Film und dieses & jenes

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Ein Abend beim Günter Rohrbach Filmpreis in Neunkirchen

Günter Rohrbach Filmpreis Neunkirchen Matthias Brandt Karoline Herfurth

Produzent und Filmpreis-Namensgeber Günter Rohrbach (rechts) ist flotte 95. Neben ihm Karoline Herfurth und Matthias Brandt.   Fotos: tok

 

Mit „Schalom – Salam – Frieden“ beginnt und endet dieser Abend in der Gebläsehalle. Schauspieler Peter Lohmeyer, als Moderator sonst ein Meister des schlurfigen Charmes, spricht zu Beginn von seiner „Schockstarre“ nach dem „brutalen Angriff der Terrorgruppe Hamas auf den Staat Israel, mitfinanziert durch das Terrorregime des Iran“. Ein Regime, das außerdem im eigenen Land „den Aufstand der Frauen niedergemordet, niedergeknüppelt hat“. Und in Deutschland „können Jüdinnen und Juden heute nicht ohne Angst aus dem Haus gehen. Wir müssen aufmerksam machen auf jeden antisemitischen Übergriff. Wir dürfen nicht dazu schweigen.“​

Großer Sieger „Sonne und Beton“​

Danach beginnt die 13. Preisverleihung, bei der „Sonne und Beton“ der große Sieger ist. Das kraftvolle Berliner Jugenddrama nach dem Roman von Felix Lobrecht erhält den Hauptpreis für Regisseur David Wnendt, die Produzenten Fabian Gasmia und Christoph Müller sowie den Preis des Saarländischen Rundfunks für Darsteller Levy Rico Arcos. Überraschend dabei und ein Novum beim Rohrbach-Filmpreis: „Sonne und Beton“, eine von 64 eingereichten Produktionen, hatte nicht auf der Shortlist der Vorjury gestanden, die sie der Hauptjury als Vorauswahl vorgelegt hatte; die Hauptjury unter Leitung des Regisseurs und Schauspielers Michael Bully Herbig hatte den Film dann als einen der Finalisten ausgewählt.​

„Ich freue mich auf ukrainisch-russische Babies…“​

Regisseur Wnendt, 2011 schlagartig bekannt geworden mit dem Neonazi-Drama „Die Kriegerin“, freut sich über die „große Ehre“. Er habe einen Film drehen wollen, in dem sich „Jugendliche, denen es nicht so gut geht“, wiedererkennen. „Wir leben in krassen Zeiten, da ist die Verantwortung für uns Künstlerinnen und Künstler besonders groß, abzubilden, wie die Welt jetzt ist, und Möglichkeiten aufzuzeigen, wohin sich die Gesellschaft hinbewegen kann. Ich bin zuversichtlich für die  Zukunft.“ So geht es, trotz allem, auch dem Produzenten Fabian Gasmia. Seine Frau kommt aus Lothringen, „wir haben ein kleines Baby zusammen. Wer hätte so etwas vor 75 Jahren für möglich gehalten, als sich Deutschland und Frankreich so gehasst haben?“ Seine Hoffnung für die Zukunft: „Ich freue mich auf ukrainisch-russische Babies und auf israelisch-palästinensische Babies in 75 Jahren.“​

Michael Bully Herbig Günter Rohrbach Filmpreis

Jury-Vorsitzender Michael Bully Herbig.

Laudator und Jury-Vorsitzender Michael Bully Herbig („Ballon“, „Der Schuh des Manitu“) gibt zu, dass er sich die Arbeit leichter vorgestellt hatte. Es habe über die Filme „stundenlange Diskussionen gegeben“. Das Schwierigste aber war für ihn die Reise von München ins Saarland, wo der Fußball-Drittligist 1. FC Saarbrücken den bajuwarischen Edelverein am Mittwochabend aus dem DFB-Pokal gekickt hatte. „Der Weg hierher war für mich als Bayern-München-Fan sehr beschwerlich“, räumt Herbig offen ein.​

Interview mit Burghart Klaußner

„Die Leute hier sind freundlich – wenn man aus Berlin kommt, ist das manchmal ungewohnt“​

Auch zwei Preisträgerinnen vergangener Jahre sind angereist, die zuvor verhindert waren. Vor vier Jahren wurde Nora Fingscheidts „Systemsprenger“ ausgezeichnet, doch damals stand die Arbeit in Los Angeles an ihrem Netflix-Film „The Unforgivable“ mit Sandra Bullock der Reise nach Neunkirchen entgegen. Danach die Geburt eines Sohnes. Dann weitere Filmarbeiten. Jetzt ist sie da, freut sich unter anderem darüber, „dass die Leute hier freundlich sind – wenn man aus Berlin kommt, ist das manchmal ungewohnt“. Fingscheidts „Systemsprenger“ erzählt von einer tragischen Kindheit; für die Regisseurin sind „die eigenen vier Wände der gefährlichste Ort für Kinder, nicht der Spielplatz, wo der böse Mann wartet“. In und nach Corona sei die häusliche Gewalt gegen Kinder und die Gewalt unter Kindern noch einmal gestiegen. „Warum redet man so wenig darüber?“ Und: „So lange Steuerhinterziehung strenger geahndet wird als Kindesmissbrauch, haben wir gesellschaftlich viel  zu tun.“​

Günter Rohrbach Filmpreis Laura Tonke und Nora Fingscheidt ("Systemsprenger").

Laura Tonke (links) und Nora Fingscheidt („Systemsprenger“).

„Ich bin aus den Latschen gekippt“​

Am Abend ist immer wieder die enorme Wertschätzung  für den Filmpreis-Namensgeber Günter Rohrbach in der ersten Reihe der Gebläsehalle zu merken. Mehrmals wird dem 95-Jährigen Produzenten, gerade zum Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Neunkirchen ernannt, von der Bühne aus für seine künstlerische Lebensleistung gedankt, für seinen Mut als Filmemacher. Von Fingscheidt („Hochachtung für Ihr Lebenswerk“), von Produzent Gasmia („Ich bin aus den Latschen gekippt, als ich gesehen habe, wie viel sie gemacht haben“) und auch von Karoline Herfurth, die den Preis des SR von 2022 für ihren Film „Wunderschön“ entgegennimmt und sagt: „Seine Filme prägen mich seit frühester Kindheit – ich bin unglaublich und wahrhaftig stolz, nun eine Rohrbach-Preisträgerin zu sein.“​

Matthias Brandt und Michael Caine​

Ein Laudator lobt per Videobotschaft: Regisseur Christian Petzold erzählt, wie er und der prämierte Schauspieler Matthias Brandt bei den Dreharbeiten zu „Roter Himmel“ eine Aufnahme besonders gut fanden, weil Brandt sie, wie er sagte, „ambitionslos“ gespielt habe – weil mal wieder ein Flugzeug über den Drehort rauschte und er glaubte, diese Szene werde ohnehin nicht genommen. Gerade dieses Zurückgenommene habe enormen Reiz, sagt Petzold, so hätten etwa auch Richard Burton und Robert Ryan einst gespielt – und heute etwa Jennifer Lawrence. Oder die Sprecher seiner alten, geliebten Hörspielschallplatten. „Sie haben den Kindern die Gefühle nicht vorgegeben.“ Über die Laudatio und den Darstellerpreis freut sich Brandt in Neunkirchen, zieht seinen Hut vor dem Kollegen Michael Caine, dessen Lust an der Arbeit, am Ausprobieren und Freude am Zusammensein mit den Kolleginnen und Kollegen er durchaus teilt.​

Interview mit Kameramann Jost Vacano

„Sicherheit ist der Feind von Kunst“

Regisseurin Sonja Heiss, prämiert für ihren Film „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, blickt in ihrer Dankesrede auf die eigene Branche: Günter Rohrbach habe „immer sehr viel gewagt und sei mutig“. Doch sie habe gegenwärtig das Gefühl, „dass in unserer Branche immer weniger Risiken eingegangen werden, dass wir uns in einer Zeit befinden, in der auf Sicherheit gesetzt wird“. Man müsse sich wieder mehr trauen, denn „Sicherheit ist der Feind von Kunst“.​

 

Die Preise:

Günter Rohrbach Filmpreis (10 000 Euro) an Regisseur David Wnendt und die Produzenten Fabian Gasmia und Christoph Müller für „Sonne und Beton“.​​

Darstellerpreise (dotiert mit jeweils 3000 Euro) an Laura Tonke für „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ und Matthias Brandt für „Roter Himmel“.​

​Preis des Saarländischen Rundfunks (dotiert mit 5000 Euro) an Darsteller Levy Rico Arcos  in „Sonne und Beton“.​

Preis der Saarland Medien GmbH, dotiert mit 3500 Euro, für İlker Çatak und Johannes Duncker für ihr Drehbuch zu „Das Lehrerzimmer“.​

Preis des Oberbürgermeisters, dotiert mit 2500 Euro, für die Regisseurin Sonja Heiss für „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“.​

Drehbuchpreise: Den ersten Preis erhält Anna Werner für ihr Exposé „Car Country“. Den zweiten Preis erhält Niamh Sauter-Cooke für „Haben und Sein“. Der dritte Preis wird vergeben Nele Hecht für „Sturzwelle“.​

„Was heißt hier Ende?“ Dominik Grafs Film über Michael Althen

Der Filmjournalist Michael Althen (1962-2011). Foto: Good!Movies

Seine Texte seien ja schön gewesen, sagt Michael Althens Vater im Film, „aber die Nachrufe – die waren wunderschön“. Das gilt auch für diesen filmischen Nachruf „Was heißt hier Ende?“ von Dominik Graf, der 2015 erstmals im Kino lief. Graf hat neben seinen Spielfilmen („Die Katze“, „Geliebte Schwestern“, „Fabian“) immer wieder auch Filmessays gedreht – einige auch zusammen mit dem Filmkritiker Michael Althen, der ihm ein Freund wurde und 2011 starb, im Alter von 48 Jahren.​

Grafs Film ist ein mosaikartiges Porträt, gefühlvoll, aber nicht sentimental – um einen Kino-Liebenden geht es, dessen Bild Graf aus vielen Teilen zusammensetzt: Da sind Ausschnitte aus Althens eigenen Filmen, vor allem über den Maler Nicolas de Staël, der ihn faszinierte; Texte Althens übers Kino, die Graf wundervoll raunend liest; da sind die Kinder, die Witwe, die Freunde und Kollegen, die Anekdoten erzählen – Kritiker wie Andreas Kilb, Tobias Kniebe, Harald Pauli, Filmemacher wie Christian Petzold und Caroline Link.​

Die Angst um Antonionis Nachruf​

Von dem Nachtschwärmer Althen hören wir da, der erst schrieb, wenn alle um ihn herum ins Bett gegangen waren; der kaum etwas mehr fürchtete, als dass Regisseur Michelangelo Antonioni stirbt, wenn Althen in Urlaub ist und er deshalb keinen Nachruf schreiben kann. Althen schrieb den Text dann doch, nach jahrelangem Zögern vorab, „für die Schublade“ sozusagen – einen Tag später starb Antonioni. Und Althen gab sich eine gewisse Mitschuld, erzählt seine Frau lächelnd.​

„Schon 20 Mal gesehen hat – und davon 18 Mal besser“​

Natürlich erzählen die Freunde vor allem Nettes über Althen, auch wenn die Kollegin Doris Kuhn dessen manchmal etwas gefühlsbeladenen und bedeutsamen Stil sanft veräppelt: wenn Althen etwa von den „Pfützen der Erinnerung“ spricht. Dabei schlägt der Film einen thematisch weiten Bogen – ist die Filmkritik langweilig geworden? Hat sie nur noch Service-Charakter? Wie kann man sich eine Begeisterung fürs Kino erhalten, wenn man sich 30 Jahre lang berufsmäßig Filme anschaut? Und alles, wie Andreas Kilb es beschreibt, „schon 20 Mal gesehen hat – und davon 18 Mal besser“? Auch darum geht es in diesem schönen Nachruf.​

„Ich habe immer viel geackert“ – Interview mit Burghart Klaußner

Burghart Klaußner

Schauspieler Burghart Klaußner (Foto: Max Parovsky) ist einer der Großen seiner Zunft, ob auf der Bühne, im Kino oder auch im Fernsehen. Er drehte unter anderem mit Christian Petzold („Yella“), Hans-Christian Schmid („23“ und „Requiem“), Michael Haneke („Das weiße Band“) und Steven Spielberg („Bridge of Spies“). Vor einem Jahr gewann er in Neunkirchen den Darstellerpreis des Günter Rohrbach Filmpreises in Neunkirchen, in diesem Jahr hat er die Jury geleitet. Ich habe vor der Verleihung mit ihm gesprochen.

 

Vor einem Jahr haben Sie in Neunkirchen den Rohrbach-Darstellerpreis gewonnen und das Preisgeld von 3000 Euro direkt an die Caritas Neunkirchen für deren Flüchtlingsarbeit gespendet. Sind solche Gesten heute sogar nötiger als 2015?

Nicht unbedingt in finanzieller Hinsicht, denn die Lage insgesamt im Land hat sich ja verbessert, die Kommunen scheinen sie einigermaßen im Griff zu haben.

Aber die Stimmung gegen Flüchtlinge und Ausländer allgemein hat sich stark verfinstert, deshalb dachte ich etwa an Spenden als wichtige symbolische Geste.

Diese Stimmung ist natürlich extrem beunruhigend. Man bekommt das Gefühl, die Deutschen hätten nichts gelernt. Die abenteuerlichsten Leute schwadronieren durch die Lande, ob sie sich nun Reichsbürger nennen oder Hitlerjugend, die es ja vielleicht auch schon wieder gibt. Das ist finsterstes Mittelalter – und man fragt sich, wofür man die ganze Zeit als Künstler geredet und geackert hat.

Was kann Kunst da ausrichten? Im Saarländischen Staatstheater etwa läuft gerade Max Frischs „Andorra“ – aber kann solch ein Stück einen Ausländerfeind bekehren? Falls er es sich überhaupt anschaut.

Steter Tropfen höhlt überall den Stein. Es ist die Aufgabe der Kunst, die Menschlichkeit, die Zivilisiertheit voranzutreiben. Ob sie jeden einzelnen erreicht oder per se die Gesellschaft verbessert, darf man nicht erwarten. Aber die Kunst muss es versuchen. Ohne diese Aufgabe gibt es die Kunst gar nicht.

Burghart Klaußners Romandebüt „Vor dem Anfang“

Sie haben in Dresden Ferdinand von Schirachs Stück „Terror“ inszeniert, in dem das Publikum darüber diskutiert, ob ein Pilot ein von Terroristen gekapertes Flugzeug abschießen darf, um einen noch größeren Terrorakt zu verhindern. Wie waren die Reaktionen?

Ich habe selten erlebt, dass ein Publikum so engagiert diskutiert hat. Wobei man das Ganze nicht zur Verfassungsdiskussion hochstilisieren darf. Gerhard Baum hat recht, wenn er davor warnt, zu glauben, man könne bestimmte verfassungsrechtliche Fragen mit einer Umfrage klären.

Günter Rohrbach Preisverleihung 2023

Wie sehen Sie selbst die Schuldfrage?

Ich bin inzwischen ganz auf der Seite von Baum und halte den Piloten für schuldig. Denn der Pilot schneidet den Passagieren ja jede Möglichkeit ab, sich vielleicht doch noch, wie in ähnlichen Fällen geschehen, zu wehren.Und der Autor spitzt das Ganze so zu, dass eigentlich jede Entscheidung falsch ist.

Wie fanden Sie die TV-Version des Stücks, in der Sie ebenfalls den Richter spielten?

Meine Freund Lars Kraume, der Regisseur unseres Filmes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ hat das brillant gemacht, es ist ja ziemlich kompliziert, ein kammerspielhaftes Gerichtsdrama fürs Fernsehen zu verfilmen. Aber es fällt auf, dass eines offenbar nicht möglich ist, was man im Theater dringend braucht: Pausen, Momente, in denen scheinbar nichts passiert. Pausen sind im Fernsehen offensichtlich unmöglich. Der Zuschauer scheint am steten Fortgang der Handlung zu hängen wie an einer Nabelschnur.

Wie groß war Ihre Genugtuung, als für den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“der Preisregen begann?

Das war großartig, ein Film für ein besonderes Kinopublikum – das ist Spezialistentum, wie eigentlich meine ganze Arbeit als Schauspieler und Regisseur. Ich bediene ja nicht unbedingt die Unterhaltungsindustrie.

In Ihrer Filmografie findet man keine qualitativen Ausfälle – wie wählerisch sind Sie?

Ich war schon sehr wählerisch und habe mir sehr genau überlegt, was ich mache. Sonst hätte es mir keinen Spaß gemacht. Natürlich gibt es auch bei mir ein paar Sachen, bei denen ich heute sage, das hätte nicht sein müssen.

Deren Titel Sie sicher nicht nennen wollen.

Stimmt.

Aber wie wählerisch kann man sein, wenn man seinen Lebensunterhalt verdienen muss?

Das geht schon. Ich habe ja immer sehr viel gearbeitet, ordentlich geackert, und da ist mir vor allem eines gelungen, was ganz schön kompliziert ist: nämlich Theater, das unverzichtbar ist, mit Film einigermaßen gleichmäßig zu verbinden.

Wirklich präsent wurden Sie im Kino vor zehn Jahren mit „Die fetten Jahre sind vorbei“.

Mit der Filmarbeit habe ich erst Mitte, Ende der 90er Jahre angefangen, vorher vor allem Theater und ein bisschen Fernsehen. Aber es ist eben so: Wenn man sich an speziellen, eher seriösen Themen abarbeitet, wird man nach außen später sichtbar, als wenn man gleich mit Riesenkomödien anfängt oder dem „Tatort“.

Kein Format, dass Sie schätzen?

Diese Krimischwemme finde ich so albern wie sonst irgendwas. Es hat mit unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit wenig zu tun. Sei’s drum – es ist eine große Sparte im Fernsehen. Aber wenn man die nicht bedient, dauert alles halt ein bisschen länger. „Die fetten Jahre sind vorbei“ war ein Höhepunkt, „Das weiße Band“ und „Goobye Lenin“ Filme etwa wie „Requiem“ von Hans-Christian Schmid sind unglaublich toll, wurden aber nicht – um es vorsichtig zu sagen – von sehr vielen Leuten gesehen. Aber ich kann gut damit leben. Ich weiß, dass das gute Arbeit war.

Wenn Sie kleinere Rollen in internationalen Filmen wie in „Der Vorleser“ oder „Bridge of Spies“ spielen, müssen Sie den Film nicht tragen – ist das dann wie ein entspannender Arbeitsurlaub?

„Bridge of Spies“ ist das beste Beispiel – ich habe als durchgeknallter DDR-Fuzzi da nur eine Szene, die aber liebe ich. Das hat irrsinnigen Spaß gemacht, ist aber nicht weniger anstrengend als eine Riesenrolle, sondern eher herausfordernd: Man muss in kürzester Zeit schauspielerisch alles auf den Tisch legen, mit Tom Hanks und Regisseur Steven Spielberg.

Hatten Sie Ehrfurcht vor Spielberg?

Nö, der ist ja sehr lustig. Und Ehrfurcht gehört nicht zu meinen hervorstechendsten Eigenschaften. Ehre, wem Ehre gebührt – aber bitte ohne Furcht. Die ist entbehrlich.

Sie spielen zurzeit das Stück „Heisenberg“ in Düsseldorf – wann drehen Sie wieder?

Im Frühjahr beginnt eine Fernseharbeit mit Heinrich Breloer. Nach Thomas Mann nimmt er sich sozusagen dessen Antipoden an – Bertolt Brecht. Ich spiele ihn in seinen späteren Jahren: Ich habe mich mein ganzes Leben lang, wie viele Schauspieler, immer wieder mit Brecht rumgeschlagen und mich stets darüber gewundert, wie er es durch das Jahrhundert geschafft hat.

Bereiten Sie sich da anders vor als bei einer fiktiven Figur?

Auf jede Rolle bereitet man sich eigentlich ein ganzes Leben lang vor, weil man ja aus dem eigenen Fundus schöpft. Aber bei einer historischen Figur versuche ich Besonderheiten auf die Spur zu kommen. Das wird bei Brecht, der auf seine Weise ja auch ein Sonderling war, keine leichte Aufgabe, auch bei der Sprache nicht. Ich bin zwar sieben Jahre in München zur Schule gegangen, aber der Dialekt in Brechts Geburtsstadt Augsburg ist etwas Anderes. Aber ich vertraue einfach auf eine gewisse Intuition. Irgendwo im Bereich dieser Persönlichkeit wirft man als Schauspieler seine Angel aus – und wenn man Glück hat, zieht man eine große Portion nach oben.

 

Burghart Klaußners Seite:
www.burghartklaussner.de

 

 

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