Über Film und dieses & jenes

Schlagwort: Studiocanal

„Flash Gordon“, die filmische Kitsch-Torte

Flash Gordon

Der Gute und der Böse: Sam Jones (links) als Flash und Max von Sydow als Ming.     Foto: Studiocanal

„Niemand lacht über meinen Flash Gordon!“ Das soll Produzent Dino De Laurentiis gebrüllt haben, als sich das Team seines Films bei den Dreharbeiten zu „Flash Gordon“ die frisch gedrehten Szenen anschaute – und immer wieder kicherte. So sehr, dass Regisseur Mike Hodges Kicher-Verbot erteilte, sollte Dino furioso in der Nähe sein. Hodges sah das ganze Unternehmen als knallige Science-Fiction-Komödie, De Laurentiis als großen ernsten SF-Abenteuerfilm. Getroffen haben sie sich filmisch in der Mitte, gelungen ist ihnen ein Werk, bei dem alles stimmt, obwohl nichts zusammenzupassen scheint. „Flash Gordon“, jener knallbunte Film von 1980,

Ein wackerer blonder Erdling

Ein Blick zurück ans Ende der 1970er Jahre. Der italienische Hollywood-Produzent De Laurentiis, der zuvor den Riesenaffen „King Kong“ filmisch wiederbelebt hat (volle Kassen, entsetzte Kritiker), besitzt die Rechte an den „Flash Gordon“-Comics von Alex Raymond, die in den 1930ern schon mal verfilmt wurden – und 1974 mit einem charmant getricksten Softporno namens „Flesh Gordon“ parodiert und erotisiert wurden. Um einen wackeren blonden Erdling geht es in den Comics, der auf dem fernen Planeten Mongo einem asiatisch wirkenden Bösewicht namens Ming zeigt, wo der Hammer der freien Welt hängt, da der Finsterling a) von seinem Glitzerpalast aus den Planeten Erde bedroht und b) die Freundin des Helden in seinem geräumigen Harem unterbringen will.

 

Flash Gordon

In Mings Folterkammer: Sam Jones als Flash Gordon, Melody Anderson als Dale Arden.  Foto: Studiocanal

Im Science-Fiction-Boom nach dem ersten „Krieg der Sterne“ von 1977 bekommt Di Laurentiis ein potentes Budget von 25 Millionen Dollar zusammen (damals viel Geld für einen Film) und beginnt die Vorproduktion mit einem ungewöhnlichen Filmemacher: Nicolas Roeg, Regisseur von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und „Der Mann, der vom Himmel fiel“, kein Mann des Kino-Mainstreams.

Roegs „große Plazenta“

Zuvor hatte der Produzent auch Sergio Leone und Federico Fellini im Sinn, deren Interesse sich aber in Grenzen hielt. Roeg nun schwebt eine bewusstseinserweiternde Weltall-Odyssee vor, ein psychedelischer Trip; spätestens bei seiner Beschreibung eines Raumschiff-Designs als „große Plazenta“, wird klar, dass er und Di Laurentiis in unterschiedlichen Galaxien leben.

Schöner Schund: Die Geschichte der Cannon-Studios

Abgang Roeg, Auftritt Hodges, den der Produzent unter anderem deshalb engagiert, wie er sagt, „weil er ein ehrliches Gesicht hat“. Dessen bekanntester Film ist bis dahin der eisige Nordengland-Krimi „Get Carter“ von 1971 mit Michael Caine. Hodges macht sich an die Arbeit, mit einer Besetzung zwischen Legende und Laie: Der Schwede Max von Sydow, bekannt für tränenschwere Ingmar-Bergman-Filme, spielt den bösen Ming mit großer Geste und schwerer Robe, während Di Laurentiis für die Heldenrolle einen nahezu Unbekannten verpflichtet – Sam Jones, der in einer US-Datingshow vor allem durch gutes Aussehen aufgefallen ist.

 

Flash Gordon

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, auch wenn es nicht so aussieht: Prinz Barin (Timothy Dalton, links) und Flash Gordon (Sam Jones).  Foto: Studiocanal

 

Die Wahl zahlt sich erstmal aus: Der mimisch unerfahrene Jones verströmt genau jene unschuldige und naive Aura, die dem Regisseur vorschwebt. Timothy Dalton, sieben Jahre später James Bond, spielt einen heroischen Prinzen mit Errol-Flynn-Schnurrbart; Brian Blessed mimt den Anführer der mit Flügeln ausgestatteten Falkenmänner und frönt lustvoll dem Over-Acting. Wenn er lacht, sieht man 80 Zähne und Blesseds Mandeln; jeden Dialogsatz („Gordon’s aliiiiiive?“) deklamiert er oberhalb der Zimmerlautstärke.

„Raumpatrouille“ neu auf Bluray und UHD

Derweil schleicht Ornella Muti als libidonös hyperaktive Königstochter durch die wundersamen Dekorationen von John Graysmark: mal verkitschte Art déco, mal technoide Futuristik, während die Kostüme von Danilo Donati in Rot erstrahlen und so golden glitzern, dass man zur Augenschonung manchmal nach einer Sonnenbrille greifen möchte.

Sam Jones fliegt in die Ferien – und kommt nicht wieder

Während der Dreharbeiten im winterlichen London, wo besonders die Darsteller der Falkenmänner im Lendenschurz vor sich hin frieren, gehen die Diskussionen zwischen Produzent und Regisseur munter weiter, doch beide haben ein noch größeres Problem: Hauptdarsteller Jones fliegt in die Weihnachtsferien in die USA – und kommt nicht wieder. Denn seine Agenten machen ihn darauf aufmerksam, dass seine Wochengagen nicht ganz regelmäßig eintreffen; Di Laurentiis tobt, lässt sich aber nicht entmutigen – das meiste Pensum hatte Jones ohnehin schon abgedreht. Und für die Nachsynchronisation, nötig bei Szenen mit hohem Geräuschpegel, engagiert er einfach einen anderen Schauspieler als Sprecher. Problem gelöst.

 

Flash Gordon

John Graysmark entwarf die Bauten des Films, Danilo Donati die Kostüme.   Foto: Studiocanal

Die Erwartungen beim Filmstart sind hoch. Doch während „Flash Gordon“ in Europa gut läuft, sind die Kinos des wichtigen US-Markts kaum gefüllt. Das war‘s – auch für die Fortsetzungen, die Di Laurentiis schon im Hinterkopf hatte.

„Sador – Herrscher im Weltraum“ als Heimkino-Edition

Sieht man den Film heute, wirkt er nicht wie einer der vielen „Krieg der Sterne“-Imitationen von damals, sondern fast wie ein Anti-„Star Wars“. Während George Lucas seine märchenhafte, aus allerlei Mythen zusammengesetzte Handlung optisch vergleichsweise realistisch und mit biblischem Ernst („Möge die Macht mit Dir sein“) erzählt, schwelgt „Flash Gordon“ im parodistischen Kitsch, badet in Farben, lässt Funken sprühen, Sümpfe blubbern – und die britische Band Queen herzhaft musizieren. Deren bombastisch Filmmusik („Fläsch – aaahaaaaaaaa!“) passt wunderbar in den Kontext, vor allem zu einer Attacke flatternder Falkenmänner auf ein Fluggefährt, bei der sich Dröhngitarre, Donnerschlagzeug und die Action im Spielzeugland zu einem poppigen Gesamtkunstwerk vereinen. Vielleicht war es ein Segen, dass der Film keine Fortsetzungen nach sich zog – solche Glücksfälle lassen sich nicht wiederholen.

Bluray und UHD in verschiedenen Versionen bei Studiocanal.

 

Flash Gordon

Antikes Stück: der Trailer des Films auf Super 8.    Foto: Piccolo Film

„Baron Noir“ mit Kad Merad – vom Tricksen im Polit-Dschungel

Baron Noir Kad Merad

 

 

„Wir sind alle keine Chorknaben. Aber das Gefängnis haben wir nicht verdient“, sagt einer der Polit-Strippenzieher in „Baron Noir“. Uneingeschränkt zustimmen mag man der zweiten Satzhälfte nicht – angesichts dieses Tableaus an Machenschaften, Tricksereien und Betrug, die diese französische TV-Serie, die bei uns jetzt auf DVD erscheint, höchst kunstvoll ausbreitet. Es herrscht Wahlkampf, der sozialistische Präsidentschaftskandidat Laugier (Niels Arestrup) steht kurz vor seinem großen Ziel – unterstützt wird er von seinem Berater und langjährigen Freund Rickwaert (Kad Merad), dem Bürgermeister von Dünkirchen. Der Weg in den Élyseé Palast scheint gut geebnet zu sein, bis Finanztricksereien der Sozialisten aufzufliegen drohen. Rickwaert rettet, was zu retten ist, doch Laugier lässt ihn fallen – und wird Präsident. Der Geschasste und tief Getroffene beginnt einen Rachefeldzug, der ihn vom Dünkirchener Flachland nach Paris bringen soll.

 

Baron Noir Kad Merad

Da sind sie noch Freunde, im weitesten Sinn:  Kad Merad (l.) als Philippe Rickwaert, Niels Arestrup als Francis Laugier, der auf dem Weg in den Élysée Palast ist. Foto: Studiocanal

 

Ist dies eine gallische Version der US-Serie „House of Cards“? Zwar verbindet der Schauplatz des politischen Dschungels die Reihen, „Baron Noir“ stellt aber eine besonders vielschichtige Figur ins Zentrum. Rickwaert ist  nicht zynisch und diabolisch wie der TV-Kollege Frank Underwood aus „House of Cards“; er ist ein Getriebener, er ist Täter wie Opfer, ein Pragmatiker, Opportunist und dabei auch eine tragische Figur, weder wirklich sympathisch noch verabscheuungswürdig. Ein Glücksgriff ist die Besetzung mit Kad Merad, bei uns vor allem als Postbeamter mit Nordfrankreich-Kulturschock in „Willkommen bei den Sch’tis“ bekannt – wie er seinen vertrauenerweckend onkeligen Charme einsetzt, um Menschen auf seine Seite zu ziehen, wie er steigenden Druck ausübt, sobald der Charme nicht ganz verfängt, ist famos anzusehen.

Autor der Serie ist der ehemalige Polit-Berater Eric Benzekri, der die Mechanismen von Wahl- und Machtkampf hier en detail herunterbricht: Mit einer TV-Debatte in einem gelackten Studio in Paris beginnt es, doch nach dem Bruch der Parteifreunde wird der Wahlkampf in Dünkirchen kleinteilig: Rickwaert lässt Konkurrenzplakate überkleben und   Tausende Flugblätter der Gegenseite aus den Briefkästen angeln, während er selbst Strippen zieht, Allianzen schmiedet und sich mit Notlügen durchwurschtelt – oder ein Wahllokal von seinen Getreuen bepöbeln lässt, um das den Rechten in die Stiefel zu schieben. Das alles geschieht mit viel Tempo, Wendungen,  geschliffenen Dialogen und plastischen, vielschichtigen Figuren – ein Vergnügen und zugleich ein großes menschliches Drama.

Die erste Staffel ist bei Studiocanal erschienen (acht Episoden à 50 Minuten auf 3 DVDs). Die  zweite Staffel wird zurzeit produziert.

 

 

© 2024 KINOBLOG

Theme von Anders NorénHoch ↑