Julius Nitschkoff Babtou Farba Dieng Camino Toubab

Und schon sind sie verheiratet: Dennis (Julius Nitschkoff, links) und Babtou (Farba Dieng). Foto: Camino

Diskriminierung, Rassismus, Homophobie, Abschiebung – das ist nicht selten der Stoff, aus dem jene Filme sind, die bei Festivals „Relevanz“-Preise gewinnen und im Kino dann vor nahezu leeren Sälen verenden. Diesem Schicksal entgehen und dennoch von den genannten Themen erzählen, will Regisseur und Ko-Autor Florian Dietrich. „Nicht elitär“ soll sein Film „Toubab“ sein, sagt er, und so hat er sich für das Genre der Komödie entschieden. Eine gute Idee?

„Toubab“ erzählt vom Frankfurter Babtou, der nach zwei Jahren Haft wegen Raubes aus dem Gefängnis kommt. Die Freiheitsfreude ist aber nur kurzlebig, denn ein spontanes Wiedertreffen mit alten Bekannten läuft aus dem Ruder – vielleicht sollte man auch keine Kreuzung durch parkende Autos sperren und keinen Polizisten, der eine Schlägerei auflösen will, gegen einen PKW werfen. Die Konsequenz für Babtou: Er soll in den Senegal ausgewiesen werden, ein Land, aus dem sein Vater kommt, er aber nicht, Babtou hat lediglich einen senegalesischen Pass, das vergangene Vierteljahrhundert hat er am Main verbracht. Was tun? Mehr als die Ausweisung „ein paar Monate durch die Instanzen zu treiben“, fällt seiner Anwältin nicht ein. Retten könnte ihn immerhin eine Ehe, auch wenn die nur zum Schein geschlossen wird; doch auf die vielen alten Flammen, die Babtou deswegen nun abklappert (in einer flotten filmischen Montage), hat er doch nicht genug Eindruck gemacht, dass sie nun gerne mit ihm vor den Altar wandern würden.

Die letzte Rettung ist da Babtous engster Freund Dennis – warum nicht eine Ehe unter Männern eingehen? Die ist schnell geschlossen, aber die Ausländerbehörde ist skeptisch und traut dieser Homo-Ehe nicht über den gleichgeschlechtlichen Weg. Und das nähere Umfeld der beiden, in dem die Alphatier-Gesten und das maskuline Getöse  überwiegen, reagiert auf diese Homo-Ehe bestenfalls mit Unverständnis, schlechtestenfalls mit dem Wunsch nach Gewalt.

Gekonnt mit leichter Hand

Dies alles erzählt Florian Dietrich, der mit seinem Kurzfilm „Flucht nach vorn“ 2013 beim Saarbrücker Ophüls-Festival zu Gast war, gekonnt mit leichter Hand, aber nicht oberflächlich. Der Ernst der Lage ist klar, zugleich schnurrt der Film mit Tempo und Witz dahin und bietet einige sehr schöne Szenen: etwa die Feier des Pseudo-Homo-Ehepaares mit einer lesbischen Nachbarin und deren schwulen Freunden. Sie wird zu einer langen Nacht der Freiheit, wo sich die Geschlechterzuordnungen und –konventionen unter der flirrenden Disco-Kugel und der ersten Morgensonne auflösen. Eine herzerwärmende Utopie, in der letztlich nur Freundschaft und Liebe zählen.

Durchweg gut besetzt ist das: Farba Dieng als Babtou und Julius Nitschkoff (der Radikal-Veganer aus dem jüngsten SR-„Tatort“) spielen frisch und natürlich auf, da stimmt die Chemie, den beiden schaut man gerne zu. Michael Maertens als Herr Ruppert von der Ausländerbehörde ist wunderbar sarkastisch, wenn er dem von der Ausweisung bedrohten Babtou erklärt, dass „der Senegal ja auch ein waaaahnsinnig interessantes Land ist“. Und eine besonders nette Szene ist, wenn Babtou sich unter Tränen der Rührung einen alten Heimatfilm im Fernsehen anschaut, bei nahendem Besuch aber schnell auf einen Porno-Kanal umschaltet, um nicht als sentimental verlacht zu werden.

Manches allerdings kommt bei dem Tempo etwas unter die Räder: Die Figur von Dennis‘ Freundin Manu (Nina Gummich) etwa, deren Schwangerschaft die Mär der Ehe zwischen Babtou und Dennis ziemlich ungläubig werden lässt, ist unterentwickelt. Und davon, wie kriminell Babtou vor der Haft eigentlich war, hätte man gerne mehr erfahren. Aber geschenkt: Dietrich und seinem Ko-Autor Arne Dechow geht es um eine flott erzählte Geschichte und um die Behandlung von Geschlechterklischees und von Homophobie. Erfreulich, dass der Film die nicht nur aus der rein biodeutschen Fraktion kommen lässt, sondern auch aus Babtous weiterem Umfeld. Und Babtou wird bewusst, wieviel homophobe Sprüche er bislang unbedacht von sich gegeben hat – wobei der Film das dankenswerterweise weder ihm noch dem Publikum allzu didaktisch um die Ohren hat. Warum der Film „Toubab“ (und nicht „Babtou“) heißt, erklärt sich im Finale des Films. In dem finden Traurigkeit und Hoffnung wunderbar zusammen.