Film und dieses & jenes

Schlagwort: 007

Der Bildband „The Goldfinger Files“ – eine Woche mit James Bond in der Schweiz

Ein winkender Sean Connery in der Bar des „Hotel Bergidyll“. Der Herr ganz rechts ist Spezialeffekte-Mann John Stears – er doubelt nebenbei den nicht anwesenden Gert Fröbe und wird später zwei Oscars gewinnen – für „Feuerball“ und für „Krieg der Sterne“. Foto: Famile Holzhauser / Steidl Verlag

Hoch die Tassen! Ein winkender Sean Connery in der Bar des „Hotel Bergidyll“. Der Herr ganz rechts ist Spezialeffekte-Mann John Stears – er doubelt nebenbei den nicht anwesenden Gert Fröbe und wird später zwei Oscars gewinnen – für „Feuerball“ und für „Krieg der Sterne“.       Foto: Famile Holzhauser / Steidl Verlag

 

Ein opulenter Bildband zeichnet eine Woche Dreharbeiten in der Schweiz am James-Bond-Film „Goldfinger“ von 1964 nach. Ein Stück Filmgeschichte als faszinierender Mikrokosmos.

Bücher über Dreharbeiten gibt es ja einige. Aber ein Bildband über gerade mal sieben Drehtage (plus einer für Anreise und Hotelbeziehen), die auch noch fast 60 Jahre zurückliegen? Eine bizarre Idee? Im Prinzip schon – aber nicht, wenn der Film „Goldfinger“ heißt. Denn jener dritte James-Bond-Film löste die 007-Hysterie der 1960er erst aus. Waren die Vorgänger „Dr. No“ und „Liebesgrüße aus Moskau“ noch vergleichsweise erdverbundene Thriller, hob „Goldfinger“ 1964 filmisch ab und bastelte sich seine ganz eigene 007-Welt mit Drehbuch-Ideen und Bildern, die zu Kino-Ikonen wurden: die vergoldete Frau, der Smoking unterm Taucheranzug, die Laserwaffe, die den Helden lendenaufwärts halbieren soll, der Hut mit tödlichem Stahlring in der Krempe – und nicht zuletzt der Aston Martin, das automobile Symbol eines eleganten Englands, ausgestattet mit einem Schleudersitz für Beifahrer.

 

Die Hotel-Hausband „The Hammond’s“ entdeckt eine neue Einnahmequelle: Ihr alter VW-Bus wird zum Imbisswagen der Bond-Filmer. ⇥Foto: Familie Holzhauser / SteIdl

Die Hotel-Hausband „The Hammond’s“ entdeckt eine neue Einnahmequelle: Ihr alter VW-Bus wird zum Imbisswagen der Bond-Filmer. Foto: Familie Holzhauser / SteIdl

 

„Goldfinger“ ist der stilbestimmendste Bond-Film und zeigt Sean Connery auf dem Höhepunkt seiner 007-Lässigkeit – ab dem Folgefilm „Feuerball“, bei dem der technische Bombast übermächtig wurde, ging es bergab mit des Schotten Motivation: angesichts des Rummels, schwächerer Drehbücher und seines wachsendes Hasses auf die Produzenten, von denen er sich finanziell übervorteilt fühlte.

Plattfuß durch Aston Martin

1964 war die Welt aber noch in Ordnung bei „Goldfinger“, diesem Stück Populärkultur, dem der Göttinger Steidl Verlag nun den famosen, exportfreundlich englischsprachigen und am Papierrand gar goldfarbenen Bildband „The Goldfinger Files“ widmet. Um jene sechseinhalbminütige Szene geht es, in der Bond in den Schweizer Alpen den Schurken Goldfinger (Gert Fröbe) verfolgt, in einen Mordanschlag auf ihn gerät und sich dann der glücklosen Attentäterin (gespielt von Tania Mallet) andient – nachdem er ihrem Wagen mit seinem trickreichen Aston Martin einen doppelten Plattfuß beschert hat.

Die Schweizer Bond-Kenner Steffen Appel und Peter Wälty haben für dieses Buch mit der Goldkante Hunderte Fotos der Dreharbeiten zusammengetragen, Pressebilder, Privataufnahmen, dazu Drehbuch-Passagen, Produktionsnotizen und Bildfolgen aus dem fertigen Film. Alles brachten sie in Detektivarbeit in eine Chronologie – teilweise durch den mikroskopischen Blick auf die Armbanduhren der Fotografierten.

Drehpause – Sean Connery filmt Schauspielerin Tania Mallet. Foto: Josef Ritter / Steidl

Das Ergebnis ist ein Bildertagebuch voller Nostalgie an die 1960er, mit Fernweh in Richtung der schönen Alpen und mit einer überraschenden Bodenständigkeit: Bond-Produktionen achten heute penibel darauf, wo sie der Presse Zugang gewähren und wo nicht. Bei „Goldfinger“ durften zwecks Werbe-Maximierung in jener Schweizer Woche die Fotografen bei allem dabei sein. So gibt es neben klassischen PR-Aufnahmen – Mallet und Connery wandeln auf dem Flughafen Zürich-Kloten die Gangway herab – auch ganz anderes: Connery etwa beim Imbiss-Stand der Dreharbeiten, mit Hühnerbein und Kartoffelsalat auf Pappteller nebst Plastikbesteck. Kein Bond-Glamour also – zumal das Mahl nicht von Spitzenköchen gereicht wurde, sondern von der Hausband des „Hotel Bergidyll“ in Andermatt, wo das 50-köpfige Bond-Team im Juli 1964 untergekommen war, nachdem alle anderen Gasthäuser der Region kein Interesse hatten (heute schwer vorstellbar). Jene Hausband, „The Blue Hammond’s“, beschallte in langen Nächten den britisch bevölkerten Tanzboden des Hotels und fuhr tagsüber mit einem klapprigen VW-Bus und angepapptem Schild mit „Catering Service Verpflegung Dreharbeiten“ den Bond-Filmern hinterher.

Interview mit Kulturwissenschaftler über James Bond

Mit dem 5. Juli 1964 beginnt das Buch. Sean Connery, damals 34, fliegt in Zürich ein, ohne Toupet und ohne Rummel – Bond ist noch kein Massenphänomen, anders als die Beatles, die, wie das Buch vermerkt, exakt vier Wochen vorher auf dem Flugplatz standen und heftig umkreischt wurden. Ein Detail am Rande: Im Film „Goldfinger“ äußert sich die Figur Bond ziemlich altväterlich über die Beatles, die ja nur mit Gehörschutz zu ertragen seien. Nun, ein Progressiver war Bond ja nie. Das „Bergidyll“ entpuppt sich aus heutiger Sicht als Innenarchitektur-Traum für Sixties-Nostalgiker. Connery bezieht Zimmer 21 und moniert, dass sein Bett für seine 1,88 Meter Körperlänge zu klein sei. Der praktische Rat des Hoteliers: Er solle sich doch diagonal zur Nachtruhe legen, schließlich schlummere er in einem Doppelbett.

Mit Papptellern in der Wiese

Tags drauf beginnen die Dreharbeiten im Urserental im Kanton Uri auf 1500 Metern Höhe. Vor allem Autofahrten mit dem neuen Ford Mustang werden gefilmt, den die Autobauer bei Bond werbetechnisch untergebracht haben. 007 ist eben der König der Schleichwerbung und des Lizensierens. Connery hat wenig zu tun, also gibt er die ersten von unzähligen Interviews und stellt klar, wie sehr er es hasse, wenn man ihn als „Mr. Bond“ anspricht. Die Fotos dazu wirken wie ein Betriebsausflug im Grünen – man liegt mit Papptellern in der Wiese oder schaut hoch in den Himmel, wo Schweizer Militärmaschinen Flugübungen machen. Bei den Dreharbeiten ist mindestens ein Schweizer Soldat zugegen, waren Teile des Urserentals in den 1960ern doch militärisches Sperrgebiet.

Eine alte Kino-Anzeige für "Goldfinger".

„Goldfinger“ lief in manchen Kinos monatelang. Foto: Archiv Saarbrücker Zeitung

Die 60er spiegeln sich auch in der Technik wieder und in den Herausforderungen an eine Filmproduktion: Im „Bergidyll“ muss die Produktionsgesellschaft EON bei der Schweizer Post vorab zehn Telefonleitungen für die Hotellobby beantragen, die zur Überraschung vor allem der Einheimischen sogar rechtzeitig installiert werden. Zugleich wird der Raum für die Skier zur Dunkelkammer umgebaut – der entwickelte Film wird regelmäßig nach Zürich chauffiert und von dort nach London geflogen, wo Cutter Peter Hunt (der 1968/69 selbst einen Bond drehen wird, „Im Geheimdienst ihrer Majestät“) das Material sichtet.

 

Da die britische Gewerkschaft auf einen Arzt am Set besteht, wird kurzerhand der Cousin des Hotelbesitzers (und Mediziner) engagiert, der in jener Woche so viel verdient wie sonst in einem Monat als Assistenzarzt in Basel. Mehr als eine Magenverstimmung muss er nicht behandeln – erstaunlich, wird doch, auch das zeigt das Buch, ausgiebig gefeiert. Die kleinste Whisky-Einheit, die man in der Bar des „Bergidyll“ bestellen kann, ist gleich eine doppelte.

Zum Tod von Roger Moore

Connery, leicht unleidlich

Was erfährt man noch bei diesem wunderbar nostalgischen Bilderbogen? Dass bei den Dreharbeiten ausgerechnet das Traumauto Aston Martin auf der Strecke bleibt – die Kupplung gibt zügig den Geist auf, und da die Zeit drängt, wird ein Zweit­exemplar der Nobelkarosse eingeflogen. Connery wird im Laufe der Woche bei den Interviews etwas unleidlich, vielleicht wegen der ähnlichen Fragen, vielleicht wegen eines regelmäßigen Katers.

Gert Fröbe ist gar nicht dabei

Auch um die eheliche Treue Connerys geht es nebenbei im Buch, wobei die Quellen da auseinander gehen: Für manche Zeitzeugen war er in jener Schweizer Woche der vollendete platonische Gentleman, für andere ein Füllhorn der möglicherweise erfolgreichen Anmachsprüche. Kurios: Darsteller Gert Fröbe spielt in den Schweizer Szenen zwar mit, ist aber nicht anwesend: Nahaufnahmen mit ihm werden in London gedreht und später in den Film geschnitten, in der Schweiz wird er für Kamera-Einstellungen von Weitem gedoubelt – vom Spezialeffekte-Mann John Stears, der nicht einmal Fröbes bullige Figur hat, was aber nicht auffällt: die Magie des Kinos eben. Diese Magie verlässt sonntagabends am 12. Juli 1964 wieder das Schweizer Idyll, der Bildband schließt mit Abschiedsfotos. Connerys Double Bill Baskerville und Harold Sakata, der Darsteller des mörderisch hutwerfenden Zweitschurken „Odd Job“, posieren sichtlich dankbar mit den Betreibern des beliebten improvisierten Imbisswagens, Connery signiert das Fotoalbum des Barmannes Heini Holzhauser. Und um 19.15 Uhr hebt die Maschine der British European Airways in Zürich ab, in Richtung London. Dort werkelt man dann weiter an diesem Stück Kinogeschichte.

Steffen Appel, Peter Wälty: The Goldfinger Files.
Steidl Verlag,
192 S., 346 Abbildungen. 38 Euro.
www.steidl.de

Interview zu James Bond: „Die Filme dieser Zeit sind schamlos sexistisch“

"Höhepunkte am laufenden Band, Mädchen, die wie Siamkatzen schnurren" - eine Anzeige zum 1973er Bond "Der Mann mit dem Goldenen Colt". Foto: Archiv SZ

„Höhepunkte am laufenden Band, Mädchen, die wie Siamkatzen schnurren“ – eine Anzeige zum 1974er Bond „Der Mann mit dem Goldenen Colt“. Foto: Archiv SZ

 

Schurken, die in Vulkanen wohnen, Frauennamen wie „Pussy Galore“ und James Bond, der immer wieder die Welt rettet. Der Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck hat ein sehr vergnügliches Buch über die Welt von 007 geschrieben. Ich habe mit ihm gesprochen – unter anderem über das alte Thema: Wie sexistisch sind die Bond-Filme, wie rassistisch die alten Romane?

Das British Film Institute BFI versieht jetzt auch Bond-Filme in einer John-Barry-Reihe mit einem Warnhinweis, dass man sich auf Stereotypen einstellen soll und auf einen Zeitgeist von gestern. Wie sinnvoll ist das?  

SCHWANEBECK Ich finde diese Hinweisangebote ganz sympathisch und ziehe sie in jedem Fall der Zensur oder nachträglichen Retuschierung vor. Eine kurze Einblendung vor Filmbeginn tut niemandem weh, sie ersetzt aber natürlich keine gründliche Auseinandersetzung mit den Filmen – mit den ganzen ethnischen Stereotypen und dieser ganzen Playboy-Fantasiewelt, die eigentlich schon damals niemand mit der Realität verwechselt haben dürfte. Die alten Filme sollten ansonsten intakt bleiben dürfen, als Zeitdokumente oder eben auch, um die Weiterentwicklung von heute messen zu können. Damals gab es in den Filmen Frauen, die zum Beispiel Pussy Galore heißen, als wären sie Offerten zum Geschlechtsverkehr, und besonders schurkischen Schurken. Das würde niemand mit der Realität verwechseln. Die neueren Filme bedienen solche Stereotypen nicht mehr, es gibt etwa kein „Yellowfacing“ mehr wie im ersten Kino-Bond „Dr. No“, wo ein kanadischer weißer Schauspieler zu einem asiatischen Bösewicht umgeschminkt wird. Und Bond schießt auch nicht mehr dutzendweise gesichtslose chinesische Handlanger über den Haufen.

Ich habe vor einiger Zeit meinen liebsten Roger-Moore-Bond, „Der Spion, der mich liebte“ von 1977, mit dem Unterwasserauto und einem Handlanger mit Stahlgebiss, meiner Tochter gezeigt – damals ihr erster Bond. Und mir war es ziemlich peinlich, weil ich diesen Altherren-Sexismus gar nicht in Erinnerung hatte. Mit elf, als ich den Film zum ersten Mal sah, fand ich das alles ziemlich witzig – und eigentlich auch ganz normal.

SCHWANEBECK Die Filme dieser Zeit sind schamlos sexistisch, das zieht sich mindestens durch die 1960er und 1970er. In „Goldfinger“ verabschiedet Bond seine Gespielin mit einem Klaps auf den Hintern, weil jetzt „Männergespräche“ anstehen – dass uns das heute so fremdschammäßig peinlich vorkommt und wir beim Schauen mit den Augen rollen, zeigt aber, dass sich die Kultur gewandelt hat. Auch Jugendliche wissen, wie sie das einsortieren müssen: als Opa-Humor von gestern, so wie einen Witz von Fips Asmussen. Den Schauwert dieser Filme kann man ja trotzdem genießen. Und eigentlich zwinkern uns diese Filme, gerade die mit Roger Moore, immer zu, um uns klarzumachen, dass sie gar kein Abbild der Realität sein wollen. In der Bond-Forschung gibt es auch feministische Lesarten, die die Filme als überzogenes Zerrbild unserer sexistischen Gesellschaft sehen – so dass man eigentlich mit Bond lachen muss, nicht über ihn.

 

Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck.

Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck.

 

Haben die Macher der frühen Filme das beabsichtigt? Sozusagen Bond als Sexismus-Satire?

SCHWANEBECK Das glaube ich nicht. Bücher, Filme und Musik haben ja oft eine unbewusste Ebene. Schauen Sie sich „Diamantenfieber“ mit Sean Connery von 1971 an – ein Film, in dem Bond durch enge Röhren kriecht, es viel Toiletten-Humor gibt und er es mit schwulen Killern zu tun bekommt. Da schreibt sich schon eine Art Anal- und Homophobie in den Film ein. Ob die jetzt vom Drehbuch kommt, von der Romanvorlage, von der Regie oder von Connery, der ein relativ reaktionäres Mannsbild gewesen sein soll, ist schwer zu sagen. Die späteren Filme sind da cleverer und intellektueller, da muss Bond ja auch mal zum Psychologen oder wird von seiner Vorgesetzten als sexistischer Dinosaurier bezeichnet.

Was fasziniert Sie als Kulturwissenschaftler generell am Thema Bond?

SCHWANEBECK An Bond kann man zum Beispiel das Verhältnis zur britischen Monarchie behandeln oder fragen, wie sich die britische Gesellschaft sieht. Die Filme lassen sich gut als Statement zum Zeitgeist lesen.

Zum Beispiel?

SCHWANEBECK Besonders deutlich ist das bei Roger Moore. Er verkörpert ja mit seinen Safari-Anzügen die Leichtigkeit des verspäteten Kolonialherren, der eine große Playboy-Party feiert. Aber als er Mitte der 1980er abtritt, kommt gerade das böse Erwachen mit Aids – und entsprechend muss sich sein Nachfolger Timothy Dalton verhalten. Er ist relativ monogam und versucht ein bisschen Seriosität herzustellen – so gesehen hat sich da bei Bond etwas verändert, so wie die Welt auch.

 

Wie groß sind die Unterschiede zwischen dem literarischen Bond von Ian Fleming und dem Kino-Bond?

SCHWANEBECK Autor Fleming war ein ganz großer Freund der amerikanischen Krimischule, seine Vorbilder kamen nicht aus dem verknöcherten Dunstkreis britischer klassischer Abenteuerliteratur. Deswegen sind die Männer bei Fleming meist versoffen, abgebrüht und zynisch. Er bietet auch „femmes fatales“ auf, die ein falsches Spiel spielen, weswegen Bond am Ende von „Casino Royale“, als seine Freundin stirbt, ja auch „Die Schlampe ist tot“ sagt – sehr prägend für das Frauenbild des literarischen Bond. In Flemings Büchern finden sich Antisemitismus, dazu Vorurteile etwa über Asiaten, denen man meist nicht trauen kann – nicht direkt aus der Erzählersicht, sondern gebrochen durch Bonds Perspektive. Bond steckt voller Vorurteile, für ihn sind alle Frauen, Juden, Schwarzen, Asiaten auf ihre Weise gleich. Das ist in den Filmen abgemildert, auch schon in den frühen, denn in den 1960ern, als die ersten Kino-Bonds entstanden, ging alles etwas spielerischer zu, in Richtung einer etwas offeneren Gesellschaft und auch einer „Playboy“-Kultur.

Ist der literarische Bond ohnehin nicht eine eher langweilige Figur? Ein etwas spießiger Snob mit Vorliebe für edle Marken-Waren, die Fleming höchst liebevoll immer und immer wieder herunterbetet?

SCHWANEBECK Spießer trifft es ganz gut, Flemings Bond ist ein ziemlich reaktionärer Knochen, vor allem der häusliche Bond, den man in den Filmen ja selten sieht: Er braucht seine Rituale, seine morgendlichen Rühreier, seinen Kaffee und seine vertraute Zigarettenmarke.

Ihr Buch enthält sich der üblichen, meist nutzlosen Listen, etwa wer der beste Bond-Darsteller oder was sein schönstes Auto ist – aber einen Film bezeichnen Sie als den mitreißendsten, auch meinen Lieblings-Bond: „Im Geheimdienst ihrer Majestät“. Was macht den Film so besonders?

SCHWANEBECK Inhaltlich unterscheidet er sich sehr stark von den anderen – er ist eher melodramatisch, zwischendurch gibt es eine ganze Stunde ohne Actionsequenz, der Film baut eine Beziehung auf, Bond heiratet am Ende. Das ist alles sehr untypisch. Auch gestalterisch ist der Film eine Klasse für sich. Regisseur Steven Soderbergh meinte einmal, das sei der einzige Bond, von dem man sich jede Kamera-Einstellung gerahmt übers Bett hängen möchte. Da ist was dran. Das geht auch über diesen Postkarten-Exotismus hinaus, den man sonst so bei Bond findet. Vielleicht ist es Zufall, aber es ist auch die werkgetreuste Verfilmung eines Fleming-Romans. Und die Vorlage ist ein später Fleming – Bond gewinnt in den letzten Romanen deutlich an charakterlichem Profil.​

 

Eine alte Anzeige zu "Im Geheimdienst ihrer Majestät". Foto: Archiv SZ

Eine alte Anzeige zu „Im Geheimdienst ihrer Majestät“. Foto: Archiv SZ

 

Hätten Sie sich gewünscht, dass Lazenby als Darsteller länger drangeblieben wäre?​

SCHWANEBECK Ach, dieses „was wäre wenn“ finde ich meistens müßig – es hätte der Serie vielleicht nicht geschadet, weil es dann, als Connery in „Diamantenfieber“ unerwartet zurückkam, viele Kontinuitätssprünge gab. Aber hätte seine Präsenz die Filme wesentlich verändert? Ich weiß es nicht. Die Filme entstanden bis zum Ende des Kalten Krieges relativ beständig im Zwei-Jahres-Takt und wurden meist auch unabhängig von der Besetzung entworfen und geplant.​

Lazenby hat einen Film gedreht, Timothy Dalton 1987 und 1989 auch nur zwei, der zweite war ein relativer Flop. Warum hat es mit ihm nicht funktioniert?​

SCHWANEBECK Für das damalige Publikum kann ich nicht sprechen, aber es wird oft ins Feld geführt, dass Dalton kein großer Frauenmagnet gewesen sein soll. „Lizenz zum Töten“ ist einer der am wenigsten erfolgreichen Bond-Filme, er musste 1989 aber auch antreten gegen Blockbuster wie„Batman“, „Zurück in die Zukunft 2“, „Indiana Jones 3“ – übrigens mit Sean Connery. Der Film ist gut gemacht und nimmt mit seiner Härte und Nüchternheit ja einiges von dem vorweg, was später bei Daniel Craig Erfolg hatte.​

Wie konservativ ist der klassische Bond-Fan? Auffällig ist in vielen Foren und Facebook-Gruppen: Sobald jemand erwähnt, Bond könnte doch mal von einer Frau gespielt werden oder von einem Nicht-Weißen, ist die Empörung riesengroß.

SCHWANEBECK Ich mache keine empirische Rezeptionsforschung, aber die Forschung stellt sich die Bond-Fans meines Erachtens etwas zu konservativ vor. Wenn nur Bond-Puristen die Kinokarten für Bond gelöst hätten, dann wären die Filme nicht derart erfolgreich. Da gehen auch Leute ins Kino wie meine Eltern, denen egal ist, wer Bond spielt, welche Hautfarbe der Darsteller hat oder welche Haarfarbe – selbst da gab es übrigens bei konservativen Bond-Fans einst Diskussionen und Proteste, weil manchen die blonden Haare von Daniel Craig nicht gefallen haben.

Die Bond-Filme waren lange aus der Hochkultur ausgeschlossen, auch seitens der Filmkritik – die war in den 60ern bis 80ern eher etwas hämisch und naserümpfend. Mittlerweile ist das anders – was ist da passiert?

SCHWANEBECK Die linksliberale Filmkritik der 60er und 70er hat Bond als faschistische Figur abgetan – nicht ganz zu Unrecht. Ernst genommen wurde Bond dann später, als er sich auch der realen Welt mit ihren realen Problemen zugewandt hat, als der Plot mehr bot als „Schurke entführt Atomsprengkopf und erpresst die Welt um zig Millionen Dollar“. Bond ermittelt im Drogenmilieu, Bond mischt sich in den Kampf um Ressourcen ein.

 

Die Figur Bond gilt ja gerne als Trost für Briten, die dem Empire und der bestimmenden Rolle Englands in der Welt nachtrauern – der Brite Bond rettet stellvertretend für das Empire die ganze Welt. Haben die jüngsten Bond-Filme irgendwo Stellung zum Brexit bezogen?

SCHWANEBECK Explizit nicht – aber das Motiv des Rückzugs, des Rückzugsgefechts, fällt schon auf. Auch die Tatsache, dass die jüngsten Filme England und London als Handlungsort entdeckt haben. „Spectre“ formuliert sehr deutlich ein Misstrauen in politische Entscheidungen und Entscheidungsträger im eigenen Land. Das hätte es in den alten Bonds nie gegeben – da hat Bond seine Pflicht erfüllt, weil er überzeugt war, für eine gute Sache zu kämpfen. Im eigenen Stall gibt es keine Korruption, der Auftrag ist eindeutig legitim – das hat sich in den letzten beiden Filmen verschoben.

Daniel Craig ist mittlerweile abgetreten. Wer könnte oder sollte ihm nachfolgen?

SCHWANEBECK Einen Tipp möchte ich ungern geben. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn die Produzenten mal in eine andere Richtung gehen würden. Mir fallen da schon ein paar Leute ein, die durchaus interessant wären, aber mein Herz habe ich an niemanden verschenkt. Idris Elba hätte ich mir sehr gut vorstellen können, aber er ist fast schon 50 und damit womöglich zu alt – ein sehr guter und charismatischer Schauspieler. David Oyelowo wäre ebenfalls interessant, auch ein schwarzer Schauspieler. Dan Stevens aus „Downton Abbey“ wäre die klassische Wahl eines sehr gutaussehenden, sehr viel Englishness verströmenden Darstellers.

Und Tom Hardy, der immer mal wieder genannt wird?

SCHWANEBECK Da bin ich skeptisch. Er verströmt vielleicht zu viel von der wortkargen Härte, die wir schon von Daniel Craig kennen, aber er ist ein guter Freund von Regisseur Christopher Nolan – vielleicht kriegt man Nolan dann mal dazu, einen Bond-Film zu machen.

Ist Nolan nicht ein bisschen zu künstlerisch beziehungsweise manchmal etwas zu prätentiös für Bond? Die Reihe funktioniert ja gerade mit sogenannten „guten Regie-Handwerkern“ wie Martin Campbell etwa, der „GoldenEye“ und „Casino Royale“ gedreht hat, besonders gut. Nolans Filme wollen immer besonders clever wirken, cleverer, als sie manchmal sind.

SCHWANEBECK Den Eindruck würde ich teilen, und Nolan hat ja eigentlich seine Bond-Filme schon gedreht: „Inception“ und „Tenet“. Aber dennoch – warum nicht? Schön wäre, wenn nicht dasselbe Personal zehn, 15 Jahre Bond gestaltet, sondern dass sich da alle drei, vier Jahre jemand ausprobieren darf. Warum nicht mal ein Film von Nolan? Oder von Lynne Ramsay, einer tollen Regisseurin? Oder Phoebe Waller-Bridge, einer Autorin, die bei „Keine Zeit zu sterben“ den Dialog aufpoliert hat und bei der Serie „Killing Eve“ gezeigt hat, dass sie eine Bond-Geschichte auf sehr smarte und witzige Weise schreiben könnte. Warum nicht alle drei Jahre die Schlüssel fürs teure Familienauto mal jemand anderem geben? Dann wäre auch mehr Raum für verschiedene Perspektiven – mal ein witziger, mal ein sehr ernster, mal ein nostalgisch-verspielter, mal ein ultra-futuristischer. Die Marke würde es aushalten.

Wieland Schwanebeck: James Bond.
100 Seiten.
Reclam, 100 S., 10 Euro.

Interview: Wie geht es weiter mit James Bond?

 

Vorsicht, Spoiler-Alarm! Wer sich den jüngsten Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ noch anschauen will und nicht weiß, wie er endet, sollte jetzt nicht weiterlesen. Über die Überraschungen des Films, den Mythos 007 und dessen ungewisse Zukunft haben wir mit einem Bond-Kenner gesprochen: Joachim Frenk, Professor für Britische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Uni Saarbrücken.

 

Wie überrascht waren Sie von „Keine Zeit zu sterben?“ Immerhin, drei Monate nach Filmstart darf man es ja verraten, wird Bond Vater – und stirbt im Finale.

FRENK Ich war sehr überrascht. Produktionsfirma und Verleih haben  eine exzellente Geheimhaltung betrieben, was bei einem Film über einen Geheimagenten ja eine gewisse Ironie besitzt. Mit Blick auf die vor der Premiere verbreiteten Informationen durfte man einen konventionellen Film vermuten: Bond muss aus dem Ruhestand heraus einen Wissenschaftler einfangen, der eine gefährliche Waffe konstruiert hat. Normale Bond-Kost also, auf Sicherheit gespielt. Dass die Figur Bond in diesem Film stirbt, ist eine Sensation. Denn es ist ein integraler Bestandteil der Bond-Formel, dass Bond immer überlebt, egal wie lächerlich gefährlich das alles ist und wie unwahrscheinlich, dass er lebend herauskommt. Diese Grundbedingung des Bond-Universums wird diesmal aufgegeben.

 

Professor Joachim Frenk.   Foto: Universität Saarbrücken/dpa

Hat Ihnen das gefallen?

FRENK Dramaturgisch ist das sauber geschrieben und von der Handlung her motiviert: Infiziert mit Nanobots weiß Bond, dass er seine Frau und sein Kind nie wird berühren können, weil er ihnen damit den Tod bringen würde. Dann stirbt er lieber. Das ist wie alles bei Bond – völlig verrückt und gleichzeitig in sich schlüssig. Erstaunlich ist auch diese Parallelisierung: Ein Darsteller gibt seine Rolle ab – es ist Daniel Craigs letzter Bond-Film – und damit stirbt gleichzeitig die Figur.

 

Ein Londoner Drehort aus „Im Geheimdienst ihrer  Majestät“

 

Das macht es dem nächsten Film und dem nächsten Darsteller nicht leicht. Wie kann Bond aus dieser dramaturgischen Sackgasse wieder herauskommen?

FRENK Es gibt viele Möglichkeiten, die auch bereits eifrig öffentlich diskutiert werden: Man präsentiert etwa frisch und fröhlich im nächsten Film einfach den nächsten Darsteller – nach dem Motto „Was kümmert uns der Plot des letzten Films?“. Oder wir bekommen jede Menge Prequels, die in der Vergangenheit vor Bonds Tod spielen. Oder der erzmaskuline Bond wird aufgelöst, und eine Frau spielt zwar nicht die Figur Bond, aber eine Agentin mit der Nummer 007, wie es „Keine Zeit zu sterben“ ja schon geschehen ist.

Da dürften viele Bond-Fans aus dem erzkonservativen Lager entsetzt sein. Deren Reaktionen bei Diskussionen in Internet-Foren über mögliche nicht-weiße oder nicht-männliche Bond-Darsteller sind oft ja schon hysterisch.

FRENK Denen müsste aber auch klar sein, dass die klassische Bond-Formel kaum noch ins 21. Jahrhundert passt, vor allem beim frühen Connery-Bond mit seinen sexistischen Sprüchen, der Schlüpfrigkeit und dem Verschleiß an Frauen. Die sind da hübsches Beiwerk, während der Mann sich durch die Welt ballert. Das wirkt heute alles fragwürdig und aus der Zeit gefallen. Es ist offensichtlich, welchen Spannungen die Bond-Formel heute ausgesetzt ist – einerseits gibt es den Markenkern eines Agenten, der seine Männlichkeit bestätigen und ausstellen muss, mit Gewalt und sexuellen Eroberungen. Andererseits passt das so nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Wie geht man damit um? Kann man die Figur mit Ironie und Augenzwinkern einigermaßen retten? Oder mit moderaten Veränderungen? Wofür steht ein globales Publikum noch zur Verfügung?

Wie geht „Keine Zeit zu sterben“ da vor?

FRENK Der Film macht einige Anstalten, Bond im Blick auf das Thema Gender ins 21. Jahrhundert zu bringen. Bond verschleißt keine Frauen mehr, sondern ist ein unglücklich Liebender, sogar quasi ein treuer Ehemann und Vater. Und die attraktiven Damen, die ihm begegnen, haben ihren eigenen Kopf. Da überlappen sich Darsteller und Rolle, da Daniel Craig in diesen Dingen als bewusster Zeitgenosse gilt. All das sind Korrekturen, um die potenziell peinlichsten Bond-Momente zu entschärfen, so dass das Geschäft nicht aufgegeben werden muss. Die Filme haben ja Milliarden Dollar eingespielt. Solange Bond noch so ein Geschäft ist, wird man dabei bleiben und die Figur retten und modifizieren – nicht zwingend, weil man die Welt besser machen oder etwas Substanzielles über Geschlechterrollen sagen will, sondern weil man Geld verdienen möchte.

Amazon hat für acht Milliarden Dollar das Film-Studio MGM gekauft, dem die Teilrechte an den Bond-Verfilmungen gehört – was bedeutet das für 007? Eventuell Streaming-Serien bei Amazon Prime neben den regelmäßigen Filmen, die ja nur alle paar Jahre im Kino laufen?

FRENK Das wäre durchaus eine Möglichkeit. Wir haben ja auch eine „Herr der Ringe“-Streaming-Serie, obwohl es schon zwei Kino-Trilogien gibt. Erfolgreiche Kino-Reihen werden auf ihre Serien-Tauglichkeit hin abgeklopft. Die großen Player wie Amazon oder Netflix haben die Mittel, extrem aufwendige Serien zu produzieren, da sind enorme Summen im Spiel. Der verfilmte Bond hat übrigens im Fernsehen angefangen – 1954 mit einer Live-Adaption des Romans „Casino Royale“.

 

Daniel Craig und Regisseur Cary Joji Fukunaga bei den Dreharbeiten. Foto: Nicola Dove/DANJAQ/MGM

Wie ist Ihre Bilanz der Craig-Ära? Zuletzt gab es eine Über-Psychologisierung, und der in der Bond-Welt seit langem etablierte Bösewicht Blofeld wurde zu Bonds bösem Stiefbruder. Hat man sich da etwas verhoben?

FRENK Wenn man einen Bondfilm schaut, muss man bereit sein, alles Mögliche zu akzeptieren. Die Craig-Bonds haben sich wahnsinnig ernst genommen. Das Episodische ist verloren gegangen, alles musste einen großen Erzählbogen haben. Bei früheren Bonds ist immer ein Bösewicht vom Himmel gefallen, Bond musste die Welt retten und tat das im nächsten Film wieder. Dieses Episodische wurde bei Craig aufgegeben, es musste ein Überbau her, alles musste mit Bonds persönlicher Geschichte zusammenhängen. Das bedingt eine Ernsthaftigkeit, die bisher kaum Teil der Bondformel war. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum man diesen Bond jetzt sterben lässt – weil er so beladen ist mit Narrativ und im Grunde auserzählt. Blofeld ist tot, Bond ist am Ende seiner Selbstfindung – da ist es logisch, dass er stirbt. Vielleicht kehrt man jetzt wieder zurück zu einem episodischen Bond, ob nun im Kino oder in einer Amazon-Prime-Superproduktion. Wieder mit Tuxedo, Wodka-Martini schlürfend, die Welt rettend – wer weiß? In jedem Fall ist genug Produktionsbudget für alle Optionen vorhanden.

Die Figur Bond ist also unsterblich, ob er nun stirbt oder nicht?

FRENK Bond könnte recht schnell sterben. Was er nicht überleben würde, wäre eine Reihe von Misserfolgen. Wenn jetzt zwei, drei großproduzierte Filme oder eine Serie schief gingen, könnte recht schnell der Vorhang fallen. Wenn der Profit ausbleibt, wird das nicht lange toleriert.

Wie ist der Blick von „Keine Zeit zu sterben“ auf die Rolle Englands in der Welt? Wieder einmal rettet ein einzelner Brite die ganze Welt.

FRENK Bond war schon in den 1950ern ein Trostpflaster für eine Nation, die ihre Weltmachtrolle eingebüßt hat. Spätestens seit 1956 war klar, dass die Briten hinter den USA und der Sowjetunion bestenfalls noch eine leise zweite Geige spielten. So eine Figur wie Bond, der als Engländer beziehungsweise als Brite stets die Welt rettet, konnte darüber ein wenig hinwegtäuschen. Diese Tröstungsrolle wird vielleicht weiterhin willkommen sein, weil England durch den Brexit international viel Kredit verspielt hat.

Wenn man sich wie Sie die Bond-Filme als Wissenschaftler anschaut – sind dann die weniger geglückten Filme durch ihre Macken manchmal interessanter als die geglückten?

FRENK Das macht keinen Unterschied. Jedenfalls sind weniger gelungene Bondfilme nicht weniger interessant für die Analyse. Ich finde zum Beispiel, dass „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1969, der heute viel Ansehen genießt und in „Keine Zeit zu sterben“ viel zitiert wird, kein starker Bond-Film ist. Aber er ist interessant, weil er sich getraut hat, gegen die klassische Formel anzugehen – mit Diana Rigg als liebende Ehefrau, die in Bonds Armen stirbt.

Haben Sie besondere Vorlieben in der Bond-Reihe?

FRENK Ich habe schon meine Favoriten, aber gar nicht mal einen Darsteller – sondern einfach Darsteller in bestimmten Filmen. Und auch mein Geschmack ändert sich. Im Moment würde ich sagen, dass Pierce Brosnans Filme mir gut gefallen haben – Brosnan ist in der Kritik manchmal nicht gut weggekommen. Ich finde auch diese These, dass an Connery als Ur-Bond niemand mehr herangekommen ist, falsch. Vergleicht man die alten Filme mit den Craig-Bonds, was Kamera, Effekte und Schauspiel angeht, liegen Welten dazwischen – das liegt einfach an der Entwicklung des Filmgeschäfts. „Dr. No“ von 1962 kann in keiner Weise mithalten mit „Keine Zeit zu sterben“  – das ist wie ein Moped und ein Ferrari. Das heißt nicht, dass die älteren Filme in sich schlechter sind. Sie sind allerdings unterschiedlich gut gealtert.

Haben Sie einen Favoriten, was den nächsten Darsteller angeht – oder die nächste Darstellerin?

FRENK Da bin ich ganz entspannt. Ich würde mir auch eine Jane Bond gerne anschauen, könnte mir aber vorstellen, dass es die Reihe nicht übersteht, wenn Zeitgeist und Bond-Formel zu weit auseinanderdriften. Ich sähe lieber eine Jane Bond im 21. Jahrhundert als einen Rückfall in die Connery-Ära, nur um die Formel zu retten. Wir brauchen jedenfalls keinen Retro-Bond in 1960er-Manier. James Bond sollte auch ohne Steinzeit-Chauvinismus und westlichen Zentrismus machbar sein.

Gottfried John zum 75. Geburtstag

Gottfried John Goldeneye Bond

Gottfried John und Famke Janssen in „Goldeneye“. Foto: UIP

Am 29. August wäre Schauspieler Gottfried John, der 2014 starb, 75 Jahre alt geworden. Im Januar 2011 war er in der Hauptjury des Saarbrücker Filmfestivals Max Ophüls Preis. Ich habe ihn dort auf einen Kaffee getroffen, hier der Text von damals, der am 22. Januar 2011 erschienen ist.

 

Wie reagiert er wohl, wenn man ihm eine „Goldeneye“-DVD zum Signieren unter die Nase hält? Das mag zwar einer seiner bekanntesten Filme sein – James Bond eben, mit Gottfried John als russischem Widersacher – aber künstlerisch nicht sein wichtigstes Werk. John, 68 und ganz Profi, hat nichts dagegen und unterschreibt, mit elegantem Schwung, mitten hinein in eine eigelbfarbene Explosion.

Wäre es ihm lieber gewesen, die DVD eines seiner nicht wenigen Fassbinder-Filme zu unterschreiben? „Berlin Alexanderplatz“ etwa, „In einem Jahr mit 13 Monden“ oder Welt am Draht“? „Hmm, eigentlich schon“, sagt John mit seinem wohligen Brummbariton, „diese Arbeiten stehen mir innerlich um einiges näher“. Damals, in den frühen 70ern, da habe er Fassbinder zunächst als „pickeligen Jungfilmer“ wahrgenommen. So „intensiv und schön“ die gemeinsame Arbeit auch gewesen sei – dass hier ein wichtiges Kapitel Filmgeschichte geschrieben wurde, das „wurde mir erst später bewusst, auch weil die Arbeit damals nicht von jedem anerkannt wurde“. Dass gerade „Berlin Alexanderplatz“, auf den John besonders stolz ist, Anfang der 80er von der Kritik überwiegend feindlich aufgenommen wurde, verwundert ihn noch heute. Auch wenn er zugibt, dass manch andere Fassbinder-Filme heutzutage „schon ziemlich langsam“ wirken. Der auf persönlicher Ebene berüchtigte Regisseur, der mit Zuckerbrot und Peitsche seinen Künstlerclan in Schach hielt, bereitete John keine Probleme. „Ich war ja nie Teil dieses Clans, denn Fassbinder hat mich nicht entdeckt. Mich gab es vorher ja auch schon.“ Etwa am Schillertheater und im Fernsehen mit „Carlos“, einer „Don Karlos“-Adaption.

Bis heute hat John, kein Mann der Hochkultur-Scheuklappen, zwischen schwerer und leichterer Muse so ziemlich alles gedreht, was in eine Filmografie hineinpasst: „Otto – der Film“, eine Bibelverfilmung, „Tatort“, Volker Schlöndorffs „Der Unhold“, Billy Wilders „Fedora“, „Wolffs Revier“, „Asterix und Obelix“, Synchronarbeit für „Kung Fu Panda“ und jüngst „Rumpelstilzchen“. Der Eindruck, dass da jemand seine Karriere strategisch geplant hat, drängt sich nicht auf. „Das wollte ich auch nie, das kann man eigentlich nicht.“ All diese Rollen machten gemeinsam den Reiz des Berufs aus. „Es gibt diesen alten Schauspielerspruch von Shakespeare: Lasst mich auch den Löwen spielen!“

1995 hat er im besagten Bond-Film „Goldeneye“ mitgespielt. Ist man da nur ein kleines Rädchen in einer großen, gut geölten Kino-Maschinerie? Sicher, die Gefahr drohe, „doch innerhalb des gesteckten Rahmens hat man schon seine Möglichkeiten“. Was ihn am meisten verblüffte: Als er sich den 007-Produzenten und Casting-Agenten in London vorstellte, kannten die sich bei Fassbinder besser aus als John selbst.

International hatte er zwar schon vorher gearbeitet, doch der 007-Riesenzirkus hat seine Karriere im Rest der Welt damals noch einmal beschleunigt. Wobei er sich ein wenig wundert, dass eine Nebenrolle in einer internationalen Produktion hierzulande medial mehr Aufmerksamkeit erregt als eine Hauptrolle in einem heimischen Film. Eine US- und eine englische Agentur hatte er damals („auf diesem Riesenmarkt unumgänglich“) und lebte bis vor zwei Jahren in Belgien. Das sei ebenso der zentralen Lage in Europa geschuldet – „in drei Stunden ist man überall“ – wie den Steuersätzen.

Mittlerweile hat John nicht einmal eine deutsche Agentur – ungewöhnlich, auch im Umfeld eines Nachwuchsfestivals mit Jungstars, deren Agenturen schon mal ein Interview ablehnen, wenn man nicht nur über den neuesten Film sprechen will. „Die Angebote kommen auch so“, sagt John und lächelt sein sehr plötzlich aufscheinendes, ein bisschen verlegen wirkendes Lächeln – vielleicht in Sorge, so ein Satz könne pompös klingen (tut er nicht). John strahlt eher die Gelassenheit aus von jemandem, der so ziemlich alles gesehen und gespielt hat, mit Fassbinder ebenso zurande kam wie mit Russell Crowe, dem Kollegen mit höchster Rüpel-Reputation (in „Proof of life“): „Ein bisschen heftig war er, aber eigentlich wie ein großer Junge.“ Johns pragmatisches Fazit über seinen Beruf und seine Unwägbarkeiten: „Überall wird nur mit Wasser gekocht. Nur sind die Pötte manchmal größer, manchmal kleiner.“

Bleibt Daniel Craig James Bond? Es schaut so aus.

Daniel Craig James Bond 25

Daniel Craig bei einem Berliner Fototermin für „Spectre“. Foto: Sony Pictures

 

Offiziell verkündet ist es noch nicht – aber Daniel Craig wird die James-Bond-Rolle wohl weiterspielen. Die „New York Times“ hatte berichtet, Craig sei längst an Bord; nun hat das über Umwege der US-TV-Sender „Showtime“ bestätigt. Der plant mit Craig eine Adaption des Jonathan-Frantzen-Romans „Unschuld“ und hat deren Dreharbeiten weiträumig verschoben – denn erst drehe Craig einen Bond, mehr dürfe man aber nicht sagen, hieß es seitens „Showtime“. Eine offizielle Ankündigung wird nicht lange auf sich warten lassen.

Damit geht eine Zeit des Spekulierens und Kaffeesatz-Lesens zu Ende, die es in der 55 Jahre alten 007-Filmreihe lange nicht gegeben hat. Ende Juli hatte die Bond-Produktionsfirma Eon recht schmallippig bekannt gegeben, dass der nächste Bond-Film im November 2019 startet. Was nicht mitgeteilt wurde: der Titel, die Regie und vor allem – der Hauptdarsteller. Um den hatte es Spekulationen gegeben, nachdem Craig 2015 bei der Premiere von „Spectre“, seinem vierten Bond, verkündet hatte, er „schneide sich lieber die Pulsadern durch“ als noch einen 007 zu drehen. War das britischer Humor? Akute Bond-Müdigkeit nach langen Dreharbeiten? Oder die Ouvertüre einer Gagenverhandlung?

Hilfe bei „Othello“

Zumindest ist klar, dass Eon an Craig deutlich interessierter ist als einst an Vorgänger Pierce Brosnan: Der wurde nach seinem vierten und zumindest kommerziell sehr erfolgreichen 007, „Stirb an einem anderen Tag“ (2002), einfach nicht mehr zurückgebeten und durch Craig ersetzt. Dem aber hat die Bond-Produzentin Barbara Broccoli nach „Spectre“ und dem „Pulsader“-Interview geholfen, am Broadway eine vielbeachtete „Othello“-Aufführung zu stemmen (mit Craig als Jago).

Warum sich Craig also länger bitten ließ? Das britische und mit Vorsicht zu genießende Blatt „The Sun“ berichtet, dass er erst wieder an 007 interessiert war, als Sam Mendes bekannt gab, nach „Skyfall“ und „Spectre“ keinen Bond mehr zu inszenieren. Da ging  – womöglich – eine künstlerische Partnerschaft/Männerfreundschaft in die Brüche.

Villeneuve oder Demange oder Bier als Regisseur?

Wie geht es nun weiter? Laut Branchenbibel „Variety“ haben die Produzenten Kontakt aufgenommen mit den sehr interessanten Regisseuren Dennis Villeneuve („Arrival“) und Yann Demange, dem mit dem Nordirland-Drama „’71“ ein atemberaubendes Debüt gelang. Auch die dänische Regisseurin Susanne Bier war zeitweise im Gespräch, in deren Agentenserie „The Night Manager“ der Brite Tom Hiddleston die Hauptrolle spielte, der regelmäßig als Craig-Nachfolger gehandelt wird.

Aber wer auch immer den  Jubiläums-Bondfilm 25 inszenieren wird – er (oder sie) wird es nicht leicht haben. Denn der Vorgänger „Spectre“ zeigte deutlich, dass das klassische, vom Publikum erwartete Spektakel und die in der Craig-Ära betonte Auslotung der Bond-Figur filmisch nicht leicht zu vereinen sind: Da rieben sich Action und (etwas flaches) Psychodrama recht rau aneinander. Viel besser gelang die Kombination in Craigs Debüt „Casino Royale“ (2006), einer  der besten Bondproduktionen überhaupt und immer noch Craigs bester 007-Auftritt. Ihm, dem anfangs heftig angefeindeten Darsteller (zu klein, zu blond, zu große Ohren) würde man einen exzellenten Abgang wünschen. Denn, auch wenn etwa der leicht überschätzte „Skyfall“ mit seiner Holzhammer-Psychologisierung irritieren konnte – Bond als Figur war noch nie so interessant wie in der Craig-Ära. Eine mögliche Prognose: Einen Film dreht er noch, nimmt seinen Abschied, und dann beginnen  wieder Umbesetzungszirkus und Kaffeesatz-Lesen.

 

 

James-Bond-Drehort: das „College of Arms“ aus OHMSS

Eine Stadt nach Kino-Drehorten abzuklappern, drängt sich nicht jedem Touristen als wirklich sinnvolle Idee auf. Aber in diesem Falle musste es sein – denn es geht um den vielleicht schönsten aller James-Bond-Filme: „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ aus dem Jahr 1969. Lange Zeit galt der Film von Peter Hunt (Cutter der ersten Bond-Filme und hier Regie-Debütant) als hässliches Entlein der ganzen Reihe – doch kaum ein anderer 007-Film hat so viel Gefühl (im Rahmen eines Bond-Films), so gute Ski-Jagden, einen so guten Bösewicht Blofeld (Telly Savalas), eine so luftige Schurkenfestung und eine so gute 007-Partnerin, für die sich der Begriff „Bond-Girl“ verbietet: Diana Rigg.

Lange Vorrede: Das Gebäude ist das „College of Arms“ in London, das im Film auch genau das darstellt- das Institut für Wappenkunde, in dem Bond Informationen einholt, damit er sich später als Experte ausgeben kann, der unter falscher Identität Blofeld in seiner Alpenfestung besucht  (die Tarnung fliegt allerdings umgehend auf). Das Gebäude liegt ein paar Schritte hinter der St. Paul’s Cathedral, deren Spitze man auf dem ersten Foto sieht. Und, zugegeben, im Film ist das Gebäude grob geschätzt viereinhalb Sekunden zu sehen.

 

James Bond College of Arms OHMSS George Lazenby On her majesty's secret service

James Bond College of Arms OHMSS George Lazenby On her majesty's secret service

James Bond College of Arms OHMSS George Lazenby On her majesty's secret service

James Bond College of Arms OHMSS George Lazenby On her majesty's secret service

 

 

 

 

 

Bond 25 kommt 2019 – noch kein Wort über Daniel Craig

Bond 25 kommt 2019

Nach Gerüchten, Spekulationen und allerlei Kaffeesatzlesen gibt es jetzt eine offizielle Mitteilung zum nächsten Bond: Die Nummer 25 erscheint 2019, Darsteller und Regisseur/in sind noch nicht spruchreif, und die Autoren bleiben die alten – nach dem Psychoschmonzes und dem mauen Finale von „Spectre“ kein Grund zum Jubeln. Was mit Daniel Craig wird, muss sich noch zeigen.

Hier die Pressemitteilung:

„James Bond will return to US cinemas on November 8, 2019 with a traditional earlier release in the UK and the rest of the world. Bond 25, the next adventure in the long-running action franchise, will be written by Neal Purvis and Robert Wade, long time collaborators and writers on previous Bond films including CASINO ROYALE, QUANTUM OF SOLACE, SKYFALL and SPECTRE. The film will be produced by Michael G. Wilson and Barbara Broccoli. Additional details regarding distribution, including international release dates, the film’s cast and director, will be announced at a later date.“

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