Jonathan Kunz Elizabeth Pich "War and Peas" Tobias Keßler

Jonathan Kunz und Elizabeth Pich – „War and Peas“.   Fotos: tok

Aus Saarbrücken kommt ein international erfolgreiches Comic-Projekt: Unter dem Titel „War and Peas“ texten und zeichnen Elizabeth Pich und Jonathan Kunz kurze Geschichten über Leben und Tod, Liebe und Einsamkeit. Knapp 100 Arbeiten sind jetzt im Saarbrücker KuBa zu sehen.

So ein skeptischer Säugling. Eben noch weilte er im warmen Mutterbauch – jetzt ist er in der Welt und fragt sich, ob er die beste Zeit seines Lebens schon hinter sich hat. Ins Grübeln kommt auch der schnurrbärtige Bob. Auf die Frage, was er gerade so tue, antwortet er: „Triviale Aktivitäten, um mich von der Bedeutungslosigkeit meiner Existenz abzulenken.“ Und die göttliche Macht, die aus dem blauen Himmel herab spricht, weiß auch nicht wirklich weiter. Nach einem Lebensplan befragt, empfiehlt Gott einfach ein gutes Speise-Eis.

So sind eben das Leben und dessen diskutabler Sinn bei „War and Peas“. Unter diesem Titel zeichnen und texten Elizabeth Pich und Jonathan Kunz seit 2011 ihre Comic-Geschichten, so gut wie immer als kompakte Vier-Bild-Konstruktion. An der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) haben sich die beiden kennengelernt und veröffentlichen jeden Sonntag eine neue „War and Peas“-Geschichte auf ihrer Internetseite, stets in Englisch – der Internationalität des Comic-Marktes halber (zudem lebte Pich in den USA, bis sie 14 war).

Der Erfolg ihrer Kunst ist groß – 282 000 Abonnenten bei Facebook, bei Instagram eine Million, seit Silvester. Das erste Buch ist auf dem deutschen Markt erschienen („Von Hexen und Menschen“), außerdem in den USA, in Frankreich und in spanischer Übersetzung. Jetzt zeigen Pich und Kunz, die beide in Saarbrücken leben, im KuBa Kulturzentrum eine Auswahl ihrer Werke. Mit um die 90 jeweils einzeln gerahmten Comicgeschichten, dazu zwei Skizzenbüchern zum Blättern und auch mit dem, womit sie ihre im Netz kostenlos anschaubare Kunst mitfinanzieren: Merchandise. Kaputzenpullis etwa mit „War and Peas“-Motiven, Mützen, Aufkleber und ein T-Shirt mit einem Slogan, der bestens passt in ihre immer etwas unsichere, unwägbare Welt: „100 % not sure“. Das Merchandise bei der Ausstellung zu zeigen, sei wichtig, sagt Jonathan Kunz, sei das doch ein wichtiger Aspekt des Lebensunterhalts, wenn man kostenlose Web-Comics veröffentlicht. Gerahmte und signierte Drucke wie in der Ausstellung könne man auch über die Internetseite des Duos kaufen, „so gesehen ist die Ausstellung wie ein Showroom, wir zeigen, was wir verkaufen“.

 

 

Die Kunst von „War and Peas“ ist reizvoll trügerisch. Der Zeichenstil mag betont reduziert und unschuldig wirken, doch der Inhalt ist nie harmlos, sondern hintersinnig und meist melancholisch getönt: Um Einsamkeit geht es oft, um Gefühle, die aneinander vorbei strömen, um schwierige Kommunikation, um den Tod – das alles unterfüttert mit schwarzem Humor und unerwarteten Pointen. Eine ebenso witzige wie berührende Mischung, in dem es eines nicht gibt, auch wenn manche Leserinnen und Leser das entdeckt haben wollen: Sarkasmus. „Nein“, sagt Pich, „den gibt es nie bei uns. Wir lachen nicht von oben über unsere Figuren oder kommentieren sarkastisch, wir fühlen immer mit unseren Figuren mit.“ Ob nun mit einem liebeskranken Roboter oder einer frustrierten Wolke, die sich, nach der Beleidigung durch einen Menschen, aus Rache bevorzugt über Hochzeitsfesten ausregnet.

 

Gehängt ist die Ausstellung nicht chronologisch oder thematisch, wobei es doch kleine Schwerpunkte gibt mit jenen Figuren, die sich über die Jahre als feste Charaktere etabliert haben: allen voran die libidinös lebenslustige Zauberin  „Slutty Witch“, wie sie in der englischsprachigen Ausstellung heißt (und „Schlampenhexe“ in der deutschen Buchfassung). Sie kann man begleiten, wenn sie zum Befremden ihrer Katze den Abend mit einem Vibrator verbringt oder ihrem Regal voller Totenköpfe ein weiteres Exemplar hinzufügt: diesmal unglücklicherweise den eines Psychologen, der mit klapperndem Gebiss kundtut, mit dieser Totenkopfsammlung fülle die Hexe bloß eine Leerstelle in ihrer lieblosen Existenz. Da ist er wieder – der Sinn beziehungsweise der Un-Sinn menschlichen Lebens. Und die Einsamkeit. „Die ist ein grundlegendes Thema bei uns“, sagt Elizabeth Pich, „sie ist eine Volkskrankheit“ – nicht zuletzt durch das Internet und die sozialen Medien, in denen Gefühle so schwer zu deuten seien. „Aber wenn man Web-Comics macht, kann man das Internet ja nicht ganz verteufeln.“

 

Humor und Melancholie sind in den Comics nicht zu trennen: Wenn etwa der leibhaftige Sensenmann, eine der festen Figuren, seine Runden dreht und bei einer älteren Dame auf dem Sofa hängenbleibt, bei Keksen und Kakao. Da wird dem Gevatter Tod wohl kurz die brutale Dimension seines Berufs bewusst – aber mitnehmen wird er die Dame doch. In einem anderen Comic muss eine Heuschrecke, ein junger Gottesanbeter namens Timmy, damit leben lernen, dass seine Mutter den Vater artgerecht  kurz nach Timmys Zeugung gefressen hat. Und was passiert, wenn er mal heiratet?

„Silly Empire“, albernes Reich nennt sich die Ausstellung. Wieso? „Weil wir uns eine Art Kosmos erschaffen haben“, erklärt Pich, „unsere Figuren leben in derselben Welt“ – und in gewisser Weise die beiden Künstler auch: Es wird humoristisch autobiografisch, wenn ein Autorenduo auf Empfehlung seines Publikums hin zur Therapie geht. Lustig seien die Comics ja schon, gibt die Therapeutin zu, aber den beiden könne man nicht mehr helfen; und ein anderer Therapeut stellt fest, dass sie mit ihren anatomisch unkorrekten Zeichnungen ihren Hochschul-Professor zum Weinen brächten. Aprops Hochschule: Kunz selbst hat einige Jahre an der HBK den Masterschwerpunkt Comic/Graphic Novel betreut, bis es keine Einigung mehr über eine langfristige Weiterbeschäftigung gab, da die HBK in einer „Planungsphase“ bezüglich des Masterschwerpunkts sei, wie sie mitteilte; demnächst wird Kunz die Hochschule verlassen.

Kunz und Pich planen derweil ein zweites Buch, das mit der Welt von „War and Peas“ nichts zu tun haben wird. Ein poetisches Werk in Reinform soll es werden, in nostalgischer Optik und angelehnt an ihre Arbeit „A Job is a Job“, die man auf der „War and Peas“-Seite lesen kann. Doch erst einmal gibt es die Ausstellung im KuBa, die laut Kunz so etwas ist „wie ein Gang durch unsere Gehirne“.

warandpeas.com