Szene aus "Gondola" von Veit Helmer. Iva (Mathilde Irrmann) in ihrer Raketengondel. Foto. Jip Film

Iva (Mathilde Irrmann) in ihrer Raketengondel. Foto: Jip Film

 

Veit Helmer? Da klingelt es – wenn auch aus größerer Entfernung: Im Jahr 2000 war sein Film „Tuvalu“, eine märchenhafte und bildgewaltige Geschichte um ein altes Hallenbad, eine Schiffsreise und einiges mehr, ein Liebling beim Filmfestival Max Ophüls Preis; Helmer gewann mit seinem ersten langen Film in Saarbrücken den Publikumspreis.​

Seitdem hat der Regisseur aus Hannover, Jahrgang 1968, eine Handvoll Spielfilme gedreht (dazu auch Dokus und Werbespots): stets voller Fantasie und filmischer Verspieltheit, gerne poetisch überhöht, stets eigenwillig – und somit Produktionen, die eher in kleinen als großen Kinos zu sehen sind. Jetzt startet sein jüngster Film gleich in zwei Kinos im Saarland: im Filmhaus in Saarbrücken und in der Kinowerkstatt St. Ingbert, die zur Einstimmung auch den 2018er Helmer-Film „Der Lokführer, der die Liebe suchte…“ zeigt – über einen Bahnangestellten, an dessen Zug eines Tages ein BH hängen bleibt und der dann eine Odyssee auf der Suche nach der Besitzerin beginnt.​

Parallelwelt mit eigener Logik​

Auch „Gondola“, unterstützt unter anderem vom Saarländischen Rundfunk, ist ein echter Helmer, der Filmemacher bleibt seinem Stil und seiner Perspektive treu. Auch „Gondola“ spielt in einer Parallelwelt zu der unsrigen, die ihre ganz eigene Logik und Poesie hat. Sie wirkt ein wenig nostalgisch, zugleich zeitlos wie aus der Zeit gefallen. In den georgischen Bergen verbindet eine Seilbahn ein Dorf auf dem Berg mit einer kleinen Stadt im Tal. Als ein alter Schaffner stirbt und standesgemäß im Sarg per Seilbahn seine letzte Reise ins Tal antritt, kehrt seine Tocher Iva zurück ins Dorf, wo ihr erstmal eine gewise Feindschaft entgegenschlägt; sie übernimmt nun den Dienst in einer der beiden alten Gondeln und schwebt mehrmals täglich über das wolkenverhangene Tal.​

 

Regisseur Veit Helmer. Foto: Boryana Pandova

Regisseur Veit Helmer. Foto: Boryana Pandova

Jede halbe Stunde fährt sie an der zweiten Gondel vorbei, gesteuert von der Kollegin Nino. Ein paar Tage lang grüßt man sich knapp, dann etwas länger. Und aus dem Ganzen wird eine Art Flirt in luftiger Höhe, eifersüchtig beobachtet vom grobschlächtigen Seilbahn-Chef, der auch ein sprichwörtliches Auge auf Nino geworfen hat – vergeblich und sehr zu seinem Verdruss.​

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Ohne Dialoge, aber kein Stummfilm​

Eine kleine große Geschichte erzählt Helmer hier in seiner deutsch-georgischen Produktion – ohne Dialoge. Ein schlichtes „Okay“ ist mal am Rande zu hören, ansonsten erklingt auf der Tonspur vor allem die Mechanik der Seilbahn: Sie quietscht, knarzt, rattert, gibt auf Knopfdruck merkwürdige Geräusche von sich und ist so etwas wie eine eigene Figur im Film.​ Die Annäherung der beiden Frauen hat seinen Charme – Iva und Nino bauen, um das Gegenüber zu beeindrucken, ihre Gondeln mit Pappkulissen unter anderem in ein Schiff um, eine Rakete sogar, mit Mars als Reiseziel. Zudem spielen sie miteinander ein Schachspiel, das auf dem Berg auf den jeweils nächsten Zug der hochfahrenden Frauen wartet. Gäbe es in der Welt dieses Films Handys, wäre das alles nicht nötig – wie schade das wäre.​

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Bei der Annäherung der beiden Frauen gelingen dem Film herzerwärmende Bilder (Kamera: Goga Devdariani), wenn die Frauen etwa eine der Gondeln weihnachtlich schmücken und dort feiern. Die Darstellerinnen Mathilde Irrmann und Nino Soselia sind ausdrucksstark, was bei der Dialogfreiheit des Films sehr willkommen ist – aber sie übertreiben es nicht, eine exaltierte Stummfilm-Mimik muss man nicht fürchten.​

Zu minimalistische Handlung?​

Und doch muss man sich ein wenig einlassen auf den Film, denn die Geschichte ist für seine 83 Minuten ein wenig zu luftig – vielleicht hätte sich da auch ein knackiger Kurzfilm von einer halben Stunde angeboten? Einlassen muss man sich auch auf die betonte Niedlichkeit des Ganzen – die Musik von Malcolm Arison und Sóley Stefánsdóttir erinnert mitunter an Yann Tiersens Untermalung von „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Das Ganze hat eine filmische Wohlfühligkeit, die je nach Geschmack sehr willkommen ist oder doch manchmal etwas zu lieblich wirkt. Kino- oder Lebens-Zyniker sollten sich den Film also nicht anschauen. Aber für die dreht Veit Helmer seine Filme auch nicht – sondern für Anhängerinnen und Anhänger einer großen Lebensromantik.​

Seit dem 7 März unter anderem im Saarbrücker Filmhaus und Samstag bis Montag, 9. bis 11. März,  in der Kinowerkstatt St. Ingbert.