"Der wilde Planet" René Laloux Roland Topor Camera Oscura Mediabook

Das Draag-Mädchen Tiwa.        Foto: Camera Obscura

Hut ab vor den kleinen, feinen Heimkino-Firmen. Die großen Studios pflegen die Filmgeschichte zunehmend weniger und sitzen auf prallen Archiven mit älteren Filmen, die vielleicht keine Konsens-Klassiker, aber wertvoll sind und dennoch nicht veröffentlicht oder mindestens unterlizensiert werden. Und wirklich wertvolles Bonus-Material – abseits des üblichen PR-Interview-Gedöns’ – scheint ihnen auch immer weniger wichtig.

Perle des Animationsfilms

Umso erfreulicher, dass kleine Firmen, etwa Bildstörung oder Camera Obscura,  mit  Idealismus herausragende Editionen zusammenstellen. Etwa „Der wilde Planet“, eine Perle des europäischen  Kinos und ein Klassiker des Animationsfilms. Rundum-Künstler Roland Topor (1938-1997) und Regisseur René Laloux (1929-2004) hatten schon in den 1960ern einige Kurzfilme zusammen gedreht, 1973 wurde ihr Langfilm „Der wilde Planet“ ein Triumph. In eine bizarre Welt führt uns der Film. Eine junge Mutter und ihr Kind flüchten panisch vor einer riesigen blauen Hand – die gehört zu einem der Draags, den hochentwickelten Bewohnern dieses Planeten, die die eher versehentlich vom Planeten Erde mitgenommenen kleinen Menschenwesen als skurrile Haustiere halten. Das kleine Kind überlebt die Verfolgung durch zwei Draag-Jugendliche, die Mutter nicht; so nimmt sich eines der Kinder des Erdenmenschen an und nennt es „Terr“ (aufschlussreicherweise als Koseform von Termite). Mit einem Halsband, das Terr dahin zieht, wo man ihn haben will, beginnt sein Leben bei den Draags, die am liebsten meditieren und Mitfefühl nicht zu ihren herausragenden Eigenschaften zählen. Über die Jahre eignet sich Terr das enorme Wissen der Draag an und findet Gleichgesinnte bei seinem Wunsch nach Rebellion.

 

"Der wilde Planet" René Laloux Roland Topor Camera Oscura Mediabook

 

Diese Geschichte um Unterdrückung und Freiheit, um Flucht und rivalisierende Kulturen erzählt der Filmen in manchmal fast surrealen Bildern – Topors Fantasie scheint grenzenlos, er stattet diese ferne Welt mit bizarren Wesen aus und mit überirdisch wirkenden Bildern. Dazu hat der französische Musiker Alain Goraguer (zeitweise ein Wegbegleiter Serge Gainsbourgs) eine psydelisch anmutende Musik zwischen Jazz und sanftem Rock komponiert; sie lässt an die Klänge denken, die die Landsmänner von „Air“ Dekaden später aufgenommen haben.

„Flash Gordon“, die wunderbare Kitschtorte

Der faszinierende Film liegt nun erstmals hochauflösend auf Blu-ray vor, und das Bonus-Material lässt tief eintauchen in seine Welt und die der Künstler: Vier Kurzfilme von Laloux sind dabei (1964 bis 1987), dazu das einstündige Porträt „Topors Träume“ von 1994 und ein Film über René Laloux, charmant „Laloux sauvage“ betitelt. Mit T-Shirt, Bart und Bäuchlein sieht er wie ein Onkel von Kollege Luc Besson aus und erzählt von den Schwierigkeiten beim Dreh von „Der wilde Planet“ – bei den Vorbereitungen zog sich Topor zurück, „weil seine Mutter meinte, der Film wäre nicht gut für ihn“. Und um mit dem knappen Budget auszukommen, drehte Laloux den Film im damals kommunistischen Prag der Niedriglöhne. Die Ironie angesichts eines Films über Klassenkämpfe und Unterdrückung ist ihm bewusst: „Wir waren die ersten Franzosen, die die Globalisierung ausgenutzt haben.“

Der Film ist bei Camera Obscura erschienen.

 

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