Film und dieses & jenes

Schlagwort: FX

„Stingray“ von Gerry Anderson – Puppenkiste unter Wasser

 

Gerry Anderson? Hierzulande ist der Produzent (1929-2012) vor allem reiferen Nostalgikern ein Begriff – in England ist er so etwas wie eine Legende, zumal sein Sohn Jamie sein Andenken pflegt und vermarktet. „Mondbasis Alpha 1“ (1975-1977) ist wohl seine bei uns bekannteste Serie; in England hatte er auch mit vielem anderen Erfolg. Gut, dass die saarländische Firma Pidax einige Komplettboxen veröffentlicht: zum Beispiel „Thunderbirds“ (1965/66), „Captain Scarlet“ (1967/68), „Ufo“ (1970/71) – und nun auch die Marionettenserie „Stingray“

Bizarres unter Wasser

Die 39 Folgen auf fünf DVDs spielen 2065 und überwiegend unter Wasser, wo sich bizarre Wesen und  Schurken tummeln, nicht zuletzt der Despot Titan, dem die Landbewohner ein Dorn im Auge sind. Wie gut, dass es das schnittige U-Boot Stingray gibt, deren Kapitän Troy Tempest allen Widersachern zeigt, wo in der Tiefsee der Hammer hängt – humorig und kindgerecht. „Stingray“ ist Andersons erste in Farbe produzierte Serie, die hier konsequent genutzt wird: knallbunt sind die extrem liebevollen Bauten – da schaut man gerne genau hin, gerade auch wenn die maritime Serie manchmal etwas dahin plätschert. Wie oft bei Anderson hat Modell- und Pyrotechnik-Zauberer Derek Meddings die exzellenten Effekte gestaltet. Kein Wunder, dass später James Bond und Superman  bei ihm anklopften.

Erschienen bei Pidax.

„Raumpatrouille“ auf Bluray und UHD – was bieten die Extras?

Das Bluray-Mediabook der "Raumpatrouille". Foto: Eurovideo

Das Mediabook der „Raumpatrouille“. Foto: Eurovideo

 

Ach, wie schön: Am 7. Dezember erscheint der deutsche Serienklassiker „Raumpatrouille“ restauriert erstmals auf Bluray und 4K UHD. (Mehr Angaben dazu ganz unten). Die Rezensions-Exemplare sind da – das restaurierte Bild sieht auf Bluray fabelhaft aus, der Unterschied zur antiken DVD ist enorm.

Wie aber sind die Extras? Reichlich, aber überraschend: Denn außer einem Booklet (das ich noch nicht habe und später vorstellen muss) gibt es keine neuen Extras; sondern Bonus-Material, das sich entweder schon auf der alten DVD-Edition der Serie befindet oder fast ausschließlich auf der DVD zum Film „Rücksturz ins Kino!“, die auch schon knapp 20 Jahre auf dem Buckel hat. Merkwürdig, dass man sich bei einer so aufwendigen – und gelungenen  – Restaurierung nicht stärker um neues Begleitmaterial bemüht hat. Warum nicht ein Interview mit Friedrich Georg Beckhaus (alias Atan Shubashi), dem letzten lebenden Darsteller der Besatzung? Beckhaus ist zwar Mitte 90, arbeitet aber immer noch und ist gerade als Synchronsprecher in „Killers of the flower moon“ zu hören. Oder ein Audiokommentar mit einer Filmkennerin, einem Filmkenner? Da wäre mehr drin gewesen – zumal das vielleicht die letzte physische „Raumpatrouille“-Veröffentlichung ist.
Auch überraschend und ärgerlich: Untertitel für Hörgeschädigte gibt es nur beim 2003er Kinozusammenschnitt „Rücksturz zur Erde“ – nicht bei der Serie.

Das Bonus-Material

Wie dem aus sei – das sind die Extras auf der neuen Bluray.

1 Bavaria Spezial (3.28) – ein Auftritt der Besatzung bei einer Bavaria-Feier mit dem Dank von Dietmar Schönherr dafür, dass „die kleine Orion der großen Bavaria zur Unsterblichkeit verhelfen durfte“. Dieser Auftritt findet sich auch auf der alten DVD der Serie.

Die folgenden Extras der Bluray finden sich auch auf der „Rücksturz“-DVD:

2 Musikvideo „Barfuss im Weltall“ (3.34)

3 „United Space Orchestra“ (3.48), ein 1987er Zeichentrickmusikvideo mit der Musik von Peter Thomas.

4 Die Enthüllung des restaurierten Brandenburger Tors 2002 (4.32) mit der Musik von Peter Thomas (und viel Werbung für Vattenfall).

5 Statement von Regisseur Michael Braun von 2003 (1.35) Er erzählt, wie Schönherr als Test einen Text voller technischer Details und „Raumpatrouille“-Slang so sprechen musste, als sei das Alltagssprache. Braun: „Er hat es perfekt serviert.“

6 Statement von Regisseur Theo Mezger von 2003 (2.03), der vier der sieben Folgen inszeniert hat. Er echauffiert sich darüber, dass ein Journalist damals, 1966, aus dem Bügeleisen im Kommandostand so eine große Sache gemacht habe. Die „Genialität“ des Ausstatters Rolf Zehetbauer habe „dieses Männlein“ nicht erkannt: „so ein Kaschper!“.

Mit der Musik von Peter Thomas und der Ausstattung von Rolf Zehetbauer: „Die Schlangengrube und das Pendel“

7 Die Trick-Experten Werner Hierl und Götz Weidner (1.41) erzählen 2003 von den Effekten, vom „Overkill“ mit Kaffeepulver und den Frog-Raumschiffen, die aus Zeitgründen so rudimentär aussähen wie Papierflugzeuge. „Die sind heute ein Lacher“, sagt Wiedner.

8 Statement Margit Bardy von 2003 (1.20). Die Kostümbildnerin erinnert sich daran, dass sie erst einmal die Texte des Drehbuchs nicht verstanden habe. „Macht nichts, Sie müssen nur fühlen“, habe ihr Regisseur Mezger gesagt. 38 Kostüme hat sie dann entworfen und sich gefragt, womit man 1965 schockieren könnte. Die Idee: „Die Knie zeigen. Das war eine Revolution.“ Eva Pflug habe sie schnell überzeugen können, ihr Kostüm zu tragen, „denn sie hatte gute Beine“.

„Die Geschichte einer Wohnwagenstadt“ mit Friedrich Georg Beckhaus

9 Statement Oliver Storz (1.54) von 2003. Der Autor erzählt, wie er keinerlei Interesse an „Raumpatrouille“ hatte, aber von der Bavaria sozusagen gezwungen worden sei: „Lass Dir was einfallen!“ (…) „Das war meine Lehrzeit.“  Über die jetzige „Wiederbegegnung mit meinen Dialogen will ich mich nicht äußern. Ich kann mir nicht mehr vorstelle, dass ich das war.“ (…) „Das war Räuber und Gendarm im Weltall.“

 

10 Statement Peter Thomas (1.12). Der Komponist erinnert sich auf dem Balkon seines Hauses am Luganer See an die Aufnahmen der Musik in fünf Tagen und sein Honorar über 20 000 Mark – „heute wären das 100 000“.

11 Rolf Zehetbauer (2.05). Der Ausstatter erinnert sich daran, dass er eigentlich nie Fernsehen machen wollte, bei der Idee einer Science-Fiction-Reihe aber doch sofort dabei gewesen sei. Nur sei das Budget so niedrig gewesen – „kein Geld“ – dass er kaum etwas habe entwerfen oder bauen lassen. Er musste unter anderem auf Sanitär-Innenausstattung zurückgreifen. „Über Nacht haben wir aus Plastikschalen neue Dekorationen gebaut“ – während Stanley Kubrick gerade mit großem Aufwand an „2001“ werkelte. „Wir armen Fernsehschweine.“

DVD „Tragödie in einer Wohnwagenstadt“ mit Friedrich Georg Beckhaus

12 Elke Heidenreich (0.44). Eine Leseprobe für „Rücksturz zur Erde“, bei der sie sich bei der Formulierung „Regierung der Welt“ das Lachen nicht verkneifen kann.

13 Englischer Kinotrailer (3.11). Ein ziemlich ironischer Trailer in englischer Sprache für „Rücksturz zur Erde“.

 

14 Deutscher Trailer (1.45) für „Rücksturz zur Erde“.

15 Musikvideo „Warp back to earth“ (3.58)

16 Premieren-Momentaufnahmen (6.08) von der „Rücksturz“-Kinopremiere Juli 2003 in München und Berlin.

Die Geschichte der „Hammer“-Filme

17 Szene (0.56) aus der letzten Episode in ungarischer Synchronfassung.

18 Szene (1.13) in italienischer Synchronfassung, wobei die Stimme von Eva Pflug extrem gut passt.

19 Eine fürs französische Fernsehen gedrehte Szene (2.09) mit Charlotte Kerr und dem französischen Darsteller Jacques Riberolles. Fürs französische Fernsehen wurde Kerr dann synchronisiert, für die deutsche Fassung trat Gerhardt Jentsch vor die Kamera.

Welches Bonus-Material wäre vorhanden gewesen, wurde aber nicht übernommen?

Das Spiel „Frog Invaders“, das man mit der Fernbedienung spielen  kann (und das nach 30 Sekunden langweilig wird), zu finden auf der alten Serien-DVD, ist nicht auf der Bluray – das ist absolut zu verschmerzen. Schade aber ist, dass ein Bonus der „Rücksturz“-DVD nicht übernommen wurde: die 70 Trick-Dias und Skizzen aus dem Archiv von Effekt-Mann Werner Hierl – da sieht man Raumschiffmodelle, Planetenlandschaften und künstliche Sternenhimmel.

 

„Raumpatrouille“ erscheint bei Eurovideo am 7. Dezember in diesen Versionen:

Bluray Mediabook: Ton: Deutsch Dolby Atmos (Serie); Deutsch DTS-HD MA 5.1 (Kinofilm). Audiodeskription (Kinofilm). Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (Kinofilm). Bildformat: HD 1080i/25 (1,33:1 Pillarbox)

4K UHD Mediabook: Ton: Deutsch Dolby Atmos (Serie); Deutsch DTS-HD MA 5.1 (Kinofilm), Audiodeskription (Kinofilm). Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (Kinofilm). Bildformat: UHD 2160p/25 (1,33:1 Pillarbox)

DVD: Tonformat: Deutsch Dolby Digital 5.1, Audiodeskription (Kinofilm). Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (Kinofilm). Bildformat: 4:3 Vollbild (1,33:1)

 

„Raumpatrouille“-Seiten:

Raumpatrouille Orion | Facebook

https://www.orionspace.de

Raumpatrouille Orion Wiki | Fandom

 

 

Die Doku „The Frankenstein Complex“

The Thing Frankenstein Complex Alec Gillis und Tom Woodruff Jr. CGI Animatronics Amalgamated Dynamics

Alec Gillis und Tom Woodruff Jr. – mit ihrer Firma Amalgamated Dynamics schufen sie mechanische Effekte für „The Thing“ (2011), die dann letztlich durch nur mäßig überzeugende CGI-Tricks ersetzt wurden. Foto: Capelight

Rick Baker. Stan Winston. Rob Bottin. Wer sich im Kino für bizarre Wesen, Monster und Mutanten interessiert, für den sind diese Namen legendär. Wer die Namen noch nie gehört hat, den sollte die Doku „The Frankenstein Complex“, die jetzt bei uns auf DVD erscheint, dennoch faszinieren.

Die Franzosen Gilles Penso und Alexandre Poncet beschäftigen sich mit dem Beruf des „Creature Designers“, der Kreaturen entwirft und baut: ob nun aus Ton, Gummi oder Stahl, voller Elektronik oder einfach nur mit Platz für fünf Finger, die ein Wesen steuern – Prinzip Handpuppe. Kein Beruf, den man wählt, weil einem sonst nichts einfällt, sondern weil es kreativ in einem rumort. „Man fühlt sich wie ein Schöpfer“, sagt etwa Steve Johnson, der für den Unterwasserfilm „The Abyss“ quallen­artige Außerirdische baute, nachdem Regisseur James Cameron seine Wünsche recht vage formuliert hatte: „Ich will die himmlischsten Wesen, die man je gesehen hat – und sie  müssen wasserfest sein.“

Der große Umbruch mit den Dinosaurieren

Der Film zeichnet die Entwicklung des Berufs nicht detailliert nach, ein kleiner Abriss der Make-Up-Effektekunst muss genügen, die einst Darsteller Lon Chaney mit seinen selbstentworfenen Masken begründete und auch Jack Pierce mit seiner unsterblichen „Frankenstein“-Maske. Die Doku lässt viele Künstler in ihren Werkstätten zu Wort kommen und interessiert sich vor allem für die Brüche und Umbrüche der Branche. Als etwa Rick Baker 1981 in „American Werewolf“ die Verwandlung eines Menschen in einen zotteligen Vierbeiner derart realistisch gelingt, dass sich die Nackenhaare des Publikums kollektiv sträuben – und die Branche einen neuen Boom erlebt. Der größte Umbruch aber kommt Anfang der 90er Jahre, wie die Beteiligten (und Leidtragenden) hier erzählen: Steven Spielberg plant einen Dinosaurierfilm; Phil Tippett, ein Effektkünstler, der seine Kreaturen gerne mit Einzelbildtrick animiert –  Bewegung für Bewegung, die, hintereinander projiziert – eine fließende Bewegung ergeben, macht sich an die Arbeit mit kunstvollen Kunststoffdinos.

Greg Nicotero am Telefon. Foto: Capelight

Zugleich bastelt ein anderes Trickteam heimlich an ersten Computer-Animationen (CGI). Spielberg ist begeistert. Tippetts Dinos sind passé, Tippett sagt in der Doku: „Meine ganze Welt verschwand“, ihm blieben nur Depressionen und eine Lungenentzündung. „Jurassic Park“ wird ein Meilenstein der Computer-Animation – aber das Merkwürdige dabei: Bis heute wird gerne übersehen, wie oft die Dinos in dem Film lebensgroße Puppen sind, die elektronisch gesteuert sind (oder von Menschen, die in ihnen stecken). Die Kreaturen stammten von Stan Winston, der a) entsetzt war, dass Publikum und Presse das komplett ignorierten  und b) eine Wagenladung Computer kaufte, um bei dieser Entwicklung nicht abgehängt zu werden.

CGI contra praktische Effekte – siehe „The Thing“

Und heute? Die Künstler plädieren dafür, dass ihre praktischen Effekte mit CGI ergänzt, aber nicht von ihnen verdrängt werden. Ob das Hoffen hilft? Tom Woodruff Jr. und Alec Gillis berichten von ihrer „schrecklichen Erfahrung“, dass beim Horrorfilm „The Thing“ (2011) ihre aufwändigen  Kunststoffkreationen (teilweise in der Doku zu sehen)  kurz vor Filmstart ersetzt wurden  – durch schwache Computertricks. Melancholisch klingt der Film aus, wie ein Abgesang. Rick Baker ist immerhin dankbar, „noch die goldene Zeit der Branche“ erlebt zu haben. Rob Bottin, dessen surreale Monstereffekte in „Das Ding aus einer anderen Welt“ (1982) legendär sind, hat dem Geschäft so konsequent den Rücken gekehrt, dass kaum jemand weiß, wo er lebt und was er tut.

Erschienen bei Capelight.
Sehr gutes Bonusmaterial mit Werkstattbesuchen und längeren Interviews.

 

 

 

Doku über die Hammer-Filme

 

 

 

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