Eine Szene aus "Stars at Noon" mit Joe Alwyn als Daniel und Margaret Qualley als Trish.

Der Brite Daniel (Joe Alwyn) und die Amerikanerin Trish (Margaret Qualley) – gestrandet in Nicaragua. Foto: Weltkino

Da mag sich der Mann noch so abmühen – die nackte Frau unter ihm betrachtet gelangweilt die Fotos neben dem Bett, sieht Männer in grünen Uniformen und sagt: „Junge Rebellen waren mal so sexy.“ Die Frau ist die Amerikanerin Trish, der Mann ist ein Leutnant der Militärdiktatur, das Land ist Nicaragua.​ Dort spielt „Stars at Noon“ der jüngste Film der französischen Regisseurin Claire Denis. Vage könnte man ihn einen „romantischen Thriller“ nennen, würde ihm dabei aber nicht ganz gerecht; und „Thriller“ ließe klassischen Spannungsaufbau erwarten, an dem Denis aber weniger interessiert ist – mehr an Stimmungen, Atmosphäre, am Rätselhaftem.

„Für Dollars und für die Klimaanlage“

Trish (Margaret Qualley) ist eine Journalistin, die für Hochglanzreiseberichte engagiert ist, aber über Korruption der Regierung berichtet hat und nun festsitzt: Ihr Pass ist konfisziert, ihr Chefredakteur (John C. Reilly in einem Zoom-Gastauftritt) lässt sie fallen; ihr bleibt nur die politisch-taktische Prostitution mit Männern des Militärapparates, um sich Protektion zu erschlafen; und für die so wichtigen Dollars verkauft sie sich an internationale Gäste des Landes. Darunter ist auch der Brite Daniel (Joe Alwyn) im weißen Kolonialisten-Anzug, ein Berater einer Ölfirma. So sagt er zumindest. Ihre erste Begegnung in seinem Hotelzimmer ist von ihrer Seite her klar verabredet („für Dollars und für die Klimaanlage“); doch schnell lösen sich die Grenzen zwischen bezahltem Sex und Zuneigung auf. Möglicherweise auch dadurch, dass beiden klar ist, dass sie in diesem Land der permanenten Bedrohung, der patrouillierenden Soldaten nur sich haben, niemanden sonst. Bald sind beide in Gefahr, da Daniel wohl doch etwas anderes ist als ein Berater in Sachen Energiegewinnung. Das Paar versucht die Flucht.

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Das hätte man flott inszenieren können, mit Verfolgungsjagden garnieren – aber Denis geht es um anderes. Sie erzählt von Machtausübung, von Hierarchien, von zwangsweisem Opportunismus und von brüchigem Vertrauen. Hier ist nur wenig so, wie es scheint, und kaum jemand sagt offen, was er meint. Selbst bei dem Liebespaar auf den durchgeschwitzten Laken spürt man Distanz; vielleicht ist beiden nicht ganz so wichtig, ob alles stimmt, was sie sich gegenseitig erzählen — möglicherweise  bleibt ihnen ohnehin nicht viel gemeinsame Zeit.

Ruhiger Erzählfluss

Erst nach einer halben Stunde Film weiß man halbwegs, wer Trish ist und warum sie tut, was sie tut. Diesen Erzählrhythmus, der an Albert Serras meisterlichen Film „Pacifiction“ erinnert, kann man als arg langsam empfinden –  oder sich von ihm mitnehmen lassen. Darstellerin Margaret Qualley („Once upon a time in Hollywood“) jedenfalls ist den Kinobesuch schon alleine wert; sie gibt eine exzellente, rastlose, sehr emotionale Vorstellung als opportunistisches Opfer der Umstände, als Überlebenskünstlerin, die sich manchmal dann doch für cleverer hält als sie es ist.

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