausgesorgt hat – wenn der Plan denn funktioniert. Soweit also nichts Neues. Und doch ist der Film „Harms“ von Nikolai Müllerschön eine Überraschung: ein deutscher Krimi, der sich ins Kino wagte (wo er leider weitgehend unbeachtet blieb – als DVD ist er aber zu haben) und seine schmutzige Geschichte angemessen dreckig erzählt. Heiner Lauterbach hat den Film unabhängig von TV-Geldern oder Fördergremien produziert, spielt die Titelrolle und ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen: mit Trainingshose, Tätowierungen und einem Schnauzbart, der ihn manchmal wie ein schlecht gelauntes Walross ausschauen lässt – so sieht man ihn im ZDF- oder RTL-Abendprogramm nicht.

Harms Heiner Lauterbach

Nur: Diese Hinwendung zur Proll-Optik hätte auch allzu bemüht wirken können, tut es aber nicht, da Lauterbach eine exzellente Vorstellung gibt. Sein Harms ist melancholisch und brutal gleichermaßen, vom Leben abgehärtet und abgestumpft. Lauterbach zur Seite steht eine famose Besetzung. Da ist Axel Prahl als alter Freund mit gewohnt rumpeligem Prahl-Charme und vor allem Martin Brambach als Gangster-Kollege, eine jämmerliche Figur, der in seinem viertklassigen Lokal seine Küchenhilfe schikaniert. Gemeinsam will man mit einem großen Bankraub dem Schicksal öder Altersarmut ein Schnippchen schlagen.

Harms Heiner Lauterbach

Der Raub ist das ruppige und spannende Finale des Films, der seine besten Momente aber in seinen atmosphärischen Szenen zuvor hat: In Gesprächen an einer trostlosen Imbissbude am Münchener Stadtrand (deren Betreiber Helmut Lohner spielt), beim Sinnieren über Freundschaft, Loyalität und darüber, wie man das Glück an den Hörnern packen kann – und ob es sich überhaupt packen lässt. Klischeefrei ist das Ganze dabei nicht, und auch die Logik ist nicht immer die höchste Priorität des Drehbuchs. Aber „Harms“ hat Mut, viel Atmosphäre und filmische Kraft.

Erschienen bei Alive. Extras: Trailer und kurze Interviews.
Fotos: Alive

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