Film und dieses & jenes, von Tobias Keßler

Schlagwort: Oliver Kalkofe

„OSS 117 – Liebesgrüße aus Afrika“ mit Jean Dujardin

OSS 117 Jean Dujardin Liebesgrüße aus Afrika

OSS 117 (Jean Dujardin) erkundet die Tierwelt Afrikas. Foto: Koch Films

„Jeder Mensch träumt davon, Franzose zu sein!“ So sieht es jedenfalls der französische Agent Hubert Bonisseur de la Bath  – alias OSS 117. Diese Erkenntnis deklamiert er gerne mit stolzespraller Brust, auch in russischer Gefangenschaft in Afghanistan an Neujahr 1981. Da und dort beginnt die mittlerweile dritte Komödie mit dem gallischen Oscar-Preisträger Jean Dujardin („The Artist“) als französischem Agent;  die Figur OSS 117 nahm ihren Anfang ab 1949 in Spionage-Romanen von Jean Bruce. Die wurden dann in den 1960ern fürs Kino verfilmt, als James-Bond-Imitate mit herrlich reißerischen Titeln wie „Pulverfass Bahia“ oder „Teufelstanz in Tokio“ – an den Glamour von 007 kamen sie allerdings nicht heran.

Jean Dujardin, einer der großen Stars Frankreichs zurzeit, drehte 2006 und 2009 die ersten beiden Komödien, teils Parodie auf Bond und das Spionage-Kino, teils Satire auf ungehemmten Chauvinismus und eine gewisse Dummheit: Frauen sind für OSS 117 nicht ganz ernst zu nehmen, auf andere Länder und Kulturen blickt er milde lächelnd herab – und dass es tatsächlich Franzosen gab, die nicht in der Résistance waren, hält er für ein böswilliges Gerücht. Zwei sehr charmante Filme sind das, denen das fast Unmögliche gelang: die Kinos zu füllen und zugleich eine gute Kritik in der cineastischen Bibel „Cahiers du Cinema“ zu bekommen. Parbleu!

Nun erscheint, 12 Jahre nach dem Vorgänger, das dritte Abenteuer bei uns im Heimkino – dessen deutscher Titel „Liebesgrüße aus Afrika“ erinnert an den Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“, der Originaltitel klingt herrlich nach einem knallbunten 60er-Jahre-Agentenfilm: „Alerte rouge en Afrique Noir“. Die Mission diesmal: In einem afrikanischen Staat soll OSS 117 die drohende Rebellion gegen den Machthaber zerschlagen – der mag zwar ein Tyrann sein, aber er ist „ein Freund Frankreichs“, wie der Chef des Agenten ihm mitteilt – schließlich liegen in seinem Land Diamantminen, deren Erlöse nicht zuletzt in Richtung Paris fließen. OSS 117 nimmt die Arbeit auf, unter dem schönen Decknamen Émile Cousin, hat dabei aber Hilfe, die er gar nicht will: OSS 1001 (Pierre Niney), ein Nachwuchsagent voller Heldenverehrung für den legendären 117; die schwindet vor Ort dann allerdings, wird ihm die Inkompetenz des älteren Kollegen doch schmerzhaft deutlich.

„Aus Spaß spricht niemand Deutsch.“

Das ist der grobe Handlungsrahmen, den Drehbuchautor Jean-Francois Halin und Regisseur Nicolas Bedos mit einiger Situationskomik füllen und mit schönen schrägen Ideen – der Leopard des afrikanischen Tyrannen hört nur auf  Kommandos in gebrülltem Deutsch, weil das die effektivste Befehlssprache sei. „Aus Spaß spricht niemand Deutsch.“ Und die Titelsequenz ist eine sinnige Hommage plus Parodie an/über James-Bond-Titelvorspänne vor allem aus den 80ern.

Der grundlegende und große Reiz des Films – die deutsche Fassung besorgte Oliver Kalkofe – liegt aber darin, wie er ein konservatives Milieu zeichnet: Auf dem Weg ins Pariser Büro kommt OSS 117 an einem Wahlplakat des damals amtierenden Präsidenten Giscard d’Estaing vorbei und salutiert – ein Plakat weiter hängt das Bild des Rivalen Francois Mitterand, das OSS 117 in den Grundfesten erschüttert. Die Franzosen würden nie den Fehler machen, Mitterand zu wählen, spekuliert er – und wenn doch, dann müsse man sich einstellen auf „kein Privateigentum, Schlangen vor leeren Supermärkten, kein Wasser, aber sowjetische Panzer auf der Champs Élysées“. Es kam dann ja doch anders.

Im Geheimdienstbüro wird kollektiv gekichert über den Wunsch der afrikanischen Staaten, unabhängig zu sein. Vor Ort bemüht sich OSS nach Kräften, nicht als Rassist zu gelten, seien die Afrikaner in diesem Punkt „doch etwas empfindlich und humorlos“; lieber steckt er kleinen bettelnden Kindern Zigaretten zu, um großzügig zu wirken. Und es fallen Sätze, die man so oder ähnlich wohl auch schon mal gehört hat und die hier treffend vorgeführt werden: „Afrikaner sind fröhlich und tanzen gerne“, „Ich kann gar kein Rassist sein – sonst würde ich ja nicht Eure Kleidung tragen“ oder „Ihr seid mit so wenig so zufrieden“.

De Gaulle hilft gegen Impotenz

Neben der satirischen Veralberung von Kolonialismus und Rassismus geht es auch um die Midlife-Krise: Der 30 Jahre jüngere Kollege macht dem Agenten sein Alter deutlich klar, den hier auch überraschende Anfälle von Impotenz quälen. Da hilft nur eines (in einer sehr schönen Montage): an Frankreich denken, an Charles de Gaulle, an Düsenjäger, die über den Triumphbogen sausen – und schon ist das Problem des durchhängenden Eifelturms gelöst.

Die beiden ersten Filme mit OSS 117 haben möglicherweise die größeren Gags, bei „Liebesgrüße aus Afrika“ stellt sich eher ein Dauergrinsen ein als ein lautes Lachen. Aber in der Zeichnung seines Antihelden ist er konsequenter und am Ende überraschend finster: Das Herz für Rebellion und Demokratie entdeckt OSS 117 bis zuletzt nicht, er bleibt wie er ist: ein Mann der Realpolitik – und des Popo-Patschens im Büro als kernige Begrüßung.

Erschienen als DVD und Bluray bei Koch Films.
Fünf alte OSS-117-Filme (1963-1968) erscheinen im April bei der Riegelsberger Firma Pidax als DVD-Box.

Doppelter Grusel: Zwei exzellente Edgar Wallace-Boxen

 

Sie sind nicht totzukriegen, die Filme (mehr oder weniger) nach Edgar Wallace. Viele betagte Werke des deutschen Films sind ja der Vergessenheit anheim gefallen – aber die Wallace-Filme feiern im Heimkino immer wieder fröhliche Auferstehung. Zwischen 1959 und 1972 waren über 30 Produktionen entstanden, in denen eine seltsame Gräfin, der Hexer, der Zinker und der Frosch mit der Maske durch ein lange zeit schwarzweißes, später buntes Kunst-London schlichen, mit dem Hund von Blackwood Castle an der hoffentlich kurzen Leine.

Joachim Fuchsberger, unser Lieblings-Inspektor bei Wallace. Fotos: Universum

Nachdem die Filme komplett auf DVD zu haben waren, erscheinen sie nun peu à peu, allerdings nicht in strenger Chronologie,  in HD auf Blu-ray. Eine erste Edition kam im Januar 2016 heraus, nun sind drei weitere Filme in einer Box zu haben: „Der Fälscher von London“ (1961), „Das Gasthaus an der Themse“ (1962) und „Der Zinker“ (1963). Außer je einem knapp dreiminütigen Trailer zu den Filmen  gibt es keine Extras; aber die Qualität des neu abgetasteten Bildes ist glorios: So plastisch hat Londoner Kunstnebel noch nie ausgesehen, so scharf hat man Blacky Fuchsberges akkuraten Scheitel nie gesehen.

Anbieter: Universum Film

 

 

 

 

 

Die Reihe hat sich über die Jahre verändert: von recht biederen Filmen hin zu knalligen Krimis mit grotesken Einfällen, Ironie und einem gewissen Sadismus. Doch Ende der 1960er Jahre war die Luft raus, weswegen Produzent Horst Wendlandt begann, mit Italien zu koproduzieren: um das Budget aufzuteilen und um einen zusätzlichen Markt aufzutun.

Doch dieser Traum war rasch ausgeträumt, die Reihe endete 1972 mit dem Film „Das Geheimnis der grünen Stecknadel“. Der erscheint jetzt in einer mustergültigen Blu-ray-Edition (2 Blu-rays plus eine DVD), zurecht – denn allein die Veröffentlichungsgeschichte des Films ist interessant. In seinen Herkunftsländern lief der Film in unterschiedlichen Fassungen (beide hier enthalten): in Deutschland etwas kürzer, mit dem Star Fuchsberger (als Inspektor) an der Spitze des Vorspanns, zudem mit dem alten akustischen „Hallo, hier spricht Edgar Wallace“-Erkennungssignal; das fehlt in der italienischen Version, die etwas länger läuft, mehr grausame Details zeigt und ihren Star Fabio Testi (als Lehrer unter Verdacht) an die Spitze stellt.

Das mögen nur Details für beinharte Wallace-Fans sein; aber der Film selbst, um eine Mordserie in einem Mädchenpensionat, ist spannend und dabei manchmal fast Anti-Wallace (trotz Fuchsberger und Karin Baal als Darsteller): London ist hier nicht nebelverhangen, sondern sonnendurchflutet, statt Peter Thomas‘ Avantgarde hört man Ennio Morricones melodische Melancholie. Es ist schon merkwürdig: Da hat diese urdeutsche Reihe sich mit einem Fuß im typisch italienischen, mit Albtraum-Logik und Erotik aufgeheizten „Giallo“-Krimi verabschiedet.

 

 

Was gibts:

Internationale Fassung (113 Minuten )

Deutsche Kinofassung (96 Minuten)

Interviews mit Darsteller Fabio Testi (20 Minuten), Produzent Fulvio Lucisano (11 Minuten), Darstellerin Karin Baal (14 Minuten) und Hintergrundbericht (13 Minuten)

Audiokommentar von Troy Howarth

Bildergalerie

Trailer

Die knapp einstündige, bei Arte ausgestrahlte  Doku „German Grusel“ (2011), unter anderem mit Oliver Kalkofe, der sich nach dem frühen Genuss der Wallace-Filme später wunderte, dass das reale London nicht schwarzweiß ist. Kurios ist auch, dass die Interviewten Karin Baal und Joachim Fuchberger sich an „Stecknadeln“ kaum noch erinnern (oder so tun) – beide tun sich sichtlich schwer mit dem Film.

Ein schönes Booklet von Autor Paul Poet, der  den Film einordnet, innerhalb des Wallace-Kanons und des Giallo. Ein Makel ist aber, dass das Booklet behauptet, Produzent Horst Wendlandt habe neben Wallace auch die Jerry-Cotton-Filme auf den Weg gebracht, dazu Konsalik, die Simmel-Filme und die Mabuse-Filme der 60er – letztere stammten aus der Produktion von Atze Brauner, Wendlandts Erzkonkurrenten.

 

 

 

 

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