Über Film und dieses & jenes

Schlagwort: Starship Troopers

Kameramann Jost Vacano im Interview

Das Interviewbuch "Jost Vacano - Die Kamera als Auge des Zuschauers" von Marko Kregel ist nur noch antiquarisch zu haben, lohnt sich aber sehr.

Das Interviewbuch „Jost Vacano – Die Kamera als Auge des Zuschauers“ von Marko Kregel ist nur noch antiquarisch zu haben, lohnt sich aber sehr.

Kameramann Jost Vacano ist gerade 90 Jahre alt geworden. Grund genug, ein altes Interview auszugraben, das ich 2005 mit ihm führte – anlässlich der Buchveröffentlichung „Die Kamera als Auge des Zuschauers“ über „Das Boot“, aber auch über seine Zusammenarbeit mit Paul Verhoeven, die Kritik an „Starship Troopers“ und vor allem an „Showgirls“.

Herr Vacano, Literatur über Kameramänner ist selten – im Vorwort des Buchs über Sie schreiben Sie „wir stehen im Schatten“. Das klingt etwas resigniert.

Kritiker übersehen oft unsere Arbeit oder sie schreiben sie dem Regisseur zu. Das liegt bei uns an der Zeit des Autorenfilms, in der die Regisseure fast alles selbst gemacht haben. Die kreativen Mitarbeiter hat man da ganz gerne übersehen.

Ihre Arbeit ist frei von Manierismen – gab es keine Versuchung, ein Markenzeichen einzusetzen, das Ihre Arbeit sofort erkennbar macht?

Michael Ballhaus hat mal gesagt, er sucht seine Filme danach aus, ob er wieder seine berühmte Kreisfahrt unterbringen kann. Das ist nicht so ganz mein Stil. Ideale Kamera-Arbeit bedeutet für mich, den Fluss der Geschichte zu unterstützen.

Interview mit Sandra Hüller

Im Film „Panic Room“ fährt die Kamera dank Tricktechnik durch den Henkel einer Kaffeekanne. Wäre das was für Sie?

Ich bin kein Freund dieser Hypertechnisierung. Filmtricks waren früher ein Mysterium. Heute weiß das Publikum sehr genau, dass tricktechnisch so gut wie alles möglich ist – und deshalb hat vieles keine tatsächliche Wirkung mehr.

Hat ein Kameramann in optisch aufwändigen Filmen überhaupt noch eine gewisse Freiheit?

Bei „Starship Troopers“ habe ich Szenen gedreht, in denen die Darsteller erst später eingearbeitet wurden – in diesem Fall gigantische Käfer. Man muss immer das fertige Bild vor Augen haben und mit den Trickspezialisten engen Kontakt halten. Filme, in denen es um Gesichter und Emotionen geht, drehe ich schon lieber. Aber einen 100-Millionen-Dollar-Film zu drehen, ist spannend – und es schmeichelt dem Ego.

„Der Hauptmann“ – Interview mit Robert Schwentke

Verdient man da entsprechend?

Das wäre schön. Immerhin habe ich in den USA das Dreifache von dem verdient, was ich in Deutschland bekam. Das ist nicht so viel, dass man größenwahnsinnig wird, aber man kann wählerischer werden.

In „Das Boot“ haben Sie den optischen Stil durchgesetzt – vernebelte Luft, wenig Licht, Enge. Das war damals neu und kommerziell durchaus riskant.

Ich wollte einen dokumentarischen Stil und habe nur mit den Schiffslampen beleuchtet, die ohnehin zum Boot gehören. Regisseur Wolfgang Petersen fragte mich immer wieder: „Bist Du von Sinnen, wir drehen für den Weltmarkt.“ Doch ich habe mich durchgesetzt, und letztlich war das die Stärke des Films.

Nach dem „Boot“ sahen auch US-Filme anders aus. Die Optik etwa im Kriegsfilm „U-571“ erinnert an Ihre Arbeit.

Drei Viertel aller Einstellungen dort sind platte Kopien meiner Ideen. Einer aus dem Team dieses Films hat mir erzählt, dass der Regisseur bei den Dreharbeiten regelmäßig die DVD vom „Boot“ angeschaut hat.

Bei „Total Recall“ haben Sie mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone gearbeitet. Wie ist der Umgang mit Stars?

Sharon Stone war sehr unbeliebt, weil sie ständig Extrawürste wollte. Der Arnold aber ist kein Star im US-Sinne, bei dem etwa festgelegt ist, wer ihn ansprechen darf. Wir haben uns bestens verstanden.

Wie war es denn 1978 mit Helmut Berger im Krimi „Das fünfte Gebot“?

Überhaupt nicht angenehm. Nicht nur menschlich unappetitlich.

Ihre fruchtbarste Zusammenarbeit hatten sie mit Regisseur Paul Verhoeven – sieben gemeinsame Filme. Was für ein Verhältnis ist das, wenn man so viel zusammen arbeitet?

Eine sehr intensive Arbeitsfreundschaft, die aber nicht zu einer Lebensfreundschaft werden muss. Als ich mit dem Film aufhörte, haben wir uns voneinander verabschiedet.

Kaum ein Film wurde so aggressiv attackiert wie der freizügige „Showgirls“ – haben Sie das beim Dreh geahnt?

Wir wussten, dass wir zur Sache gehen – über die Reaktionen waren wir aber dennoch erstaunt. Wir hatten nicht bedacht, dass Las Vegas etwas ganz Exotisches für Amerikaner ist. Im Kino vor der Haustür wollen die das nicht sehen. Das Publikum schlich sich verschämt aus dem Kino wie aus einem Sex-Shop. Meine Arbeit im Film mag ich aber sehr. Diese Stadt des Lichts – das passte einfach wunderbar.

„Showgirls“ ist auch nur einer von zwei Filmen, die Sie im Breitwand-Format gedreht haben – dabei verbindet man dieses Format doch eher mit Kino-Ästhetik als das dem Fernsehbild ähnlichere 1:1,85-Format.

Tanzszenen wie in „Showgirls“ schreien nach dem breiten Format. Sonst finde ich aber, dass das 1:1,85-Format viel eher der natürlichen Wahrnehmung entspricht. Cinemascope hat eher Ausstellungscharakter.

Irritiert es bei der Arbeit, wenn die Darsteller wie in „Showgirls“ oft nackt sind?

Nach einem Tag ist das vergessen. Bei „Starship Troopers“ gab es eine Duschszene, doch die Darsteller wollten sich nicht ausziehen. Da haben Paul Verhoeven und ich damit angefangen, und dann war die Kuh vom Eis.

„Starship Troopers“ ist eine Satire auf Militarismus – wurde aber als faschistischer Film angegriffen.

Diese Kontroverse war zu erwarten, für uns war die Kritik dennoch sehr kränkend. Mittlerweile wird der Film aber besser verstanden. Im Grunde wurde der Film aber für die falsche Zuschauergruppe gedreht. Junge Leute mochten den Film nicht, Erwachsene habe ihn kaum gesehen, weil sie dachten, es sei ein reiner Action-Popcornfilm.

„Das Boot“, „Showgirls“ und „Starship Troopers“: Interview mit Kameramann Jost Vacano

Das Boot Showgirls Starship Troopers Jost Vacano Paul Verhoeven

Eine Seite aus dem Buch „Die Kamera als Auge des Zuschauers“ über Jost Vacano, erschienen im Schüren Verlag.

Gerade hat sich Kameramann Jost Vacano eine Nachzahlung für seine Arbeit an „Das Boot“ per Gericht erstritten – mit Zinsen um die 600 000 Euro. Grund genug, ein altes Interview auszugraben, das ich 2005 mit ihm führte – über „Das Boot“, aber auch über seine Zusammenarbeit mit Paul Verhoeven, die Kritik an „Starship Troopers“ und vor allem an „Showgirls“.

 

Herr Vacano, Literatur über Kameramänner ist selten – im Vorwort eines neuen Buches über Sie schreiben Sie „wir stehen im Schatten“. Das klingt etwas resigniert.

Kritiker übersehen oft unsere Arbeit oder sie schreiben sie dem Regisseur zu. Das liegt bei uns an der Zeit des Autorenfilms, in der die Regisseure fast alles selbst gemacht haben. Die kreativen Mitarbeiter hat man da ganz gerne übersehen.

Ihre Arbeit ist frei von Manierismen – gab es keine Versuchung, ein Markenzeichen einzusetzen, das Ihre Arbeit sofort erkennbar macht?

Michael Ballhaus hat mal gesagt, er sucht seine Filme danach aus, ob er wieder seine berühmte Kreisfahrt unterbringen kann. Das ist nicht so ganz mein Stil. Ideale Kamera-Arbeit bedeutet für mich, den Fluss der Geschichte zu unterstützen.

Im Film „Panic Room“ fährt die Kamera dank Tricktechnik durch den Henkel einer Kaffeekanne. Wäre das was für Sie?

Ich bin kein Freund dieser Hypertechnisierung. Filmtricks waren früher ein Mysterium. Heute weiß das Publikum sehr genau, dass tricktechnisch so gut wie alles möglich ist – und deshalb hat vieles keine tatsächliche Wirkung mehr.

Hat ein Kameramann in optisch aufwändigen Filmen überhaupt noch eine gewisse Freiheit?

Bei „Starship Troopers“ habe ich Szenen gedreht, in denen die Darsteller erst später eingearbeitet wurden – in diesem Fall gigantische Käfer. Man muss immer das fertige Bild vor Augen haben und mit den Trickspezialisten engen Kontakt halten. Filme, in denen es um Gesichter und Emotionen geht, drehe ich schon lieber. Aber einen 100-Millionen-Dollar-Film zu drehen, ist spannend – und es schmeichelt dem Ego.

Verdient man da entsprechend?

Das wäre schön. Immerhin habe ich in den USA das Dreifache von dem verdient, was ich in Deutschland bekam. Das ist nicht so viel, dass man größenwahnsinnig wird, aber man kann wählerischer werden.

In „Das Boot“ haben Sie den optischen Stil durchgesetzt – vernebelte Luft, wenig Licht, Enge. Das war damals neu und kommerziell durchaus riskant.

Ich wollte einen dokumentarischen Stil und habe nur mit den Schiffslampen beleuchtet, die ohnehin zum Boot gehören. Regisseur Wolfgang Petersen fragte mich immer wieder: „Bist Du von Sinnen, wir drehen für den Weltmarkt.“ Doch ich habe mich durchgesetzt, und letztlich war das die Stärke des Films.

Nach dem „Boot“ sahen auch US-Filme anders aus. Die Optik etwa im Kriegsfilm „U-571“ erinnert an Ihre Arbeit.

Drei Viertel aller Einstellungen dort sind platte Kopien meiner Ideen. Einer aus dem Team dieses Films hat mir erzählt, dass der Regisseur bei den Dreharbeiten regelmäßig die DVD vom „Boot“ angeschaut hat.

Bei „Total Recall“ haben Sie mit Arnold Schwarzenegger und Sharon Stone gearbeitet. Wie ist der Umgang mit Stars?

Sharon Stone war sehr unbeliebt, weil sie ständig Extrawürste wollte. Der Arnold aber ist kein Star im US-Sinne, bei dem etwa festgelegt ist, wer ihn ansprechen darf. Wir haben uns bestens verstanden.

Wie war es denn 1978 mit Helmut Berger im Krimi „Das fünfte Gebot“?

Überhaupt nicht angenehm. Nicht nur menschlich unappetitlich.

Ihre fruchtbarste Zusammenarbeit hatten sie mit Regisseur Paul Verhoeven – sieben gemeinsame Filme. Was für ein Verhältnis ist das, wenn man so viel zusammen arbeitet?

Eine sehr intensive Arbeitsfreundschaft, die aber nicht zu einer Lebensfreundschaft werden muss. Als ich mit dem Film aufhörte, haben wir uns voneinander verabschiedet.

Kaum ein Film wurde so aggressiv attackiert wie der freizügige „Showgirls“ – haben Sie das beim Dreh geahnt?

Wir wussten, dass wir zur Sache gehen – über die Reaktionen waren wir aber dennoch erstaunt. Wir hatten nicht bedacht, dass Las Vegas etwas ganz Exotisches für Amerikaner ist. Im Kino vor der Haustür wollen die das nicht sehen. Das Publikum schlich sich verschämt aus dem Kino wie aus einem Sex-Shop. Meine Arbeit im Film mag ich aber sehr. Diese Stadt des Lichts – das passte einfach wunderbar.

„Showgirls“ ist auch nur einer von zwei Filmen, die Sie im Breitwand-Format gedreht haben – dabei verbindet man dieses Format doch eher mit Kino-Ästhetik als das dem Fernsehbild ähnlichere 1:1,85-Format.

Tanzszenen wie in „Showgirls“ schreien nach dem breiten Format. Sonst finde ich aber, dass das 1:1,85-Format viel eher der natürlichen Wahrnehmung entspricht. Cinemascope hat eher Ausstellungscharakter.

Irritiert es bei der Arbeit, wenn die Darsteller wie in „Showgirls“ oft nackt sind?

Nach einem Tag ist das vergessen. Bei „Starship Troopers“ gab es eine Duschszene, doch die Darsteller wollten sich nicht ausziehen. Da haben Paul Verhoeven und ich damit angefangen, und dann war die Kuh vom Eis.

„Starship Troopers“ ist eine Satire auf Militarismus – wurde aber als faschistischer Film angegriffen.

Diese Kontroverse war zu erwarten, für uns war die Kritik dennoch sehr kränkend. Mittlerweile wird der Film aber besser verstanden. Im Grunde wurde der Film aber für die falsche Zuschauergruppe gedreht. Junge Leute mochten den Film nicht, Erwachsene habe ihn kaum gesehen, weil sie dachten, es sei ein reiner Action-Popcornfilm.

Sie sind mittlerweile im Ruhestand – was machen Sie jetzt?

Ich unterrichte an Filmhochschulen und kümmere mich ums Urheberrecht, was sehr wichtig ist. Unser Beruf muss aus dieser reinen Techniker-Ecke raus. „Das Boot“ ist über 40 Mal im Fernsehen gelaufen – dafür kriege ich keine müde Mark, der Regisseur und der Autor verdienen jedesmal etwas, manchmal sogar 100 Prozent ihrer ursprünglichen Gage. Deshalb habe ich mit einigen Justizministern gesprochen. Da bewegt sich jetzt etwas – und das ist vielleicht wichtiger als mancher Film, den ich gedreht habe.

 

Das Boot Showgirls Starship Troopers Jost Vacano Paul Verhoeven

ZUR PERSON

Jost Vacano kommt am 15. März 1934 in Osnabrück zur Welt, die Mutter ist Ballettmeisterin, der Vater Dirigent. Die Fotografie fasziniert ihn früh, in München studiert er Elektrotechnik und besucht nebenbei die Münchner Schauspielschule. Dort lernt er den späteren Regisseur Peter Schamoni kennen, mit dem er zu den Weltjugendfestspielen in Moskau 1957 fährt, um mit einer 16-mm-Kamera Filmaufnahmen zu drehen. Mit Schamoni arbeitet er an einigen Kurzfilmen; ab 1963 dreht er in Saarbrücken für den Saarländischen Rundfunk einige Fernsehfilme, unter anderem mit Truck Branss und Peter Zadek („Die Stühle“ nach Ionesco).

Nach mehreren Arbeiten mit Peter Beauvais fotografiert er Volker Schlöndorffs „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1975) und Roland Klicks „Supermarkt“ (1974). Den sieht der holländische Regisseur Paul Verhoeven (Foto: sz) und engagiert ihn für „Soldat van Oranje“ (1977) und „Spetters“ (1980). Der Erfolg von „Das Boot“ (1980) und „Die unendliche Geschichte“ (1984) führen Vacano nach Hollywood, wo er mit Verhoeven „Robocop“ (1987), „Total Recall“ (1990), „Showgirls“ (1995), „Starship Troopers“ (1997) und „Hollow Man“ (2000) dreht. Zwischen diesen eigenwilligen Großproduktionen dreht er die kleineren Filme „Rocket Gibraltar“ (1988) mit Burt Lancaster und „Untamed Heart“ (1993).

Der Autor Marko Kregel hat mit Vacano über mehrere Tage ein Werkstattgespräch geführt – daraus entstand das exzellente Buch „Jost Vacano – Die Kamera als Auge des Zuschauers“, das im Schüren Verlag erschienen ist. (234 Seiten, 100 Fotos, 19,90 Euro).

http://www.schueren-verlag.de

© 2024 KINOBLOG

Theme von Anders NorénHoch ↑