Lunana

Kelden Lhamo Gurung als Hirtin und Sängerin Sandon. Foto: Kairos

 

Auch das noch: Als wäre es nicht schlimm genug für den jungen Ugyen (Sherab Dorji), dass der Beruf als Lehrer ihn herzlich langweilt, wird er nun versetzt. Genauer: strafversetzt. Noch lebt er in Thimphu, der Hauptstadt Bhutans, bei seiner Großmutter und träumt nach Schulschluss (und wohl auch davor) von einer Sängerkarriere – doch nun soll er ein Jahr lang an der abgelegendsten Schule des Landes unterrichten. Lunana heißt das Dorf in der Bergwelt des Himalaya, hat keine 60 Einwanderer, keinen Strom, kein Internet. Kein Interesse hat Ugyen, aber er fügt sich und macht sich auf die Reise. Was er im Dorf erlebt, wird ihn verändern.

Still und leise

Filme aus Bhutan, dem buddhistischen Königreich, das an Indien und China grenzt, sieht man so gut wie nie in unseren Kinos. Das Saarbrücker Achteinhalb zeigt nun „Lunana“, der für den diesjährigen Oscar als bester internationaler Film nominiert ist und mit seiner leisen, stillen Art sehr ans Herz geht. Debüt-Regisseur (und Autor) Pawo Choyninh Dorji hat im tatsächlichen Lunana gedreht, mit Profidarstellern wie mit Laien aus dem Dorf, das nur durch einen Fußmarsch von einer Woche zu erreichen ist; die Filmtechnik speiste sich aus Solar-Akkus.

Notizen aus der Provinz

Ugyen macht sich schweren Herzens auf in die Provinz, iPod und Kopfhörer sind die letzten Verbindungen zu seinem alten Großstadtleben; doch langsam leert sich der Akku, während der Pädagoge von einer Gesandtschaft des Dorfs am letzten Rastplatz abgeholt wird und man die einwöchige Wanderung beginnt. Eine stille Komik hat das ganze Unterfangen, wenn die Dorfgesandten dem aus der Puste kommenden Lehrer permanent versprechen, dass der Weg gleich wieder abwärts führe – auch wenn klar ist, dass man vom Flachland auf dem Weg zu einem Bergdorf ist. Aber sonst hätte er wohl aufgegeben, zumal es ihm zusetzt, dass seine neuen Markenstiefel nicht wasserdicht sind. Die Opfergaben seiner Begleiter für einen sicheren Weg befremden den Lehrer, doch es berührt ihn eigentümlich, als das gesamte Dorf ihn mit einer Zeremonie willkommen heißt, die ihm klar macht, wie wichtig er für alle ist. „Lunana“ ist nicht zuletzt eine große Liebeserklärung an die Idee der Bildung.

 

Im Dorf muss Ugyen sich an das rustikale Leben gewöhnen. Seine Fenster sind gegen den strengen Wind mit Papier abgedichtet, was hier ein großes Privileg ist – Papier ist selten. Der Plumpsklo vorm Schulgebäude ist wenig anheimelnd. Doch die enorme Wissbegierde der Kinder und die Freundlichkeit der Erwachsenen lassen ihn seine Situation anders sehen – und da ist noch die junge Sandon, die von einem Felsen herab alte Hirtenlieder singt. Ugyen entdeckt eine andere Art des Lebens – und zum ersten Mal empfindet er auch Leidenschaft für seinen Beruf.

Romantische Farben

Das könnte nun auf den Plot „Schnösel-Städter entdeckt in der Natur das einfache Leben und das große Glück“ hinauslaufen. So einfach macht es sich „Lunana“ nicht, auch wenn er das Leben im Dorf auch gerne in romantischen Farben zeichnet – dass die Menschen arbeiten, sieht man selten. Aber ihre enorme Dankbarkeit gegenüber dem Lehrer, der aus ihrer Sicht die Zukunft der Kinder verkörpert, zeigt, dass sie sich für die vielleicht doch etwas anderes wünschen. Und das Ende ist dann doch etwas anders als man erwarten mag. Diese Geschichte um Heimat, Glück und Zuneigung ist gefühlvoll erzählt, aber unsentimental, ebenso mit Humor wie mit einer leisen Melancholie. Und mit einem Büffel im Klassenzimmer.

DVD erschienen bei Trigon- Film.