Sylke Enders Schönefeld Boulevard

Regisseurin/Autorin Sylke Enders. Foto: rbb/Benedict Neuenfels/credo:film

 

 

 

 

 

 

Sylke Enders Schönefeld Boulevard

Julia Jendroßek als Cindy. Fotos: rbb/Claudia Rorarius/credo:film

Sylke Enders Schönefeld Boulevard

 

Die Regisseurin und Autorin Sylke Enders („Kroko“, „Mondkalb“) erzählt in ihrem  Film „Schönefeld Boulevard“ von der jungen Cindy (gespielt von Julia Jendroßek): Pummelig, vom Leben eingeschüchtert und in ihrer Klasse von ähnlich frustrierten Mitschülerinnen gehänselt, sucht sie auf der ewigen Baustelle des Berliner Großflughafens nach ein wenig Freiheit und nach einer Perspektive für ihr Leben.

 

 

„Schönefeld Boulevard“ spielt auf einem Flughafen, der nicht fertig wird, einem Ort des ewigen Wartens – auch eine Metapher für das Leben Ihrer Heldin. War die Baustelle der Grundstein des Drehbuchs oder bot sich der BER später einfach als sinniger Schauplatz an?

Nein, das Drehbuch war längst fertig. Die Idee, es am BER zu verfilmen, kam mir, als ich zum sicher 5000. Mal dort vorbeikam, aber mal anhielt und mir die ganze Szenerie in Ruhe angeschaut habe – etwa den Friedhof am Flughafen, dann das Örtchen, das von einer Schnellstraße geteilt ist, die Motels, die ganze geballte Langeweile. Für mich war Schönefeld schon immer, auch als ich noch ein Kind war, das „Tor zur Welt“. Aber das heißt ja nicht, dass auch jeder durch dieses Tor hindurchgeht – manchmal ist die Angst vor dem Neuen größer als die Neugier selbst.

Davon erzählt Ihr Film, aber auch vom Erwachsenwerden und dem Leben von Außenseitern. Dazu gibt es viele Filme. Hatten Sie keine Angst, einen weiteren unter vielen sogenannten „coming of age“-Filmen zu drehen?

Nein, denn so würde ich meinen Film gar nicht definieren. Für mich geht es um eine ungewöhnliche Freundschaft und um Bedürfnisse, die leider verleugnet werden. Die gibt es in der Erwachsenenwelt ja genauso, mir ging es nicht um einen Blick nur auf Jugendliche. Es geht um fehlende Zugehörigkeiten, um Halt- und Orientierungslosigkeit. Diese Themen findet man wohl in all meinen Filmen.

Ihr Film verläuft am Anfang in erwarteten Bahnen, aber irgendwann kommt ein Bruch, und alles scheint im Film möglich, die Grenzen zwischen Tragik und Komik fließen. War das immer die Idee gewesen?

Ja, aber der Anfang des Films scheint das Publikum wirklich stärker zu polarisieren, als ich gedacht hätte. Manche Zuschauer nehmen die Figuren an, manche nicht.

Cindy widersetzt sich auf stille Weise, sie ist keine klassische Rebellin.

Ich finde sogar, sie rebelliert gar nicht – sie entzieht sich vor allem. Sie empfindet Scham über sich selbst, und Scham verhindert oft, dass man in die Opposition oder Rebellion tritt. Cindy hat etwas Stoisches, was mir sehr gefällt. Für mich ist sie letztlich kein typisches Opfer.

Die Konflikte treiben Sie nicht auf die Spitze, es gibt auch keine große Konfrontation am Ende. Das könnte gängige Erwartungen enttäuschen.

Ja, aber ich mache so etwas eben anders. Ich wollte Cindy eine gewisse Größe geben – auch durch ihr Schweigen. Denn das signalisiert: Sie lässt sich nicht aus der Reserve locken, sie ist den Sticheleien auf ihre Art gewachsen. Das hat eine ungeheure Kraft.

War die Suche nach einer Hauptdarstellerin schwierig?

Es war eine Katastrophe – ich war frustriert und hochgradig genervt. Ich fragte mich: Wo sind sie denn, unsere Theaterschauspielerinnen, die jünger aussehen, als sie sind? Und was soll dieser Schlankheitswahn? Ich habe viele junge Frauen gecastet, die nicht das Lebensbejahende hatten, das ich für diese Figur brauchte. Als ich Julia Jendroßek sah, sagte ich: „Immerhin gehen bei der nicht die Mundwinkel nach unten.“ Wir haben sie zwei Monate vor den Dreharbeiten gefunden. So kurz vor dem Drehstart ohne Hauptdarstellerin dazustehen, wünsche ich keinem.

Warum heißt das Mädchen Cindy? Ein Verweis auf die Kunstfigur „Cindy aus Marzahn“?

Nein, überhaupt nicht – das Drehbuch war schon abgeschlossen, als ich zum ersten Mal von ihr hörte. Eines Tages las ich dann in der „Bild“ sogar von „Cindy und Danny aus Berlin-Hellersdorf“, also genau die Vornamen meiner Hauptfiguren. Da habe ich sehr gelacht und dachte: Na gut, dann ist und bleibt das eben so.

„Schönefeld Boulevard“ läuft am 5. Januar, 0.10 Uhr, auf RBB.
Die DVD ist bei Farbfilm erschienen.