Capelight Rollerball James Caan

Kein Tempolimit. Eine Szene aus „Rollerball“. Foto: Capelight

Ja klar. Sich Filme per Streaming anzusehen, ist enorm bequem – aber mehr als den Film gibt es dort nicht zu sehen. Liebevolle Bluray-Editionen mit Zusatzmaterial sind eine Alternative. Wir stellen drei exzellente vor.

Sind DVDs und Blurays, die „physischen Datenträger“, angesichts Streaming nur noch Schnee von gestern? Die Zahlen sprechen für das körperlose Streaming, personifiziert vom Marktführer Netflix. Der steigerte während der Corona-Pandemie seine Abo-Zahlen auf 193 Millionen, der Börsenwert steht bei 232 Millionen Dollar. Läutet also für DVD und Bluray das Totenglöcklein, wie einst für die klobige Videocassette, ihrerseits Opfer der DVD?

Vielleicht schon, was lieblose Veröffentlichungen von Mainstream-Filmen angeht – warum sollte man sich die noch ins Regal stellen? Anders ist das bei schönen, mit Bonusmaterial angereicherten Film-Editionen. Denn eines kann man beim Streaming eben nicht: sich tief in einen Film versenken, mit Drehberichten, begleitenden Audiokommentaren oder Interviews;  wobei man nicht verschweigen darf, dass manche Filmfirmen ihre DVDs allzu gerne nur mit Schulterklopf-Werbe-Interviews vom Kinostart bestücken, à la „der Regisseur ist der netteste Mensch, dem ich je begegnen durfte“. Undsoweiter.

Wirklich aufwändige Editionen sind ein Stück Liebe zum Film. Eine der schönsten Veröffentlichungen der vergangenen  Monate ist „Rollerball“ (erschienen bei Capelight). Norman Jewisons Film von 1975 erzählt von einer Zukunft, in der es keine Nationalstaaten mehr gibt, nur noch globale Konzerne. Der Kapitalismus funktioniert, es gibt Brot für alle (mehr für die wenigen, weniger für die meisten) – und Spiele, um die Massen abzulenken: „Rollerball“, eine brutale Mischung aus Motorradrennen, Hockey und Football. Als einer der Spieler (James Caan) zu populär wird, kommt das Regime ins Grübeln – denn der „Rollerball“-Sport soll gesichtslos bleiben. Der Spieler-Star wird zum Rücktritt gedrängt, aber er wehrt sich.

Rollerball Capelight

Ein Blick auf die Mannschaft. Foto: Capelight

Wohl seit seinem Kinostart hat der Film nicht mehr so gut ausgesehen wie jetzt, dank einer peniblen Restaurierung; im Audiokommentar erzählt Regisseur Jewison von seiner damaligen Angst vor einer „Brot und Spiele“-Gesellschaft – wobei, das ist das kuriose Problem des Films, die Kritik an der Welt der Konzerne filmisch weniger spektakulär ist als das Spiel selbst – „Rollerball“ ist eben auch ein Actionfilm. Gedreht wurde der Film vor allen in München; davon berichtet eine 20-minütige Reportage, vergleicht dabei die Drehorte heute und damals – etwa die Radrennbahn der 1972 für Olympia gebauten Rudi-Sedlmayer-Halle, die seit 2011 „Audi Dome“ heißt, und die BMW-Türme, die in den 70ern purer Futurismus waren und heute ein gewisses Retro-Aroma versprühen. Der Stunt-Veteran und spätere Regisseur Craig R. Baxley berichtet von den monatelangen und gefährlichen Proben des Spiels, mehrere Dokumentationen schließen sich an.

 

Die neue Edition und Restaurierung von David Lynchs „Der Elefantenmensch“ (Arthaus, 1980) lässt Cineasten ebenfalls niederknien. Die Oscar-nominierte Schwarzweißfotografie von Freddie Francis sieht glorios aus, es gibt mehrere Filmbilder als Karten, ein Booklet und viel Bonusmaterial auf den beiden Blurays: Reportagen etwa  über die reale Person, auf deren Leben der Film basiert: der Engländer Joseph Merrick (1862-1890), dessen Körper schwerst missgebildet war und der auf Rummelplätzen als Grusel-Attraktion herumgereicht wurde, bis sich ein Mediziner (im Film gespielt von Anthony Hopkins) um ihn kümmerte.

In Interviews, zwischen 19 und 30 Minuten lang, sprechen die Beteiligten von den Dreharbeiten: darunter Hauptdarsteller John Hurt, Produzent Jonathan Sanger und Fotograf Frank Connor. Regisseur David Lynch wird mehrmals interviewt,  einmal bei einer Pariser Ausstellung seiner Gemälde und Skulpturen, und einmal vom Kollegen Mike Figgis („Leaving Las Vegas“). Der  platziert ihn einer Szenerie, die wohl klassische Lynch-Atmosphäre erschaffen soll: in einem leeren Korridor, mit dem Kopf neben einer nackten Glühbirne. Als Lynch das Drehbuch zu „Der Elefantenmensch“ zum ersten Mal las, erzählt er, „da explodierte eine kleine Bombe in meinem Kopf“. Anstoß zu einem seiner besten, berührendsten Filme.

 

Auch 24 Jahre nach seiner Premiere verstört David Cronenbergs „Crash“ immer noch. Der radikale, damals heftig umstrittene Film über Erotik, den Fetisch Auto und die morbide Faszination von Unfällen ist jetzt als exzellente  Bluray-Edition erschienen (bei Turbine Medien), mit restauriertem Bild und viel Begleitmaterial. Das reicht von den damaligen Trailern über Interviews zum Kinostart bis zu neueren und längeren  Gesprächen mit den Beteiligten: darunter Komponist Howard Shore und Cronenbergs regelmäßiger Kameramann Peter Suschitzky. Der berichtet von einer gemeinsamen „intellektuellen Sympathie“ und davon, dass er bei den für ihn zu drastischen Szenen die Kameraführung immer gerne an den Regisseur abgibt.

Zu sehen sind auch drei jüngere Kurzfilme Cronenbergs, gewohnt unbehagliche Miniaturen über Tod und die Schrecknisse des eigenen, vom Verfall bedrohten Körpers. Ein fast einstündiges  Gespräch mit Cronenberg (und dem Schauspieler Viggo Mortensen) gibt es auch, vom Filmfestival in Toronto, bei dem der Regisseur nicht so ganz erklären kann, was ihn filmisch umtreibt: „Ich bin der Letzte, den Sie fragen sollten, wie mein Gehirn funktioniert.“

Cronenberg Crash Turbine

Meister Cronenberg am Drehort. Foto: Turbine