Genetikk

Zwei ihrer Alben sind aus dem Stand auf Platz eins in Deutschland eingestiegen, die neue CD „Fukk Genetikk“ schaffte es auf Platz 6. Es läuft gut beim Saarbrücker HipHop-Duo Genetikk. Ein Hausbesuch bei Rapper Karuzo und Produzent Sikk in ihrer „Factory“. Ihre Masken blieben dabei im Kleiderschrank, aber Fotos gibt es nur maskiert.

Da wartet man doch gerne. Der Kaffee ist nachtschwarz und könnte Tote erwecken, die Bücher neben dem Sessel sind kiloschwere Edelbände über Architekten wie Le Corbusier und Vincent Van Duysen. Auch ein Beuys-Buch ist mitgestapelt. Das also ist, in einer Straße nahe am Saarbrücker Staden, die Schaltzentrale von Genetikk, einem der erfolgreichsten HipHop-Acts Deutschlands. Während das Duo im Raum nebenan noch ein Telefon-Interview gibt, kann man sich ein wenig umschauen in der „Factory“, wie es seine Zentrale in Anlehnung an Andy Warhol nennt.

Weiße Wände, Fachwerkbalken, ein Nobel-Rennrad (wenn auch mit plattem Hinterreifen); zwei Schreibtische, geschmackvoll beschallt von Soul und Electro. Eine E-Zigarette dampft, ab und an klingelt das Telefon: „Hikids, hallo?“ – keine berufsjugendliche Anrede, sondern der Name des Unternehmens, das Genetikk nebenher führen: ein Modelabel als Absicherung, um das ganze Team, insgesamt sieben Leute, zu ernähren, wenn gerade keine Tournee oder Albumveröffentlichung ansteht.

Das Telefon-Interview ist nun zu Ende; Karuzo, die Stimme von Genetikk, führt herum – in einem Raum stapeln sich Pakete sowohl mit „Hikids“-Textilien als auch mit Genetikk-Merchandise. Nebenan ist eine kleine schallisolierte Kabine mit Mikrofon, daneben ein Raum mit Klavier und Mischpult, das Studio. Musik, Merchandise und Management sind also unter einem Dach, Genetikk sind beneidenswert autark. „Es gibt Künstler, denen die Plattenfirma sagen muss, was sie aufnehmen, was sie anziehen und was sie im Interview sagen sollen“, sagt Karuzo, „wir zählen nicht dazu.“

Als Gesprächspartner sind Genetikk ein eingespieltes Duo, man kennt sich seit Schulzeiten am Deutsch-Französischen Gymnasium in Saarbrücken, machte zusammen Musik, fand ein Plattenlabel und den großen Erfolg. Karuzo übernimmt meist das Reden; Sikk wirft ab und an etwas ein – „wir sind die ersten Saarländer mit goldener Schallplatte seit Nicole – wäre das nicht ein interessanter Aufhänger?“ Interessant ist es jedenfalls, die beiden ohne ihre manchmal gruselverströmenden Masken zu sehen, die sie, wie Karuzo sagt, „anonym und gleichzeitig sofort wiedererkennbar“ machen; hinter denen kann man sich ja was auch immer vorstellen – aber demaskiert sind Genetikk zwei optisch attraktive, gleichzeitig unauffällige Mittzwanziger, denen man jederzeit den eigenen Wohnungsschlüssel anvertrauen würde, damit sie einem im Urlaub die Blumen gießen.

Dass das überhaupt überrascht, mag daran liegen, dass Genetikk in einem Musikgenre operieren, das gerne mit Schocks und Tabubrüchen arbeitet – als Erfolgsprinzip personifiziert etwa von Bushido, der kalkuliert provoziert und dabei zielsicher auf mediale Empörungsbereitschaft setzt. „Über Bushido wirst Du kein böses Wort von uns hören“, sagt Karuzo. Mit dem sei man aufgewachsen und großgeworden. „Die Plumpheit, mit der da manches rüberkommt, finde ich großartig. Das zieht er konsequent durch.“ Genetikk gehen da, auch auf dem gelungenen neuen Album „Fukk Genetikk“, anders, sarkastischer und doppelbödiger an HipHop-Themen wie Geld, Gewalt, Drogen und Sex heran; als kritische Ironiker wollen sie sich dennoch nicht verstanden wissen. „HipHop lebt wie die ganze Popkultur von Klischees“, sagt Karuzo. Mit denen spiele man gerne, „das Plumpe macht ja auch Spaß“. Zudem seien Geld und Sex ja tatsächlich „die Motoren der Welt. Das Banale, Profane hat beim Menschen eine uralte Tradition. Wir alle sind Steinzeit – das Stammhirn gibt den Ton an.“

Geld ist ja nichts Böses

Die vorigen Alben „D.N.A.“ und „Achter Tag“ sprangen aus dem Stand auf Platz eins der Albumcharts, „Fukk Genetikk“ immerhin auf die 6. Genetikk sind also ein blühendes Unternehmen; Geld ist für Karuzo „nichts grundsätzlich Böses. Andy Warhol sagte ja, dass Geldverdienen die schönste aller Künste sei.“ Für das Duo bringt das Geld vor allem Freiheit, selbstverwaltet unter einem Dach zu arbeiten und künstlerisch so gut wie nichts aus der Hand geben zu müssen. Und dass Saarbrücken aus Metropolensicht etwas abseits liegt, hat für Sikk den Vorteil, „das wir mit dem ganzen Zirkus nichts zu tun haben“.

Dass Plattenverkäufe rückläufig sind und selbst ein Nummer-Eins-Album nicht mehr ganz so profitabel ist wie noch vor Jahren, wissen Genetikk. Das junge Publikum hört das neue Album wohl meist auf Diensten wie Spotify, die nicht jeder Künstler schätzt, da die Tantiemen dort eher tropfen denn sprudeln. „So schlecht ist die Quote da gar nicht“, sagt Karuzo, „und man muss akzeptieren, dass sich das ganze Geschäft dahin und etwa zu iTunes verlagert“. Umso wichtiger zum Leben und Überleben sei das Konzertgeschäft – „und deshalb muss man live gut sein“, sagt Karuzo. 100 000 Euro haben sie in ihre kommende Show gesteckt, mit der sie im März in der Region auftreten. Es läuft also gut bei Genetikk. Und wenn es mal nicht mehr läuft? „Dann“, sagt Sikk, „treten wir bei Galas auf oder spielen zur Eröffnung von Autohäusern.“

„Fukk Genetikk“ ist bei Selfmade/Universal erschienen.
Konzerte: 11. März, Den Atelier in Luxemburg.
30. März, Garage Saarbrücken.

Fotos: Hell

 

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