Death of a ladies' Man Gabriel Byrne Brian Gleeson

O’Shea (Gabriel Byrne, rechts) und sein Vater (Brian Gleeson), der eigentlich schon seit Jahren tot ist. Foto: Jonathon Cliff / MFA

 

Man darf eben seinen Geldbeutel nicht zuhause vergessen. Als Samuel O’Shea auf dem Weg zum Flughafen nochmal in seiner Wohnung in Montreal vorbeischaut, ist der gerade praktizierte Ehebruch seiner Gattin im ersten Stock nicht zu überhören. Sein männliches Ego ist schwer getroffen, zumal der Liebhaber seiner Frau so jung ist wie sie, anders als der Poetik-Dozent, der die 60 schon überschritten hat. Die Gewissheit, dass er seine Frau öfter betrogen hat als sie ihn, kann er zwar nicht abstreiten; aber lieber ertränkt er die Schmach in Alkohol, badet in Selbstmitleid und wirft in einer Bar schon ein Auge auf eine andere Frau. Dass sein Sohn ihm erstmals mitteilt, dass er homosexuell ist, interessiert ihn da nur am Rande.

„Death of a Ladies‘ Man“, eine berührende und immer wieder witzige Tragikomödie, begleitet diesen Mann im letzten Abschnitt seines Lebens. Als O’Shea im Eishockeystadion seinem Sohn beim Profi-Spiel zuschaut – eine wunderbare Szene –, erklingt statt der kanadischen Nationalhymne ein Lied von Leonard Cohen; und die Spieler drehen tänzerische Pirouetten. Halluziniert er wegen seines konstant hohen Alkoholspiegels? Nein, sagt ihm seine Ärztin, mit der er sich sofort verabreden will. Der Dozent leidet an einem inoperablen Gehirntumor – was auch die überraschenden Besuche von dessen Vater erklären könnte, der doch schon seit Jahrzehnten tot.

Death of a Ladies' Man

O’Shea (Gabriel Byrne) lässt den gut abgehangenen Charme spielen. Foto: Jonathon Cliff / MFA

Realität und Halluzinationen fließen in dem Film des Kanadiers Matt Bissonette immer wieder ineinander, thematisch begleitet von der Musik des Landsmanns Leonard Cohen – manchmal als textlicher Kommentar im Hintergrund, mal szenisch wie in einem Musical. Höchstens ein Jahr zu leben bleiben dem Dozenten noch. Und so zieht er sich – nach der Erscheinung feuerspeiender Enten und dem Rat eines Engels am Montrealer Nachthimmel – in seine alte Heimat Irland zurück, wo er eine äußerst fotogene Hütte mit Meerblick besitzt. Dort will er über Leben und Tod nachdenken, dabei einen großen Roman schreiben. Und wie es das Schicksal scheinbar will, lernt er im Lebensmittelladen des Ortes eine attraktive Frau kennen: wieder mal halb so alt wie er, attraktiv, ledig – und Leonard Cohens Buch „Beautiful Losers“ liest sie auch noch. Ist das zu schön, um wahr zu sein? Abwarten.

Männerfantasie

Um Rückschau geht es in diesem Film, um verpasste Chancen, um das, was man zurücklässt – und nicht zuletzt um Männlichkeitsbilder. Ist O’Shea nun ein charmanter „Schwerenöter“, wie er sich selbst im Film nennt (in der Originalfassung „Operator“)? Oder doch eher ein Mann, den sein Penis durchs Leben führt, ein serieller Fremdgeher ohne Rücksicht auf emotionale Verluste? Das hält der Film in der Schwebe. Er bedient durchaus eine Männerfantasie des „Charmeurs“, dem niemand allzu lange böse sein kann, des auch künstlerisch potenten Bonvivants vor allem in der Irland-Passage; zugleich karikiert er diesen Mann, der als Vater meist versagt hat, als Ehemann auch, und jetzt nach so etwas wie einer letzten Läuterung sucht. Die gönnt man ihm gerne – auch wenn der Film in seinem letzten Drittel dann etwas viel hineinpackt und den souveränen Fluss der ersten Stunde zu verlieren droht.

Balz in der Tweed-Jacke

Schauspieler Gabriel Byrne ist das Zentrum des Films, er ist in fast jeder Szene zu sehen – und eine Freude. Er strahlt den notwendigen Charme aus, um nachvollziehbar zu machen, warum seiner Figur niemand lebenslang böse sein kann – zugleich ist er oft auch ein tragischer Gernegroß, der viel Zeit seines Lebens mit Alkohol vertan hat und mit akademisch getöntem Macho-Gehabe: Balz in der Tweed-Jacke. Die Dialoge O’Sheas mit seinem toten Vater (Brian Gleeson) sind ein Vergnügen und ein Herzstück des Films – mit wehmütigen und auch witzigen Gesprächen über Verluste und den Sinn des Lebens, der eben schwer zu fassen ist. Was den angeht, ist der Wissensvorsprung des jenseitserfahrenen Vaters jedenfalls gering. Da habe Hamlets Vater, der seinem Sohn ja auch erschien, doch viel mehr zu erzählen gehabt, beklagt sich O’Shea. Aber zu wissen, dass man letztlich nichts weiß, ist auch schon viel.