Élise (Marion Barbeau) vor dem letzten Auftritt als Ballerina. Foto: Studiocanal  

Élise (Marion Barbeau) vor dem letzten Auftritt als Ballerina. Foto: Studiocanal  

Das schmerzhaft laute Krachen im Knöchel ist ein Schock – nach so viel Wohlklang, nach so viel Anmut, nach so viel wallenden Tutus. Erst einmal nimmt uns der Film, was man sich trauen muss, eine knappe Viertelstunde lang dialogfrei mit zu einer klassischen Tanzaufführung von „La Bayadère“. Die fließende Bewegung der Kamera führt hinter und auf die Bühne, zeigt die junge Elise beim Tanzen, beim Warten auf den nächsten Einsatz, beim Nachschminken der Garderobe.

„Entweder das – oder Sie tanzen nie wieder“

So mitreißend beginnt „Das Leben ein Tanz“, als Zelebrierung von Bewegung und Körperkunst – bis zu jenem falschen Auftreten von Elise nach einem großen Sprung. Die Knöchelverletzung verändert das Leben der Künstlerin auf einen Schlag; zugleich ist ihr Freund, ebenfalls beim Ballett, gerade aus ihrem Leben getänzelt, konnte sie ihn doch hinter der Bühne turteln sehen – just vor ihrem fatalen Sprung. Eine lange Tanzpause soll Elise nun einlegen, sagt ihre Ärztin, „entweder das – oder Sie tanzen nie wieder“. Für das hoffnungsvolle Talent ist der lange gehegte Lebenstraum erst einmal vorbei. Für die Erschütterte ist ihr Vater nicht die stabilste Stütze, hatte er ihr doch immer ein Jurastudium statt einer Tanzkarriere nahegelegt. Er ist ein Mann der vielleicht liebevollen Distanz, aber eben doch der Distanz. Und die Mutter, die Elise einst zu den Ballettstunden brachte, ist schon vor einigen Jahren gestorben.

Es geht in die Bretagne

Was tun – wenn man nicht mehr das tun kann, was man liebt? Elise verlässt Paris, um zur Ruhe zu kommen, und arbeitet bei einem Foodtruck einer alten Ballettkollegin: In der Bretagne schält sie Gemüse für eine Compagnie, die in einer Mischung aus Schlösschen und ländlichem Kulturzentrum zeitgenössischen Tanz probt. Leicht ist es nicht für sie, den Kolleginnen und Kollegen zuzuschauen, ohne selber tanzen zu können; doch sie findet Freundinnen, Freunde, eine neue Liebe – und möglicherweise einen Weg aus ihrer Krise.“

„Die Rumba-Therapie“ von Frank Dubosc

„Das Leben ein Tanz“ ist ein sehenswerter Film, denn die exzellente Machart triumphiert über den simplen Plot. Problemlos könnte man die Geschichte der gestrauchelten Tänzerin, die sich wieder hochrappelt und das Glück findet, nach Hollywood transportieren – als hochkommerzielles Tanz-Selbstfindungs-Melodram mit aufbauenden „Lebe Deinen Traum“-Dialogen. Der große Reiz von „Das Leben ein Tanz“ liegt nun darin, dass Regisseur Cédric Klapisch („L’Auberge Espagnole“, „So ist Paris“) eine potenziell kitschige Geschichte nahezu unkitschig auf die Leinwand bringt. Nicht zuletzt dank seiner jungen Hauptdarstellerin Marion Barbeau, Jahrgang 1991, seit 2018 Erste Tänzerin des Balletts der Pariser Oper. In ihrer ersten Filmrolle zeigt sie eine frische Natürlichkeit und trägt den Film mit ihrer Darstellung – und eben mit ihrer Tanzkunst. Anders als in vergleichbaren Filmen muss der Regisseur für die Bühnenszenen kein Double einsetzen, ein großer Gewinn.

Die zeitgenössische Tanzcompagnie im Film ist eine reale – die des Choreografen und Komponisten Hofesh Shechter, was dem Film eine gewisse Authentizität mitgibt, auch wenn Regisseur und Co-Autor Klapisch, der es seinem Publikum nicht unnötig schwer machen will, Begleiterscheinungen von Bühnenarbeit ausblendet: Hier gibt es keine Rivalität, keine geblähten Egos, keine Eifersüchteleien. Die Künstlerinnen und Künstler lieben vor allem den Tanz, genau wie der Regisseur, der ihn in einigen mitreißenden Szenen einfängt. Zwischendurch diskutiert die Truppe, ob das klassische Ballett nicht von gestern sei, ob man Tutus endgültig einmotten sollte. Die Antwort darauf ist die wundersame Szene eines klassischen Tanzes in der Küche, zwischen dem Herd und frisch geschältem Gemüse.

Manche Gefühlswirren wirken dramaturgisch etwas unterentwickelt, etwa wenn Elise umgehend und nahezu dialogfrei eine neue Liebe findet; oder wenn sie das etwas distanzierte Verhältnis zum Vater angeht, der ihr, wie sie ihm vorwirft, nie gesagt habe, dass er sie liebt. Das wäre blanker Arthouse-Kitsch, wäre es von Marion Barbeau und Dénis Podalydès nicht so gut gespielt. Der Vater wird aller Distanz zum Trotz noch eine Träne vergießen, wenn der Film mit einer grandiosen Ausdruckstanz-Sequenz endet. „Das Leben ein Tanz“ ist ein Liebesbrief an den Tanz, egal ob klassisch und modern – und zugleich ein Wohlfühlfilm, der einem die Gefühligkeit nicht aufdrängt.

DVD bei Studiocanal.