Film und dieses & jenes

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Burghart Klaußners Romandebüt „Vor dem Anfang“

Burghart Klaußner Gene Glover Das schweigende Klassenzimmer Der Staat gegen Fritz Bauer

Burghart Klaußner, fotografiert von Gene Glover.

 

Ist das Ende ein Traum? Eine Todesfantasie? Oder  doch die Realität? Die letzten Seiten wirken jedenfalls wie eine Verheißung – die Luft ist warm, der Rauch der Zigaretten steigt girlanden­gleich in die Höhe, „eine Art Sommer“ ist da, und die Zukunft gleich mit. Ein brutaler Kontrast zu den 24 Stunden davor, in denen die Soldaten Fritz und Schultz durch ein zerbombtes Berlin fliehen, auf dem Rad, zu Fuß, mit einem Boot, ständig in Angst vor den Russen, vor deutschen Feldjägern, die die beiden für Deserteure halten könnten, vor dem Tod aus der Luft. Davon erzählt „Vor dem Anfang“, das Romandebüt von  Burghart Klaußner. Der 68-Jährige spielt an der Bühne, im Fernsehen und Kino („Die fetten Jahre sind vorbei“, „Der Staat gegen Fritz Bauer“), inszeniert am Theater und tritt auch als Sänger auf – jüngst beim Neunkircher Günter-Rohrbach-Filmpreis.

Interview mit Burghart Klaußner

Nun also ein Roman, ein gelungener. Das Schreiben, sagt Klaußner, lasse ihn ganz genau hinschauen, das Leben wie unter einem Mikrokoskop betrachten. Entsprechend ist seine Erzählperspektive: Als Leser sind wir den Figuren ganz nah, wir wissen nicht mehr als sie, sehen nur, was sie sehen: Momentaufnahmen, episodische Schlaglichter aus Berlin an einem Apriltag 1945. Fritz und Schultz, die sich bisher mehr oder weniger frontfern durchwurschteln konnten, sollen eine Geldkassette (mit 750 Reichsmark) möglichst schnell quer durch Berlin transportieren, von ihrem Flugplatz zum Reichsluftfahrtministerium. Eine absurde Mission angesichts der Lage: Alles löst sich auf, die russische Armee ist fast in Sichtweite. Doch der Auftrag ist dem Zwangsgemeinschafts-Duo ganz recht: Beide hoffen, sich danach irgendwie abzusetzen und das Kriegsende an einem sicheren Ort zu erleben.

 

 

Mit Zeitdruck, allgegenwärtiger Bedrohung und Figuren in ständiger Hatz baut Klaußner viel Spannung auf, wobei er manche Erwartung unterläuft: Erst scheint der ruhigere, besonnenere Schultz zur Haupfigur zu avancieren, doch dann folgt der Roman über weite Strecken dem anfänglich wenig sympathischen, zu lauten, zu dominanten Fritz. Quer durch Berlin geht es, durch Laubenkolonien („selbst die Bäumchen hatten etwas Geducktes“), in die bröckelnde Innenstadt, zur fast tödlichen Begegnung mit einem Feldgendarmen, am Funkturm vorbei, durch Hinterhöfe am Kottbusser Tor hinein ins dunkle Gemäuer eines Luftschutzkellers. Dort gelingt dem Buch eine der atmosphärischsten Episoden: wenn die Betondecke bebt, der Putz rieselt – und eine Frau mit Berliner Galgen-Witz „Ruhe da oben“ in Richtung Bomber schreit.

Einiger schwarzer Humor zieht sich durch den Roman, den Klaußner schnörkellos und unprätentiös erzählt, aber nicht simpel. Immer wieder flieht Fritz gedanklich zurück in bessere Zeiten, auf sein Boot „Traute“, das auch jetzt das Ziel ist. In dessen warmem Schiffsbauch will er sich flüchten. Das Segeln ist ein zentrales Motiv (Klaußner ist passionierter Segler, wie Fritz). Wenn der  sich an das Überleben eines nächtlichen Sturms erinnert, gehört das zu den intensivsten Passagen: Ein Blitz erhellt die Nachtschwärze, „Plötzlich sah man, wo man war! Im Weltraum“. Und der Donner nach dem Blitz „hatte eine klare Botschaft. Er kam direkt von Gott. Und er löschte jede Hoffnung aus.“ Diese regelmäßigen Rückblenden, bis auf eine Ausnahme stes elegant im Erzählfluss verankert, unterfüttern die Person Fritz, die uns immer näher kommt. Bis er jenen „Anfang“ erleben kann, den der Titel des Buchs verheißt, wird es noch eine lange Berliner Nacht.

 

Burghart Klaußner: Vor dem Anfang.

Kiepenheuer & Witsch, 173 S., 18 €.

So soll das Saarbrücker Filmhaus wiederbelebt werden

 

„Das Team des Filmhauses bedankt sich bei allen treuen Besuchern in den letzten Jahren und wünscht dem kommunalen Filmprogramm eine lange Zukunft.“

So lapidar, fast versteckt auf Seite 11 des April-Programmhefts, liest sich das Ende des Saarbrücker kommunalen Kinos in seiner gewohnten Form. Zurzeit ist das Kino in der Mainzer Straße geschlossen, abgesehen von zwei Sonderveranstaltungen über US-Fernsehen (23. Mai und 6. Juni). Am 8. Juni soll es wieder öffnen – mit anderer Struktur und neuer Leitung. Es ist die Folge des konstanten Besucherschwunds in den vergangenen Jahren; Filmhaus-Leiter Michael Jurich, seit Februar 2010 im Amt, geriet in die Kritik: nicht wegen seines anspruchsvollen Programms, eher wegen der dürren Außenwirkung und -darstellung des Kinos. Das Filmhaus war in der Saarbrücker Kinolandschaft an den Rand geraten. Spekuliert wurde da viel: Zieht das Filmhaus in zwei Säle der Camera Zwo? Fusioniert es mit dem Kino Achteinhalb? Kommt eine Privatinitiative zum Zuge, die sich als Filmhausbetreiber angeboten hat?

 

Im Januar verkündete Saarbrückens Kulturdezernent Thomas Brück (Grüne) seine Pläne, das Filmhaus a) lebendiger und b) billiger zu machen. Sein Konzept: Auflösung des personalintensiven Amts für kommunale Filmarbeit, Versetzung von Michael Jurich ins Stadtarchiv und ein Vertrag mit Michael Krane, dem Leiter des Saarbrücker Kinos Camera Zwo. Der soll sich um das Programm in dem einen verbleibenden großen Kinosaal kümmern. Christel Drawer, ehemals Leiterin des Ophüls-Festivals (1993-2002), zieht mit dem Wissenschaftsbereich des Kulturamtes, dem künftigen Filmhaus-Träger, in die Mainzer Straße und soll dort Veranstaltungen und Kooperationen organisieren.
Noch vage waren diese Pläne im Januar. Zudem stolperten sie über den Umstand, dass man die Kinoprogrammleitung hätte ausschreiben müssen. Das hat die Stadt nun nachgeholt, die Frist ist abgelaufen und Brücks Konzept konkreter; der Stadtrat wird am 23. Mai darüber abstimmen.

Michael Krane soll den Kinosaal bespielen

Zwei Bewerbungen sind laut Brück eingegangen, nur eine mit einem konkreten und in der Ausschreibung verlangten Preisangebot – von Michael Krane. Der erfahrene Kinomann soll nun laut Brücks Plan einen Dienstleistervertrag mit der Stadt unterschreiben, der ab dem 1. Juni für vier Jahre läuft. Krane ist mit eigenem Personal für den kompletten Kinobetrieb verantwortlich: Programmauswahl (Brück: „in enger Abstimmung mit dem Kulturamt“), Bestellen der Filme, Vorführung, Verwaltung, technische Wartung und Gastronomie an der Filmhaus-Theke. Dafür sichert ihm die Landeshauptstadt eine monatliche Pauschale zu. Deren Höhe hatte Lothar Schnitzler, kulturpolitischer Sprecher der Linken im Stadtrat, der dieses Konstrukt als „Privatisierung von Gewinnen“ kritisiert, bei einer Diskussion ums Filmhaus mit 7000 Euro beziffert. Nach SZ-Informationen sind es 6000 Euro. Die Einnahmen gehen ebenfalls an Krane, der im Gegenzug die Filmmieten und den Versand der Filme bezahlt, dazu für das zweimonatige Programmheft, einen wöchentlichen Flyer, Werbung und den Internet-Auftritt verantwortlich ist. Brück: „Das ist die Aufwendung wert.“

Stellenverschiebungen und Kündigungen

Sozialverträglich? So „sozialverträglich“ wie im Januar angekündigt, gerät dieser Umbau allerdings nicht: Zwar sind die Filmhaus-Festangestellten (die Amtsleiterstelle, eine ganze und zwei halbe Stellen) innerhalb der Stadtverwaltung auf andere Posten versetzt worden; aber vier „geringfügig Beschäftigten“, die von den Plänen im Januar, wie man hört, sehr überrascht waren, wurde zum 1. Mai gekündigt.

Einsparungen: Durch die Stellenverschiebung – und die Kündigungen – reduzieren sich die Personalkosten im Filmhaus laut Stadt um jährlich 160 000 Euro. Hinzu kommen 20 000 Euro, die durch die Neuorganisation, etwa durch Kranes Verantwortung für Technik, Wartung und Werbung, aus dem „Sach-Etat“ gespart werden.

Blamabel: Die lange angestrebte Barrierefreiheit kommt 2017 nicht mehr. Geplant ist laut Brück der Umbau des Lastenaufzugs im Treppenhaus zu einem Personenaufzug; für die Finanzierung aber sei „ein dickes Brett zu bohren“. Denn eine frühere Studie, nach der der Umbau 60 000 Euro koste, habe sich als allzu optimistisch erwiesen – er koste das Vielfache, „das können wir alleine nicht stemmen“. Die Stadt müht sich um Fördergelder, 2018 soll das Haus barrierefrei sein, endlich.

 

Der „Schauplatz“ wird umgebaut, die „Galerie“ ans Ophüls-Festival abgegeben

Die gerade laufenden Umbauarbeiten sind kleinerer Natur: Im großen Saal wird ein Teil der Bestuhlung ersetzt, im kleinen „Schauplatz“ wird sie teilweise abgebaut: Er soll vor allem als Kleinkunst-Raum oder für Lesungen genutzt werden. Auch das Entrée des Kinos zur Straße hin soll freundlicher gestaltet werden, kündigt Brück an, die Fahrradständer werden wohl verlegt, die Schaukästen reduziert. Die eigentlich kinountaugliche „Galerie“ wird in die städtische Ophüls-Gesellschaft übergehen und dem Festival als Bürofläche dienen. Der Innenhof soll sich der Gastronomie öffnen. Das Lokal „Baker Street“ bewirtet dort schon, Brück kann sich auch eine Terrasse vorstellen. Da sei man laut Brück „in intensiven Gesprächen“ (eine Formulierung, die er oft benutzt). Dass diese Gastronomie sozusagen vor der Nase des Lokals „Zapata“ ist, sorgt Brück nicht, er erwartet „keine großen Widerstände“.
Wenn das Kino am 8. Juni wieder öffnet, laufen hier erst einmal nur Filme. Ab Herbst sollen dann, koordiniert von Christel Drawer, wissenschaftliche Vortragsreihen, Kooperationen mit der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) und dem Kultusministerium stattfinden. Schriftlich fixiert sei da bisher noch nichts, gibt Brück zu. Aber es gebe „gegenseitiges großes Interesse“.

 

 

 

 

 

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