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„OSS 117 – Liebesgrüße aus Afrika“ mit Jean Dujardin

OSS 117 Jean Dujardin Liebesgrüße aus Afrika

OSS 117 (Jean Dujardin) erkundet die Tierwelt Afrikas. Foto: Plaion

„Jeder Mensch träumt davon, Franzose zu sein!“ So sieht es jedenfalls der französische Agent Hubert Bonisseur de la Bath  – alias OSS 117. Diese Erkenntnis deklamiert er gerne mit stolzespraller Brust, auch in russischer Gefangenschaft in Afghanistan an Neujahr 1981. Da und dort beginnt die mittlerweile dritte Komödie mit dem gallischen Oscar-Preisträger Jean Dujardin („The Artist“) als französischem Agent;  die Figur OSS 117 nahm ihren Anfang ab 1949 in Spionage-Romanen von Jean Bruce. Die wurden dann in den 1960ern fürs Kino verfilmt, als James-Bond-Imitate mit herrlich reißerischen Titeln wie „Pulverfass Bahia“ oder „Teufelstanz in Tokio“ – an den Glamour von 007 kamen sie allerdings nicht heran.

Eurospy mit Frederick Stafford, der einst OSS 117 spielte

Jean Dujardin, einer der großen Stars Frankreichs zurzeit, drehte 2006 und 2009 die ersten beiden Komödien, teils Parodie auf Bond und das Spionage-Kino, teils Satire auf ungehemmten Chauvinismus und eine gewisse Dummheit: Frauen sind für OSS 117 nicht ganz ernst zu nehmen, auf andere Länder und Kulturen blickt er milde lächelnd herab – und dass es tatsächlich Franzosen gab, die nicht in der Résistance waren, hält er für ein böswilliges Gerücht. Zwei sehr charmante Filme sind das, denen das fast Unmögliche gelang: die Kinos zu füllen und zugleich eine gute Kritik in der cineastischen Bibel „Cahiers du Cinema“ zu bekommen. Parbleu!

Nun erscheint, 12 Jahre nach dem Vorgänger, das dritte Abenteuer bei uns im Heimkino – dessen deutscher Titel „Liebesgrüße aus Afrika“ erinnert an den Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“, der Originaltitel klingt herrlich nach einem knallbunten 60er-Jahre-Agentenfilm: „Alerte rouge en Afrique Noir“. Die Mission diesmal: In einem afrikanischen Staat soll OSS 117 die drohende Rebellion gegen den Machthaber zerschlagen – der mag zwar ein Tyrann sein, aber er ist „ein Freund Frankreichs“, wie der Chef des Agenten ihm mitteilt – schließlich liegen in seinem Land Diamantminen, deren Erlöse nicht zuletzt in Richtung Paris fließen. OSS 117 nimmt die Arbeit auf, unter dem schönen Decknamen Émile Cousin, hat dabei aber Hilfe, die er gar nicht will: OSS 1001 (Pierre Niney), ein Nachwuchsagent voller Heldenverehrung für den legendären 117; die schwindet vor Ort dann allerdings, wird ihm die Inkompetenz des älteren Kollegen doch schmerzhaft deutlich.

„Aus Spaß spricht niemand Deutsch.“

Das ist der grobe Handlungsrahmen, den Drehbuchautor Jean-Francois Halin und Regisseur Nicolas Bedos mit einiger Situationskomik füllen und mit schönen schrägen Ideen – der Leopard des afrikanischen Tyrannen hört nur auf  Kommandos in gebrülltem Deutsch, weil das die effektivste Befehlssprache sei. „Aus Spaß spricht niemand Deutsch.“ Und die Titelsequenz ist eine sinnige Hommage plus Parodie an/über James-Bond-Titelvorspänne vor allem aus den 80ern.

Der grundlegende und große Reiz des Films – die deutsche Fassung besorgte Oliver Kalkofe und spricht Dujardin gleich selbst – liegt aber darin, wie er ein konservatives Milieu zeichnet: Auf dem Weg ins Pariser Büro kommt OSS 117 an einem Wahlplakat des damals amtierenden Präsidenten Giscard d’Estaing vorbei und salutiert – ein Plakat weiter hängt das Bild des Rivalen Francois Mitterand, das OSS 117 in den Grundfesten erschüttert. Die Franzosen würden nie den Fehler machen, Mitterand zu wählen, spekuliert er – und wenn doch, dann müsse man sich einstellen auf „kein Privateigentum, Schlangen vor leeren Supermärkten, kein Wasser, aber sowjetische Panzer auf der Champs Élysées“. Es kam dann ja doch anders.

„Ich kann gar kein Rassist sein – sonst würde ich ja nicht Eure Kleidung tragen“

Im Geheimdienstbüro wird kollektiv gekichert über den Wunsch der afrikanischen Staaten, unabhängig zu sein. Vor Ort bemüht sich OSS nach Kräften, nicht als Rassist zu gelten, seien die Afrikaner in diesem Punkt „doch etwas empfindlich und humorlos“; lieber steckt er kleinen bettelnden Kindern Zigaretten zu, um großzügig zu wirken. Und es fallen Sätze, die man so oder ähnlich wohl auch schon mal gehört hat und die hier treffend vorgeführt werden: „Afrikaner sind fröhlich und tanzen gerne“, „Ich kann gar kein Rassist sein – sonst würde ich ja nicht Eure Kleidung tragen“ oder „Ihr seid mit so wenig so zufrieden“.

De Gaulle hilft gegen Impotenz

Neben der satirischen Veralberung von Kolonialismus und Rassismus geht es auch um die Midlife-Krise: Der 30 Jahre jüngere Kollege macht dem Agenten sein Alter deutlich klar, den hier auch überraschende Anfälle von Impotenz quälen. Da hilft nur eines (in einer sehr schönen Montage): an Frankreich denken, an Charles de Gaulle, an Düsenjäger, die über den Triumphbogen sausen – und schon ist das Problem des durchhängenden Eifelturms gelöst.

Die beiden ersten Filme mit OSS 117 haben möglicherweise die größeren Gags, bei „Liebesgrüße aus Afrika“ stellt sich eher ein Dauergrinsen ein als ein lautes Lachen. Aber in der Zeichnung seines Antihelden ist er konsequenter und am Ende überraschend finster: Das Herz für Rebellion und Demokratie entdeckt OSS 117 bis zuletzt nicht, er bleibt wie er ist: ein Mann der Realpolitik – und des Popo-Patschens im Büro als kernige Begrüßung.

Erschienen als DVD und Bluray bei  Plaion.
Fünf alte OSS-117-Filme (1963-1968) erscheinen im April bei der Riegelsberger Firma Pidax als DVD-Box.

„Arctic“ mit Mads Mikkelsen

Mads Mikkelsen als Overgard. Foto: Koch Films Arctic

Mads Mikkelsen als Overgard. Foto: Koch Films

 

Stoisch und stumm gräbt der Mann im Schnee, schiebt Geröll und Steine hin und her, macht immer weiter. Was er da genau tut, zeigt sich erst, als die Kamera ihn von oben zeigt, aus der Vogelperspektive: Ein großes „SOS“ hat er in den Schnee gebuddelt. So beginnt „Arctic“, ein filmisches Kammerspiel in der Antarktis, ein Zwei-Personen-Stück, von denen eine meist bewusstlos ist und im ganzen Film nur ein Wort flüstert. Reicht das für die 95 Minuten?

„Arctic“, das Langfilmdebüt von Musiker und Videokünstler Joe Penna (auch Ko-Drehbuch) hat enormem Mut zur Reduktion. So stoisch, wie der Mann sein „SOS“ freigräbt, so stoisch folgt der Film dem Tagesablauf des Gestrandeten: Sorgsam kontrolliert er das Loch im Eis, in dem er ein Seil als Angelrute versenkt hat; sitzt mit einem Funksender, den  er per Handkurbel antreibt, auf einer Anhöhe; verstaut gefangene Fische im Eis, nimmt einen davon mit in sein Flugzeugwrack, schneidet ihn in exakte Streifen, isst ihn, legt sich dick eingemummt schlafen und schaut vorher noch einmal nach seinen Zehen, von denen einer schon erfroren ist. Wieder ein Tag überstanden und überlebt.

Was genau passiert ist, warum die Maschine abstürzte, erfährt man nicht. Das große Abwarten des Mannes, das rigide Festhalten an einem Tagesablauf,  scheint ohnehin ein Ende zu haben, als nach Wochen ein Hubschrauber über ihm kreist. Doch die Landung misslingt im schlechten Wetter: Der Pilot stirbt sofort, die Kopilotin (María Thelma) überlebt verletzt – so schwer, dass sie einen Arzt braucht, und der Mann mit ihr das in Angriff nimmt, was er wohl schon einmal vergeblich versucht hat: zu Fuß eine Siedlung zu erreichen. Er schnallt die bewusstlose Frau auf einen Schlitten, beginnt die Reise durch die Einöde mit ihren mörderischen Anstiegen, Schluchten im Schnee und einem weiteren Fleischfresser: einem Eisbären.

 

Mads Mikkelsen Arctic

Overgard am Ende seiner Reise. Foto: Koch Films

Wie reißerisch hätte man das inszenieren können – doch „Arctic“, für ein schmales Budget in Island gedreht, ist umso interessanter, als er  konsequent  das unterlässt und unterläuft, was man von einem konventionelleren Film wohl erwartet hätte: eine Exposition etwa, die einem die Figur des Gestrandeten näher bringt, ein wenig Hintergrund. Aber von dem Mann erfährt man kaum etwas, das darüber hinausgeht, was man sieht – die Figur definiert sich über ihre Handlungen. Immerhin einen schönen sprechenden Namen darf er (als Aufnäher an der Jacke) tragen, Overgard – ein großer Behüter und Hirte ist er ja durchaus. Aber Overgard erzählt nicht von einer Kleinfamilie mit Hund, die zuhause auf ihn wartet und spricht auch nicht – wie etwa Tom Hanks in „Cast Away“ – mit einem Volleyball mit einem Gegenstand, um über diesen Umweg dann doch ein paar Sätze ans Publikum zu richten. Die im Film früh angelegte Konfrontation mit dem Eisbären wird auch nicht zum großen Action-Finale, sondern ist einfach einer von mehreren Situationen, die Overgard gerade so überlebt, als Mensch in einer Natur, die weniger feindselig denn indifferent ist – der Mensch hat hier keinen rechten Platz.

Die ruhige Erzählweise mit den minimalen Dialogen und der sparsamen Musik ist riskant – mit einem ausdrucksarmen Schauspieler hätten sich wohl Längen ergeben, doch die Leistung von Mads Mikkelsen kann man schon herausragend nennen. Ohne dass er allzu viel tut, keine Zusammenbrüche, keine Weinkrämpfe zu spielen hat, macht der Däne das Innenleben seiner Figur spürbar: das Gefühl der Einsamkeit, der Durchhaltewille, an dem die Kälte und die Widrigkeiten der Reise unablässig zehren; und auch ein kurzer Moment, in dem sein Wille zur Aufopferung für einen anderen Menschen an seine natürliche Grenze kommt – wenn sich der Selbsterhaltungstrieb des Menschen einfach als stärker erweist. Das Ende dieses Films, der sich auch als sinniges Doppelprogramm mit der Ein-Personen-Odyssee „All is lost“ mit Robert Redford anbieten würde, soll hier nicht verraten werden. Aber es ist wunderbar zurückhaltend.

„Arctic“ ist als Blu-ray, DVD und digital bei Koch Films erschienen.

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