Über Film und dieses & jenes

Schlagwort: Das Boot

Kameramann Jost Vacano im Interview

Das Interviewbuch "Jost Vacano - Die Kamera als Auge des Zuschauers" von Marko Kregel ist nur noch antiquarisch zu haben, lohnt sich aber sehr.

Das Interviewbuch „Jost Vacano – Die Kamera als Auge des Zuschauers“ von Marko Kregel ist nur noch antiquarisch zu haben, lohnt sich aber sehr.

Kameramann Jost Vacano ist gerade 90 Jahre alt geworden. Grund genug, ein altes Interview auszugraben, das ich 2005 mit ihm führte – anlässlich der Buchveröffentlichung „Die Kamera als Auge des Zuschauers“ über „Das Boot“, aber auch über seine Zusammenarbeit mit Paul Verhoeven, die Kritik an „Starship Troopers“ und vor allem an „Showgirls“.

Herr Vacano, Literatur über Kameramänner ist selten – im Vorwort des Buchs über Sie schreiben Sie „wir stehen im Schatten“. Das klingt etwas resigniert.

Kritiker übersehen oft unsere Arbeit oder sie schreiben sie dem Regisseur zu. Das liegt bei uns an der Zeit des Autorenfilms, in der die Regisseure fast alles selbst gemacht haben. Die kreativen Mitarbeiter hat man da ganz gerne übersehen.

Ihre Arbeit ist frei von Manierismen – gab es keine Versuchung, ein Markenzeichen einzusetzen, das Ihre Arbeit sofort erkennbar macht?

Michael Ballhaus hat mal gesagt, er sucht seine Filme danach aus, ob er wieder seine berühmte Kreisfahrt unterbringen kann. Das ist nicht so ganz mein Stil. Ideale Kamera-Arbeit bedeutet für mich, den Fluss der Geschichte zu unterstützen.

Interview mit Sandra Hüller

Im Film „Panic Room“ fährt die Kamera dank Tricktechnik durch den Henkel einer Kaffeekanne. Wäre das was für Sie?

Ich bin kein Freund dieser Hypertechnisierung. Filmtricks waren früher ein Mysterium. Heute weiß das Publikum sehr genau, dass tricktechnisch so gut wie alles möglich ist – und deshalb hat vieles keine tatsächliche Wirkung mehr.

Hat ein Kameramann in optisch aufwändigen Filmen überhaupt noch eine gewisse Freiheit?

Bei „Starship Troopers“ habe ich Szenen gedreht, in denen die Darsteller erst später eingearbeitet wurden – in diesem Fall gigantische Käfer. Man muss immer das fertige Bild vor Augen haben und mit den Trickspezialisten engen Kontakt halten. Filme, in denen es um Gesichter und Emotionen geht, drehe ich schon lieber. Aber einen 100-Millionen-Dollar-Film zu drehen, ist spannend – und es schmeichelt dem Ego.

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Verdient man da entsprechend?

Das wäre schön. Immerhin habe ich in den USA das Dreifache von dem verdient, was ich in Deutschland bekam. Das ist nicht so viel, dass man größenwahnsinnig wird, aber man kann wählerischer werden.

In „Das Boot“ haben Sie den optischen Stil durchgesetzt – vernebelte Luft, wenig Licht, Enge. Das war damals neu und kommerziell durchaus riskant.

Ich wollte einen dokumentarischen Stil und habe nur mit den Schiffslampen beleuchtet, die ohnehin zum Boot gehören. Regisseur Wolfgang Petersen fragte mich immer wieder: „Bist Du von Sinnen, wir drehen für den Weltmarkt.“ Doch ich habe mich durchgesetzt, und letztlich war das die Stärke des Films.

Nach dem „Boot“ sahen auch US-Filme anders aus. Die Optik etwa im Kriegsfilm „U-571“ erinnert an Ihre Arbeit.

Drei Viertel aller Einstellungen dort sind platte Kopien meiner Ideen. Einer aus dem Team dieses Films hat mir erzählt, dass der Regisseur bei den Dreharbeiten regelmäßig die DVD vom „Boot“ angeschaut hat.

Bei „Total Recall“ haben Sie mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone gearbeitet. Wie ist der Umgang mit Stars?

Sharon Stone war sehr unbeliebt, weil sie ständig Extrawürste wollte. Der Arnold aber ist kein Star im US-Sinne, bei dem etwa festgelegt ist, wer ihn ansprechen darf. Wir haben uns bestens verstanden.

Wie war es denn 1978 mit Helmut Berger im Krimi „Das fünfte Gebot“?

Überhaupt nicht angenehm. Nicht nur menschlich unappetitlich.

Ihre fruchtbarste Zusammenarbeit hatten sie mit Regisseur Paul Verhoeven – sieben gemeinsame Filme. Was für ein Verhältnis ist das, wenn man so viel zusammen arbeitet?

Eine sehr intensive Arbeitsfreundschaft, die aber nicht zu einer Lebensfreundschaft werden muss. Als ich mit dem Film aufhörte, haben wir uns voneinander verabschiedet.

Kaum ein Film wurde so aggressiv attackiert wie der freizügige „Showgirls“ – haben Sie das beim Dreh geahnt?

Wir wussten, dass wir zur Sache gehen – über die Reaktionen waren wir aber dennoch erstaunt. Wir hatten nicht bedacht, dass Las Vegas etwas ganz Exotisches für Amerikaner ist. Im Kino vor der Haustür wollen die das nicht sehen. Das Publikum schlich sich verschämt aus dem Kino wie aus einem Sex-Shop. Meine Arbeit im Film mag ich aber sehr. Diese Stadt des Lichts – das passte einfach wunderbar.

„Showgirls“ ist auch nur einer von zwei Filmen, die Sie im Breitwand-Format gedreht haben – dabei verbindet man dieses Format doch eher mit Kino-Ästhetik als das dem Fernsehbild ähnlichere 1:1,85-Format.

Tanzszenen wie in „Showgirls“ schreien nach dem breiten Format. Sonst finde ich aber, dass das 1:1,85-Format viel eher der natürlichen Wahrnehmung entspricht. Cinemascope hat eher Ausstellungscharakter.

Irritiert es bei der Arbeit, wenn die Darsteller wie in „Showgirls“ oft nackt sind?

Nach einem Tag ist das vergessen. Bei „Starship Troopers“ gab es eine Duschszene, doch die Darsteller wollten sich nicht ausziehen. Da haben Paul Verhoeven und ich damit angefangen, und dann war die Kuh vom Eis.

„Starship Troopers“ ist eine Satire auf Militarismus – wurde aber als faschistischer Film angegriffen.

Diese Kontroverse war zu erwarten, für uns war die Kritik dennoch sehr kränkend. Mittlerweile wird der Film aber besser verstanden. Im Grunde wurde der Film aber für die falsche Zuschauergruppe gedreht. Junge Leute mochten den Film nicht, Erwachsene habe ihn kaum gesehen, weil sie dachten, es sei ein reiner Action-Popcornfilm.

„Tragödie in einer Wohnwagenstadt“ von Günter Gräwert

Pidax Tragödie in einer Wohnwagenstadt

 

„Du hast doch nichts dagegen, dass hier Recht herrscht, oder?“. Das ist die rhetorische und perfide Frage, mit der der Mob in diesem TV-Film von 1967 sich dem Finale entgegenbrüllt, mit Schaum vor dem Mund. Die Riegelsberger Firma Pidax, spezialisiert auf Filme und Fernsehspiele von einst (mittlerweile bringt sie auch Bücher und Hörspiele heraus), hat eine betagte ZDF-Produktion ausgegraben, die es in sich hat – und die leider bestens ins Heute passt. „Tragödie in einer Wohnwagenstadt“ spielt in einem US-Trailerpark, bewohnt von Arbeitern, die sich weder Haus noch Wohnung leisten können – man würde ihnen heute wohl das Etikett „abgehängt“ anhängen.

Die Alpha-Männer sind sich einig

Wie sehr es hier unter der Oberfläche köchelt, wird klar, als ein 15-jähriges Mädchen im Wald nahe der Siedlung von einem Mann belästigt wird. Da der nächste Ort 12 Meilen entfernt ist, liegt es nahe, dass der Täter aus der Siedlung stammen muss. Schnell sind sich die lautesten Alpha-Männer einig: Polizei würde hier nur stören, Aufklärung und Bestrafung regelt man unter sich – ein selbsternanntes Komitee macht mit dem völlig aufgelösten Mädchen die Runde an den Wohnwagen vorbei und verhört die Bewohner. Mit dem Satz „Wer sich widersetzt, macht sich noch mehr verdächtig!“ wird fast jede Kritik am rüden Vorgehen erstickt.

Kamera von Jost Vacano

Die Vorlage des Fernsehfilms stammt von Reginald Rose (1920-2002), dem Autor des mehrmals verfilmten Drehbuchs „Die 12 Geschworenen“. Rose beschäftigte sich mit Ungerechtigkeit, sozialen Fragen, Rassismus – all das findet sich auch hier. Mit Dokumentar-Anmutung beginnt der Film, lange folgt die Kamera von Jost Vacano („Das Boot“) einem Mann durch die Siedlung, aus den Wohnwagenfenstern hört man Nachrichten oder die Beatles, alles scheint zwar ärmlich, aber doch wohl geordnet – bis die Belästigung des Mädchens Unzufriedenheit, Frust, Existenzangst und Hass zum Ausbruch bringt. Das lässt der Film ziemlich rasch geschehen, ein bisschen Vorlauf hätte nicht geschadet, zumal der Film nur 70 Minuten lang ist und Raum zum Entfalten des Konflikts gehabt hätte.

„wenn sie wenigstens hübsch wäre“

Sobald die selbsternannte und selbstherrliche Untersuchungskommission seine Runden dreht, blühen Borniertheit und Hass, mal gespeist aus Neid, mal aus Rassismus. Der Vater des Opfers, an dessen Leiden keiner der Aufrührer wirklich interessiert, ist zwar betroffen, könnte die Tat aber besser verstehen, wie er sagt, „wenn sie wenigstens hübsch wäre – als Vater kann ich das ja sagen“. Beim Verhör der nicht-weißen Wohnwagenbewohner fallen Sätze wie „Du bis weit weg von zuhause, kleiner brauner Bruder“. Während all dessen grübelt ein Ehepaar, das von dem ganzen Treiben abgestoßen ist, darüber nach, wie man das Vorgehen des Mobs beenden kann – aber sie schweigen zu lange, zumal ihnen bald klar wird, wer der Täter ist.

Ruth Maria Kubitschek Pidax Tragödie in einer Wohnwagenstadt

Ruth Maria Kubitschek Foto: Pidax

Besetzt ist das Fernsehspiel exzellent, mit bewährten Charakterköpfen: Peter Schiff, unsterblich als Synchronsprecher des Computers Hal in „2001“, spielt den etwas tumben Vater des Opfers,  Ruth Maria Kubitschek und Werner Schumacher spielen das rationale Paar – und herausragend ist Friedrich Georg Beckhaus (unter anderem flog er bei der seligen „Raumpatrouille“ mit): Den An- und Wortführer des Komittees stattet er mit einer Mischung aus Aggression und Berechnung. Sonderlich raffiniert muss er gar nicht agieren, um eine Meute hinter sich zu bringen. Ein paar Schlagworte, ein paar rhetorische Fragen reichen aus, die Gruppendyamik regelt den Rest. Am Ende hat der Mob zugeschlagen und geht befriedigt seiner Wege. Ob der Bestrafte überhaupt der Täter war, ist unwichtig – es ging nur um die Entladung.

 

DVD erschienen bei Pidax. Sehr gutes Bild, keine Extras.

„Offene Wunde deutscher Film“ von Dominik Graf und Johannes F. Sievert – am 14.2. bei Arte

Offene Wunde deuscher Film Wolfgang Petersen Dominik Graf Jürgen Goslar Robert Sigl Das Boot Arte WDR

Wolfgang Petersen erinnert sich an  seine Produktion „Das Boot“. Foto: WDR

Blickt man nur höchst flüchtig auf das deutsche Nachkriegskino, kann sich dieser Eindruck einstellen: In den 1950ern und -60ern füllen Heimatschnulzen, Winnetou und Wallace die Filmtheater. Dann erklären langmähnige Jungfilmer „Opas Kino“ 1968 für tot und rufen den „Neuen Deutschen Film“ aus; fortan regiert der Autorenfilm, wenn auch manchmal in leeren Sälen.

So weit, so klischeehaft zugespitzt. Diesem Klischee wirken seit Jahren einige rührige Kinoforscher entgegen und werben für vergessene Perlen des deutschen Films und einen differenzierteren Blick auf das hiesige Kino: etwa die Herausgeber der Zeitschrift  „Sigi Götz Entertainment“ und nicht zuletzt Dominik Graf. Der Regisseur („Die geliebten Schwestern“), dessen „Tatorte“ und „Polizeirufe“ stets herausragen, schreibt über Kino und dreht auch immer wieder Filme zum Thema. 2016 legte er zusammen mit Johannes F. Sievert die Doku „Verfluchte Liebe deutscher Film“ über vergessene Perlen des deutschen Kinos vor. Morgen läuft deren Fortsetzung zum ersten Mal im Fernsehen: „Offene Wunde deutscher Film“ – eine Liebeserklärung an Querköpfe, die sich beherzt zwischen alle filmischen Stühle setzen, weder den reinen Kommerz noch das Arthaus-Kino bedienten und es entsprechend schwer hatten oder haben.

Interview mit Dominik Graf

Wolfgang Petersen, der erste Gesprächspartner im Film, fällt da  mit seiner US-Karriere zwar heraus; mit einigen anderen zu Wort kommenden Regisseuren verbindet ihn aber die Liebe zum US-Kino, über die man damals an der Filmhochschule besser nicht redete, erzählt er, sonst galt man als unpolitischer „Kuchenfilmer“; Klaus Lemke („Rocker“) etwa träumte ebenfalls nicht vom europäischen Kino, sondern „vom US-Jungensfilm“. Lemke (77) dreht bis heute, so wie der gleichaltrige Kollege Rudolf Thome – wenn auch meist ohne jede Filmförderung.

Von der fühlt sich auch Robert Sigl ignoriert – trotz des frühen Erfolgs mit dem stilvollen Gruselfilm „Laurin“ vor 29 Jahren müht er sich seit Jahren um Förderung und Finanzierung. Kollege Wolfgang Büld, der einst „Gib Gas, ich will Spaß“ mit Nena drehte, hatte es etwas besser – in London realisierte er einige blutig-erotisch Filme, „bis der DVD-Markt dann zusammenbrach“.

 

Offene Wunde deuscher Film Wolfgang Petersen Dominik Graf Jürgen Goslar Robert Sigl Das Boot Arte WDR

Filmemacher Jürgen Goslar spricht über seine Zeit und Filme in Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, und Südafrika. Foto: WDR

Interessante Einblicke in meist schwierige Karrieren sind das. Schade nur, dass der 90-MinutenFilm sich wenig Zeit gönnt: Vieles wird kurz angeschnitten, schon geht es weiter zum nächsten Film und Gesprächspartner. Die Musiker Klaus Doldinger, Eberhard Schoener und Irmin Schmidt von Can tauchen kurz auf, Filmjournalisten wie Olaf Möller und Rainer Knepperges – oft mit wenigen Sätzen. Mehr Zeit nimmt sich der Film immerhin bei Jürgen Goslar, einer festen Darsteller/Regie-Größe im „Kommissar“, bei „Der Alte“ und „Derrick“: Mitte der 1970er Jahre inszenierte er im damaligen Rhodesien zwei knallig-brutale, filmisch radikale  Abenteuerfilme – einen mit Horst Frank als schwarzem Albino.

In seiner Rastlosigkeit mag „Offene Wunde deutscher Film“ manchmal frustrieren – die enorme Materialfülle aber fasziniert, die  offensichtliche Liebe zum Thema ist ansteckend,  und man erhält viele Anregungen für den nächsten Heimkino-Abend.

Mittwoch, 14.2., ab 21.35 Uhr bei Arte.

 

Offene Wunde deuscher Film Wolfgang Petersen Dominik Graf Jürgen Goslar Robert Sigl Das Boot Arte WDR

Regisseur Nikolai Müllerschön spricht über seinen Gangsterfilm „Harms“ von 2011. Foto: WDR

„Das Boot“, „Showgirls“ und „Starship Troopers“: Interview mit Kameramann Jost Vacano

Das Boot Showgirls Starship Troopers Jost Vacano Paul Verhoeven

Eine Seite aus dem Buch „Die Kamera als Auge des Zuschauers“ über Jost Vacano, erschienen im Schüren Verlag.

Gerade hat sich Kameramann Jost Vacano eine Nachzahlung für seine Arbeit an „Das Boot“ per Gericht erstritten – mit Zinsen um die 600 000 Euro. Grund genug, ein altes Interview auszugraben, das ich 2005 mit ihm führte – über „Das Boot“, aber auch über seine Zusammenarbeit mit Paul Verhoeven, die Kritik an „Starship Troopers“ und vor allem an „Showgirls“.

 

Herr Vacano, Literatur über Kameramänner ist selten – im Vorwort eines neuen Buches über Sie schreiben Sie „wir stehen im Schatten“. Das klingt etwas resigniert.

Kritiker übersehen oft unsere Arbeit oder sie schreiben sie dem Regisseur zu. Das liegt bei uns an der Zeit des Autorenfilms, in der die Regisseure fast alles selbst gemacht haben. Die kreativen Mitarbeiter hat man da ganz gerne übersehen.

Ihre Arbeit ist frei von Manierismen – gab es keine Versuchung, ein Markenzeichen einzusetzen, das Ihre Arbeit sofort erkennbar macht?

Michael Ballhaus hat mal gesagt, er sucht seine Filme danach aus, ob er wieder seine berühmte Kreisfahrt unterbringen kann. Das ist nicht so ganz mein Stil. Ideale Kamera-Arbeit bedeutet für mich, den Fluss der Geschichte zu unterstützen.

Im Film „Panic Room“ fährt die Kamera dank Tricktechnik durch den Henkel einer Kaffeekanne. Wäre das was für Sie?

Ich bin kein Freund dieser Hypertechnisierung. Filmtricks waren früher ein Mysterium. Heute weiß das Publikum sehr genau, dass tricktechnisch so gut wie alles möglich ist – und deshalb hat vieles keine tatsächliche Wirkung mehr.

Hat ein Kameramann in optisch aufwändigen Filmen überhaupt noch eine gewisse Freiheit?

Bei „Starship Troopers“ habe ich Szenen gedreht, in denen die Darsteller erst später eingearbeitet wurden – in diesem Fall gigantische Käfer. Man muss immer das fertige Bild vor Augen haben und mit den Trickspezialisten engen Kontakt halten. Filme, in denen es um Gesichter und Emotionen geht, drehe ich schon lieber. Aber einen 100-Millionen-Dollar-Film zu drehen, ist spannend – und es schmeichelt dem Ego.

Verdient man da entsprechend?

Das wäre schön. Immerhin habe ich in den USA das Dreifache von dem verdient, was ich in Deutschland bekam. Das ist nicht so viel, dass man größenwahnsinnig wird, aber man kann wählerischer werden.

In „Das Boot“ haben Sie den optischen Stil durchgesetzt – vernebelte Luft, wenig Licht, Enge. Das war damals neu und kommerziell durchaus riskant.

Ich wollte einen dokumentarischen Stil und habe nur mit den Schiffslampen beleuchtet, die ohnehin zum Boot gehören. Regisseur Wolfgang Petersen fragte mich immer wieder: „Bist Du von Sinnen, wir drehen für den Weltmarkt.“ Doch ich habe mich durchgesetzt, und letztlich war das die Stärke des Films.

Nach dem „Boot“ sahen auch US-Filme anders aus. Die Optik etwa im Kriegsfilm „U-571“ erinnert an Ihre Arbeit.

Drei Viertel aller Einstellungen dort sind platte Kopien meiner Ideen. Einer aus dem Team dieses Films hat mir erzählt, dass der Regisseur bei den Dreharbeiten regelmäßig die DVD vom „Boot“ angeschaut hat.

Bei „Total Recall“ haben Sie mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone gearbeitet. Wie ist der Umgang mit Stars?

Sharon Stone war sehr unbeliebt, weil sie ständig Extrawürste wollte. Der Arnold aber ist kein Star im US-Sinne, bei dem etwa festgelegt ist, wer ihn ansprechen darf. Wir haben uns bestens verstanden.

Wie war es denn 1978 mit Helmut Berger im Krimi „Das fünfte Gebot“?

Überhaupt nicht angenehm. Nicht nur menschlich unappetitlich.

Ihre fruchtbarste Zusammenarbeit hatten sie mit Regisseur Paul Verhoeven – sieben gemeinsame Filme. Was für ein Verhältnis ist das, wenn man so viel zusammen arbeitet?

Eine sehr intensive Arbeitsfreundschaft, die aber nicht zu einer Lebensfreundschaft werden muss. Als ich mit dem Film aufhörte, haben wir uns voneinander verabschiedet.

Kaum ein Film wurde so aggressiv attackiert wie der freizügige „Showgirls“ – haben Sie das beim Dreh geahnt?

Wir wussten, dass wir zur Sache gehen – über die Reaktionen waren wir aber dennoch erstaunt. Wir hatten nicht bedacht, dass Las Vegas etwas ganz Exotisches für Amerikaner ist. Im Kino vor der Haustür wollen die das nicht sehen. Das Publikum schlich sich verschämt aus dem Kino wie aus einem Sex-Shop. Meine Arbeit im Film mag ich aber sehr. Diese Stadt des Lichts – das passte einfach wunderbar.

„Showgirls“ ist auch nur einer von zwei Filmen, die Sie im Breitwand-Format gedreht haben – dabei verbindet man dieses Format doch eher mit Kino-Ästhetik als das dem Fernsehbild ähnlichere 1:1,85-Format.

Tanzszenen wie in „Showgirls“ schreien nach dem breiten Format. Sonst finde ich aber, dass das 1:1,85-Format viel eher der natürlichen Wahrnehmung entspricht. Cinemascope hat eher Ausstellungscharakter.

Irritiert es bei der Arbeit, wenn die Darsteller wie in „Showgirls“ oft nackt sind?

Nach einem Tag ist das vergessen. Bei „Starship Troopers“ gab es eine Duschszene, doch die Darsteller wollten sich nicht ausziehen. Da haben Paul Verhoeven und ich damit angefangen, und dann war die Kuh vom Eis.

„Starship Troopers“ ist eine Satire auf Militarismus – wurde aber als faschistischer Film angegriffen.

Diese Kontroverse war zu erwarten, für uns war die Kritik dennoch sehr kränkend. Mittlerweile wird der Film aber besser verstanden. Im Grunde wurde der Film aber für die falsche Zuschauergruppe gedreht. Junge Leute mochten den Film nicht, Erwachsene habe ihn kaum gesehen, weil sie dachten, es sei ein reiner Action-Popcornfilm.

Sie sind mittlerweile im Ruhestand – was machen Sie jetzt?

Ich unterrichte an Filmhochschulen und kümmere mich ums Urheberrecht, was sehr wichtig ist. Unser Beruf muss aus dieser reinen Techniker-Ecke raus. „Das Boot“ ist über 40 Mal im Fernsehen gelaufen – dafür kriege ich keine müde Mark, der Regisseur und der Autor verdienen jedesmal etwas, manchmal sogar 100 Prozent ihrer ursprünglichen Gage. Deshalb habe ich mit einigen Justizministern gesprochen. Da bewegt sich jetzt etwas – und das ist vielleicht wichtiger als mancher Film, den ich gedreht habe.

 

Das Boot Showgirls Starship Troopers Jost Vacano Paul Verhoeven

ZUR PERSON

Jost Vacano kommt am 15. März 1934 in Osnabrück zur Welt, die Mutter ist Ballettmeisterin, der Vater Dirigent. Die Fotografie fasziniert ihn früh, in München studiert er Elektrotechnik und besucht nebenbei die Münchner Schauspielschule. Dort lernt er den späteren Regisseur Peter Schamoni kennen, mit dem er zu den Weltjugendfestspielen in Moskau 1957 fährt, um mit einer 16-mm-Kamera Filmaufnahmen zu drehen. Mit Schamoni arbeitet er an einigen Kurzfilmen; ab 1963 dreht er in Saarbrücken für den Saarländischen Rundfunk einige Fernsehfilme, unter anderem mit Truck Branss und Peter Zadek („Die Stühle“ nach Ionesco).

Nach mehreren Arbeiten mit Peter Beauvais fotografiert er Volker Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1975) und Roland Klicks „Supermarkt“ (1974). Den sieht der holländische Regisseur Paul Verhoeven (Foto: sz) und engagiert ihn für „Soldat van Oranje“ (1977) und „Spetters“ (1980). Der Erfolg von „Das Boot“ (1980) und „Die unendliche Geschichte“ (1984) führen Vacano nach Hollywood, wo er mit Verhoeven „Robocop“ (1987), „Total Recall“ (1990), „Showgirls“ (1995), „Starship Troopers“ (1997) und „Hollow Man“ (2000) dreht. Zwischen diesen eigenwilligen Großproduktionen dreht er die kleineren Filme „Rocket Gibraltar“ (1988) mit Burt Lancaster und „Untamed Heart“ (1993).

Der Autor Marko Kregel hat mit Vacano über mehrere Tage ein Werkstattgespräch geführt – daraus entstand das exzellente Buch „Jost Vacano – Die Kamera als Auge des Zuschauers“, das im Schüren Verlag erschienen ist. (234 Seiten, 100 Fotos, 19,90 Euro).

http://www.schueren-verlag.de

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