Über Film und dieses & jenes

Schlagwort: Robert Sigl

„Offene Wunde deutscher Film“ von Dominik Graf und Johannes F. Sievert – am 14.2. bei Arte

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Wolfgang Petersen erinnert sich an  seine Produktion „Das Boot“. Foto: WDR

Blickt man nur höchst flüchtig auf das deutsche Nachkriegskino, kann sich dieser Eindruck einstellen: In den 1950ern und -60ern füllen Heimatschnulzen, Winnetou und Wallace die Filmtheater. Dann erklären langmähnige Jungfilmer „Opas Kino“ 1968 für tot und rufen den „Neuen Deutschen Film“ aus; fortan regiert der Autorenfilm, wenn auch manchmal in leeren Sälen.

So weit, so klischeehaft zugespitzt. Diesem Klischee wirken seit Jahren einige rührige Kinoforscher entgegen und werben für vergessene Perlen des deutschen Films und einen differenzierteren Blick auf das hiesige Kino: etwa die Herausgeber der Zeitschrift  „Sigi Götz Entertainment“ und nicht zuletzt Dominik Graf. Der Regisseur („Die geliebten Schwestern“), dessen „Tatorte“ und „Polizeirufe“ stets herausragen, schreibt über Kino und dreht auch immer wieder Filme zum Thema. 2016 legte er zusammen mit Johannes F. Sievert die Doku „Verfluchte Liebe deutscher Film“ über vergessene Perlen des deutschen Kinos vor. Morgen läuft deren Fortsetzung zum ersten Mal im Fernsehen: „Offene Wunde deutscher Film“ – eine Liebeserklärung an Querköpfe, die sich beherzt zwischen alle filmischen Stühle setzen, weder den reinen Kommerz noch das Arthaus-Kino bedienten und es entsprechend schwer hatten oder haben.

Interview mit Dominik Graf

Wolfgang Petersen, der erste Gesprächspartner im Film, fällt da  mit seiner US-Karriere zwar heraus; mit einigen anderen zu Wort kommenden Regisseuren verbindet ihn aber die Liebe zum US-Kino, über die man damals an der Filmhochschule besser nicht redete, erzählt er, sonst galt man als unpolitischer „Kuchenfilmer“; Klaus Lemke („Rocker“) etwa träumte ebenfalls nicht vom europäischen Kino, sondern „vom US-Jungensfilm“. Lemke (77) dreht bis heute, so wie der gleichaltrige Kollege Rudolf Thome – wenn auch meist ohne jede Filmförderung.

Von der fühlt sich auch Robert Sigl ignoriert – trotz des frühen Erfolgs mit dem stilvollen Gruselfilm „Laurin“ vor 29 Jahren müht er sich seit Jahren um Förderung und Finanzierung. Kollege Wolfgang Büld, der einst „Gib Gas, ich will Spaß“ mit Nena drehte, hatte es etwas besser – in London realisierte er einige blutig-erotisch Filme, „bis der DVD-Markt dann zusammenbrach“.

 

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Filmemacher Jürgen Goslar spricht über seine Zeit und Filme in Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, und Südafrika. Foto: WDR

Interessante Einblicke in meist schwierige Karrieren sind das. Schade nur, dass der 90-MinutenFilm sich wenig Zeit gönnt: Vieles wird kurz angeschnitten, schon geht es weiter zum nächsten Film und Gesprächspartner. Die Musiker Klaus Doldinger, Eberhard Schoener und Irmin Schmidt von Can tauchen kurz auf, Filmjournalisten wie Olaf Möller und Rainer Knepperges – oft mit wenigen Sätzen. Mehr Zeit nimmt sich der Film immerhin bei Jürgen Goslar, einer festen Darsteller/Regie-Größe im „Kommissar“, bei „Der Alte“ und „Derrick“: Mitte der 1970er Jahre inszenierte er im damaligen Rhodesien zwei knallig-brutale, filmisch radikale  Abenteuerfilme – einen mit Horst Frank als schwarzem Albino.

In seiner Rastlosigkeit mag „Offene Wunde deutscher Film“ manchmal frustrieren – die enorme Materialfülle aber fasziniert, die  offensichtliche Liebe zum Thema ist ansteckend,  und man erhält viele Anregungen für den nächsten Heimkino-Abend.

Mittwoch, 14.2., ab 21.35 Uhr bei Arte.

 

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Regisseur Nikolai Müllerschön spricht über seinen Gangsterfilm „Harms“ von 2011. Foto: WDR

Die Schönheit des Schaurigen: Robert Sigls „Laurin“ neu auf Blu-ray

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Regisseur und Autor Robert Sigl. Foto: Michael Holzinger / Bildstörung

 

Es gibt reibungslose Karrieren – und es gibt die von Robert Sigl. 1988 gewinnt er, da ist er 26, mit seinem schaurig schönen Debüt „Laurin“ den bayerischen Filmpreis als bester Nachwuchsregisseur. Doch dann dauert es ganze sechs Jahre, bis er wieder hinter der Kamera steht (für den Mehrteiler „Stella Stellars“). Sigl hat ein Faible für das Phantastische, das Abgründige, das Morbide – entsprechend schwer hat er es mit TV-Sendern und der Filmförderung.  Der Genrefilm gilt eben als Schmuddelkind.

Über Jahre schreibt er an Drehbüchern, die sich nicht finanzieren lassen, dreht eine Folge der Science-Ficion Serie „Lexx“ (1999), verdingt sich bei „Soko“, bei „Alarm für Cobra 11“ und inszeniert auch zwei „Tatorte“ für den SR – darunter „Rache-Engel“, den Abschied von Kommissar Palu (Jochen Senf). Ein lauter Abgang: Kurz vor der Premiere im November 2005 entrüstet sich die „Bild“ über eine drastische, aber inhaltlich motivierte Szene pseudo-moralisch und erklärt das Ganze zum „Sex-Tatort“. Die ARD, die den Film schon abgenommen hatte,  lässt die Szene gegen den Willen des Regisseurs entschärfen, der sich danach als „persona non grata“ fühlt.

 

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Dóra Szinetár in „Laurin“. Foto: Salinas Film

Davon erzählt Sigl, mittlerweile 55,  jetzt auf einer neuen, mustergültigen Edition seines Debüts „Laurin“. Eine erste DVD-Ausgabe ist schon lange vergriffen, so hat die ungemein rührige Firma „Bildstörung“ den Film neu abtasten lassen und mit viel Bonus-Material auf Blu-ray veröffentlicht. „Laurin“, dieser mysteriöse, melancholische, sehr atmosphärische Film lohnt die (Wieder)-Entdeckung. Er erzählt von einem Ort am Meer zum  Ende des 19. Jahrhunderts. Dort geht der Tod um, Jungen verschwinden, und das kleine Mädchen Laurin wird von dunklen Visionen heimgesucht. In einem Audiokommentar erklärt Sigl Hintergründe, auch ein Studenten-Kurzfilm von 1983 an der Münchner Filmhochschule ist zu sehen, über eine abgründige Vater-Sohn-Beziehung. Damit eckte Robert Sigl damals an – es war nicht das letzte Mal.

www.bildstoerung.tv

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Die Extras:

Audiokommentar mit Robert Sigl
Kurzfilm „Der Weihnachtsmann“
Interview mit Robert Sigl (von Eckhart Schmidt)
Drehbericht und Interviews zu „Laurin“
Verleihung des Bayerischen Filmpreises
Geschnittene Szenen
Trailer
Booklet von Marcus Stiglegger

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