Film und dieses & jenes

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Kinoperle: Die Schauburg in Karlsruhe

Besuch in einem außergewöhnlich schönen Kino: die Schauburg in Karlsruhe.
1929 wurde sie erbaut, im Zweiten Weltkrieg zerstört, 1949 neu aufgebaut. Seit 2005 findet hier das Todd-AO-70mm-Festival statt.
Das Kino hat drei Säle: das Schauburg-Cinerama mit gekrümmter Leinwand von 17 auf sieben Meter (350 Plätze), das Cinema (150 Plätze), siehe Foto, und  das Bambi (61 Plätze). Programm unter Schauburg – Das Filmtheater in Karlsruhe.

 

Wenn das Kino der Kindheit vor sich hin bröckelt

Die selige Videothek in der Bleichstraße

Ein Fundstück aus der VHS-Ära

 

Dux-Kino 68 – Das erste Heimkino aus der Kindheit

Bevor Jahre später der klobige Super-8-Projektor von Bauer ins Haus kam, war dies die erste Berührung mit Heimkino: das selige Dux-Kino 68 von der Firma Markes & Co. aus Lüdenscheid.  Der Filmbetrieb funktionierte per Kurbel, man konnte die Bilder an die Pseudo-Leinwand im Verpackungsdeckel strahlen – oder einfach vorne reinschauen. Dazu gab es (sehr kurze) Filme wie „Bugs Bunny und die Marsmenschen“ oder auch „Tweety in Nöten“.  Im alten Kinderzimmer liegt noch fast alles, nur das Herzstück ist verschwunden – der alte, batteriebetriebene Mini-Projektor.

Das erste Kino der Kindheit

 

Der Projektor Dux-Kino 68

Neulich beim Aufräumen gefunden.

 

Verpackung des Spielzeugs Dux-Kino 68

Vorne reinschauen – fertig ist das „Tageslicht-Kino“

Dux-Kino 68

Die Leinwand im Deckel.

 

Dux-Kino 68

Zwei Filme, die die Zeit überlebt haben.

„Raumpatrouille“ im Selbsttest – was sagt einem die „Orion“ heute?

Szene aus "Raumpatrouille" - Eva Pflug als Sicherheitsoffizierin Tamara Jagelosk Foto: Eurovideo / Bavaria

Eine Szene aus „Raumpatrouille“: Eva Pflug als Sicherheitsoffizierin Tamara Jagelovsk, die man als 13-Jähriger für eine ziemliche Spaßbremse halten konnte. Foto: Eurovideo / Bavaria

 

Die Serie „Raumpatrouille“ ist ein Klassiker des deutschen Fernsehens. Jetzt erscheint sie wunderbar restauriert neu fürs Heimkino. Grund genug für einen persönlichen Test: Wie ist das, den Helden der Kindheit viele Jahre später wieder zu begegnen? Ein freudiges Wiedersehen? Oder ein peinliches?​

Abspielen lässt sich das staubige Tonband wohl nicht mehr. Aber der lebenslange Platz im Regal ist gesichert, als nostalgische Perle: ein „Magnetophonband“ von BASF, mit (laut BASF) 540 Meter aufgerolltem braunen Band, in einer roten Papphülle zum Ausklappen; dort steht in meiner krakeligen Kinderschrift und nicht ganz fehlerfrei „Raumpatriulle“. („Raumpatrouille“ ist schließlich kein ganz einfaches Wort.) 44 Jahre alt müssen die Handschrift und das Artefakt sein, mit vom Fernseher aufgenommenem Ton, als die Serie im Juni/Juli 1979 wiederholt wurde.​

 

Das alte Tonband, mit dem ich einst die erste Folge aufgenommen habe - und danach wieder und wieder angehört.

Das alte Tonband, mit dem ich einst die erste Folge aufgenommen habe – und danach wieder und wieder angehört.

Jetzt, 57 Jahre nach ihrer Erstausstrahlung ab September 1966, sind die Abenteuer der „Orion“, eine Pioniertat des deutschen Fernsehens, technisch exzellent restauriert fürs Heimkino erschienen, wenn auch ohne neues Zusatzmaterial, und laufen am 19. Mai beim Sender ONE. Grund genug, sich die sieben Folgen in einem Rutsch noch einmal anzuschauen und zu grübeln: Wie ist das, eine Serie, die man als Kind geliebt hat, Jahrzehnte später im gesetzten Alter noch einmal zu sehen? Was gefällt einem besser als damals? Was wirkt heute merkwürdig? Was befremdet vielleicht?​

Die „Frogs“ lassen immer noch gruseln​

Konstant geblieben ist manches: der Charme von Peter Thomas’ schmissiger Musik mit futuristisch angeschrägtem BigBand-Sound. Die Spannung der meisten Folgen, der Grusel vor den lichterflirrenden „Frogs“, die den Planeten Erde erobern wollen. Und natürlich die Verehrung für den Helden des Ganzen, Cliff Allister  McLane, kernig gespielt von Dietmar Schönherr. Ein Mann mit dem Hang zur charmanten Großspurigkeit; in Krisensituationen schwitzt er schon mal oder schreit herum, manchmal überraschend eruptiv in der zweiten Hälfte eines ruhig begonnen Satzes.​

 

Zeitloses Design - und bitte keine Witze über Bügeleisen! Dietmar Schönherr als Commander McLane, Ursula Lillig als Helge Legrelle. Foto: Eurovideo / Bavaria

Zeitloses Design – und bitte keine Witze über Bügeleisen! Dietmar Schönherr als Commander McLane, Ursula Lillig als Helge Legrelle. Foto: Eurovideo / Bavaria

Mit seinem galaktischen Latein ist er bisweilen am Ende, während die Sicherheitsbeamtin Tamara Jagellovsk (Eva Pflug), die den manchmal rebellischen Raumfahrer an die Kandarre nehmen soll, ihm intellektuell je nach Situation überlegen ist. Als Kind hatte ich die Dame des Geheimdienstes als nervend empfunden, als perückentragende Handlungsbremse; heute ist das Verhältnis McLane/Jagellovsk sehr interessant und wirkt ziemlich progressiv – etwa im Vergleich zu einem anderen TV-Klassiker der Spätsechziger, „Der Kommissar“: Dort sagt der Chef-Ermittler zu seiner Gattin „Du bist dumm, aber lieb“. Hätte Jagellovsk sich das gefallen lassen? Keinesfalls.​

„Dieser Amazonen-Zirkus!“​

Bleiben wir bei den Geschlechtern: Die für präpubertäre Kinderaugen damals ödeste Episode, wegen fehlender Weltall-Action, entpuppt sich heute als eine der interessantesten: „Der Kampf um die Sonne“. Es herrscht auf Terra seit Monaten eine unnatürliche Hitze, die Pole schmelzen; ein Glück, dass die Menschen mittlerweile auch den Meeresboden als Wohnort erschlossen haben. McLane kommt dem Phänomen auf die Spur – hinter dem Klimawandel stecken Abtrünnige auf einem Planeten namens Chroma. Der wird von Frauen regiert, was den Commander spürbar verwirrt und ihn unter anderem „Ich will jetzt endlich den Chef sprechen“ schreien lässt oder auch „dieser Amazonen-Zirkus!“ und „Jetzt rede ich!“. Der weibliche Konter sitzt: „Werden Sie nicht nervös – rauchen Sie eine.“ Die oberste Matriarchatin bescheidet dem ratlosen Raumfahrer auf einem gigantischen Flokati, dass man nur auf Männer zurückgreife, „wenn wir Rechner und Tüftler brauchen“, aber „in punkto Vernunft halten wir nicht viel von ihnen“. Das ist schon ein gerüttelt Maß an Feminismus im Fernsehen des Jahres 1966 – der allerdings dadurch etwa relativiert wird, dass die Damen McLane am Ende als Praktikanten anwerben, denn man hätte es ja „mit der Betonung des Weiblichen“ etwas übertrieben.​

Die beiden „großen galaktischen Kriege“

Interessant ist, wie vor allem in dieser Episode sich die deutsche Vergangenheit in die Zukunftsserie hinein pirscht: Da ist von zwei großen „galaktischen Kriegen“ die Rede, in denen man sich, wie ein Politiker blumig sagt, „nicht, äh, ganz korrekt benommen“ habe. Das könnte der Grund sein, warum sich die feministische Gemeinschaft auf Chroma überhaupt erst gebildet hat und mit der historisch belasteten Erdbevölkerung nichts zu tun haben will. „Ein Kind böser Eltern hat nur die Chance zu gedeihen“, sagt die oberste Matriarchin, „wenn es sich unabhängig von diesen Eltern entwickelt“. Oha. Was mag sich Darsteller Schönherr bei diesen Sätzen gedacht haben, die auch seine Biografie berührten? War er doch Generalssohn, nach eigenen Angaben „faschistisch erzogen“ worden – und später ebenso in der Friedensbewegung aktiv wie bei der Unterstützung Nicaraguas, dabei auch von „Buße“ sprach. Das sind Bezüge, über die man heute nachgrübeln kann, nicht zuletzt, wenn eine Folge schwächelt und einem Zeit zum Nachdenken schenkt: „Deserteure“, über Hypnose- beziehungsweise „Telenose“-Attacken der bösen „Frogs“. Damals ein großer Grusel, heute ein großer Schnarcher.​

 

ReferenzwerK: Josef Hilgers mittlerweile ziemlich rares Buch zur Serie. Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Referenzwerk: Josef Hilgers mittlerweile ziemlich rares Buch zur Serie. Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Immer noch ein Vergnügen, von gestern und zeitlos zugleich, ist das Design: Was Rolf Zehetbauer, der 1973 einen Oscar für „Cabaret“ erhielt, hier aus Stahl, Beton, Glas, geschwungenen Plastikformen, Plexiglas, Bleistiftspitzern und glänzenden Duschköpfen zusammenzauberte, hat nach wie vor Stil und Atmosphäre. Natürlich – an einer Requisite kommt man nicht vorbei, wird sie doch gerne von ironischen filmischen Erbsenzählen erwähnt: jener Bügeleisengriff in einem Kommandopult. Wer sich da beömmelt und eventuell noch „kultig“ sagt, sollte über diese Lästerung mal in Ruhe nachdenken – warum nicht gleich in der galaktischen Sträflingskolonie Mura aus der Folge „Die Raumfalle“? Die ist eine der spannendsten Episoden mit einem wunderbar bösartigen Wolfgang Büttner, heute wohl vergessen, damals ein großer Bühnendarsteller.​

„Unglaaaaaaaublich!“​

Überhaupt: die Mimen und ihre manchmal kollidierenden Schauspielstile! Als Kind war einem das unwichtig, aber heute ist es schon interessant, wie einige Darsteller sehr modern und lässig spielen, andere wie in einem anderen Jahrhundert. Da ist nicht zuletzt der lässige Friedrich Joloff als Geheimdienstchef Oberst Villa, ein Mann der wunderbar sonoren Stimme und eines schlangengleichen Charmes. Und da ist, als schnarrender Oberbefehlshaber, Franz Schafheitlin, der Sätze wie „Das ist ja unglaaauuublich!“ deklamiert, als müssten sie im Stadttheater noch die letzte Sesselreihe erreichen.

 

Schafheitlin war in der NS-Zeit in den berüchtigsten Propagandafilmen zwischen „Ich klage an“ und „Kolberg“ zu sehen, was irgendwie gut passt in diese Serie – bei der geht es in Zukunftskulissen eben auch sehr gegenwärtig um Krieg, Militär, Geheimdienste und um eine Waffe namens „Overkill“ von atomarer Zerstörungskraft. Da erzählt „Raumpatrouille“ einiges von deutscher Vergangenheit und auch der Gegenwart der 1960er Jahre. Es gibt trotz seines Alters in diesem Universum also überraschend viel Neues zu entdecken – oder, wie es zu Beginn jeder Episode so schön heißt: „am Rande der Unendlichkeit“.​

„Raumpatrouille“ ist bei Eurovideo erschienen: auf DVD, Bluray und 4K UHD.

Informationen zu den Extras.

Zu sehen beim Sender One: 19. Mai, ab 13.20 Uhr laufen alle sieben Folgen.

 

Fantastisch restauriert - die "Raumpatrouille" als neue Heimkino-Edition. Foto: Eurovideo / Bavaria

Fantastisch restauriert – die „Raumpatrouille“ als neue Heimkino-Edition. Foto: Eurovideo / Bavaria

 

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Preziosen aus der saarländischen Kinogeschichte - Autogrammkarten von Stars, die hier mal vorbei schauten. Foto: WP Films

Preziosen aus der saarländischen Kinogeschichte – Autogrammkarten von Stars, die hier mal vorbei schauten. Foto: WP Films

 

Wie klingen 100 Kinoklappstühle, die zugleich hochknallen – verbunden mit ein paar Schreckensschreien? Es muss ziemlich laut gewesen sein. Joseph Feilen kann sich noch bestens erinnern. Vor fast 50 Jahren war das, als der „Weiße Hai“ sich durch die deutschen Kinos fraß und das Publikum kollektiv aus den Sitzen springen ließ. „Das gibt es nur im Kino“, sagt der Filmfan in der Doku „Heimat Saarland – Unsere Kinogeschichten“.

Magie des Kinos beschwören

Der Homburger Regisseur Thomas Scherer („Unter Tannen“) und Klaus Ebert wollen mit ihrem halbstündigen Film zweierlei: einmal die Magie des Kinos beschwören und zugleich einen Blick werfen auf die Kinogeschichte des Saarlandes. 2022 hatten sie eine Doku über die Historie der Lichtspiele Wadern gedreht („Heimat Kino“) und da sozusagen die cineastische Spur aufgenommen. Scherer startete vor einem Jahr einen saarlandweiten Aufruf nach Erinnerungen an Kino-Erlebnisse. Groß war die Resonanz, die Saarland-Medien sagte Förderung zu, an acht Drehtagen führte er Interviews mit Experten, Kinofans und -betreibern, filmte in Kinos des Saarlandes.

So war es beim Günter Rohrbach Filmpreis in Neunkirchen

Eingebettet sind die Erinnerungen in eine Rahmenhandlung: Ein Klempner (Klaus Ebert) stolpert beim Saubermachen im Hinterzimmer eines Kinos über eine Filmrolle. Die ist unbeschriftet und so mysteriös wie eine aus dem Nichts auftauchende Dame (Katrin Larissa Kasper), die ihn auf die Suche schickt nach einem Projektor für die 35-Millimeter-Rolle. Erste Stationen sind das Union-Theater in Illingen und das Saarbrücker Kino Achteinhalb, in dem man einigen Zeitzeugen lauschen kann – nicht zuletzt einer Veteranin, um nicht zu sagen der großen alten Dame des saarländischen Kinos: Inge Theis, die mit ihrem Mann Günter Theis Filmtheater in Völklingen und in Saarbrücken betrieb, darunter die selige Camera an der Berliner Promenade. Im Film erinnert sie sich unter anderem an „das Geschäft ihres Lebens“, weder mit „Star Wars“ noch James Bond, sondern mit Ingmar Bergmans Drama „Das Schweigen“ von 1963. Dessen Erfolg führt Kinofan Feilen – da müssen Anhänger des schwedischen Meisterregisseurs stark sein – vor allem darauf zurück, „dass da jemand nackig zu sehen war“.

Erste Vorführungen ab 1896

Paul Burgard vom Saarländischen Landesarchiv und Kulturhistoriker Clemens Zimmermann erklären, wie schnell die Kinolandschaft im Saarland wuchs, schon ab Oktober 1896 flimmerten hier Filme, wenn auch nicht in Kinos, sondern in Gastwirtschaften, mit mobilen „Kinematografen“. In den Jahrzehnten danach folgten viele Kinobauten, die vor allem 1943/44 zerstört wurden. Nach dem Krieg hat sich die Filmtheaterlandschaft schnell wieder erholt, für Burgard „fast ein Husarenstück“; Kulturwissenschaftlerin Aline Maldener erwähnt die Praxis der französischen Nachkriegsverwaltung, viel gallische Filmware in den Kinos unterzubringen.

Eine Filmrolle ist „25 Kilo Glück“

In die Vorführpraxis geht es mit Kameramann und Regisseur Klaus Peter Weber, der in seinem gemütlichen Saarbrücker Eigenbau-Kellerkino im Keller von der Zeit erzählt, als er im Saarbrücker UT-Kino als junger Vorführer mit den komplexen Projektoren hantierte. Eine Filmrolle bedeute zwar „25 Kilo Glück“, sagt Weber, damals sei das Material aber noch buchstäblich brandgefährlich gewesen.

Der spätere Kameramann Klaus Peter Weber, damals 17 Jahre alt, vor seinem Streichholzmodell der „Brücke am Kwai“, das zum Filmstart im Saarbrücker Union-Theater ausgestellt wurde.

Auch eine Kinogeschichte: Der spätere Kameramann Klaus Peter Weber, damals 17 Jahre alt, vor seinem Streichholzmodell der „Brücke am Kwai“, das zum Filmstart im Saarbrücker Union-Theater ausgestellt wurde.​ Das Foto findet sich auch im famosen Buch „Filmrausch – Das Kinowunder im Saarland“. Foto: Klaus Peter Weber

 

Auch Kinobetreiber erzählen – Claudia Ziegler und Robert Haas von den Haas Filmtheater-Betrieben, Ingrid Kraus und Waldemar Spallek vom Kino Achteinhalb, das einst als Nebenraum in der Alten Feuerwache begann, Michael Krane und Anne Reitze von der Camera Zwo; sie alle machen deutlich, wie schön der Beruf sein kann – und wie schwierig. Zwei Kinos auf dem Land, die sich kommerziell nicht mehr trugen, wurden von rührigen Filmfans gerettet, die sie in Vereinsform weiterführen: die Lichtspiele Wadern und die Lichtspiele Losheim.

Hans Albers war zu Besuch

Das Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Festival wird thematisch angeschnitten, auch der Neunkircher Günter Rohrbach Filmpreis; in der Kürze der Laufzeit kann es da nicht in die Tiefe gehen, aber man erfährt viel über das Kino im Saarland – auch durch das illustrierende Fotomaterial, das teilweise aus dem Buch „Filmrausch – Das Kinowunder im Saarland“ stammt, herausgegeben von Gabi Hartmann, Burgard und Weber, die im Film dabei sein. Die betagten Bilder beschwören eine Zeit herauf, in dem die Filmtheaterdichte hier deutlich höher war, wo Stars wie Hans Albers, Marianne Koch oder Gustav Knuth zu Premierenbesuch kamen, und wo ein erotisch unterfütterter Klamauk wie „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“ 1968 seine Welturaufführung in Saarbrücken erlebte.

Diese halbe Stunde Film ist sehr schnell vorbei, am Ende wird auch das Rätsel der Filmrolle gelöst; man kann sich problemlos eine doppelte Laufzeit ohne Längen vorstellen – vielleicht kann man auf eine erweiterte Version hoffen, genug Material ist bei den Interviews sicherlich angefallen. Regisseur Scherer hofft derweil, dass „Heimat Saarland – Unsere Kinogeschichten“ der Auftakt sein könnte zu Dokus über weitere Themenschwerpunkte – der Filmemacher will „mit Zeitzeugen sprechen und saarländische Schätze festhalten, bevor niemand mehr da ist, um diese Geschichten zu erzählen“.

Infos unter www.wp-films.de

Serie „Die Journalistin“ mit Marianne Koch: „Frauen im Beruf sind unnötig ehrgeizig“

Die Journalistin Marianne Koch Horst Frank Pidax

Marianne Koch in „Die Journalistin“. Foto: Pidax

 

„Eigene Gedanken? Wenn ich das schon höre – die Leute wollen Popos und Busen sehen.“ So rustikal argumentiert ein wohl ziemlich desillusionierter Journalist  bei einer Redaktions-Konferenz in der Serie „Die Journalistin“. Der 13-Teiler, auf DVD nun von der Riegelsberger Firma Pidax herausgebracht, ist schon 41 Jahre alt – die Diskussion, was Leserin und Leserin wirklich wollen, wird aber heute aber ebenso intensiv geführt wie 1970. Die Titelfigur der Serie glaubt jedenfalls an ein Interesse der Leserschaft jenseits von Sex & Crime – Renate Albrecht (gespielt von Marianne Koch) arbeitet beim fiktiven Hamburger Magazin „Prisma“, ihre Reportagen sind Thema der 13 Episoden, die Georg Tressler („Die Halbstarken“, „Tatort“) inszeniert hat.

Frühe Minirolle von Westernhagen

Um einen alten Herren geht es etwa, der zu Unrecht, aber ohne es zu wissen, jahrelang zu viel Rente bezogen hat und nun 13 000 Mark zurückzahlen soll – mit einer Rente von 350 Mark im Monat. Eine andere Reportage führt die Schreiberin nach Amsterdam, wo ein Popsänger im Blümchenhemd und mit maskulinen Kräusel-Koteletten in tiefer Sinnkrise versinkt; selbst im Urlaub hat die Journalistin keine Freizeit, kommt sie unter südlicher Sonne doch zwei Trickbetrügern auf die Spur. Weniger glamourös ist es in Wanne-Eickel, wo die Schreiberin – in einer der originellsten Folgen – den Auswirkungen eines Lottogewinns nachspürt: Angesichts von 240 000 Mark und des damit verbundenen Neids bröckeln Familienbeziehungen und Freundschaften. In einer Nebenrolle als gitarrespielenden Ruhrpottler mit buschigem Haarschopf kann man einen sehr jungen Marius Müller-Westernhagen sehen.

 

Die Journalistin Pidax Siegfried Rauch Nürburgring

Mit Siegfried Rauch auf dem Nürburgring. Foto: Pidax

Nicht jede Episode, musikalisch umschmeichelt von einem wohligen Titelthema von Martin Böttcher („Winnetou“), spannt einen großen Spannungsbogen – reizvoll aber sind selbst die gemächlicheren Folgen, weil die Serie viel nostalgische Atmosphäre versprüht: Keine tut dies mehr als „Der erste Sonntag im August“, die beim Rennen auf dem Nürburgring spielt. Dort will die Journalistin etwas über einen schneidigen Nachwuchsrennfahrer schreiben; einen straffen Plot besitzt diese Folge nicht, dafür aber eine nahezu dokumentarische Anmutung: Es scheint, das Filmteam hat sich mit den Darstellern (darunter Siegfried Rauch, der kurz darauf auch im Steve-McQueen-Film „Le Mans“ als Rennfahrer auftrat) einfach in den Rennställen niedergelassen und dort die Kamera laufen lassen. Das Ergebnis ist ein interessantes Zeitdokument.

Guter Oldie „Polizeiaktion Dynamit“

Den roten Faden durch die Episoden knüpft das Verhältnis der Journalistin zu einem Star-Fotografen, der ihr mehr oder weniger aufgezwungen wird. Den spielt der raubeinige Horst Frank als harten Hund mit weicher Seite, der netter ist, als seine Großspurigkeit vermuten lässt. Erst knirscht es laut zwischen den beiden, sind sie im Blick auf die Emanzipation doch nicht ganz auf Augenhöhe. „Frauen im Beruf sind unnötig ehrgeizig“, stellt der Fotograf fest und ist mit seiner Sicht nicht allein. Der Chefredakteur etwa stellt seine Sekretärin so vor: „Gisela, meine rechte Hand. Hochempfindlich, aber zuverlässig wie eine Dampfwalze.“ Charmant. Und der Verleger rät dem Fotografen: „Sagen Sie bloß nicht, Sie arbeiten nicht mit Frauen – sie ist als Journalistin nämlich so gut, wie sie hübsch ist.“ Beides wird dem Fotografen im Laufe der Serie immer klarer, und auch die Journalistin blickt irgendwann hinter die glatte Macho-Fassade. Wie die Annäherung ausgeht, kann man sich ausmalen, ohne zu viel Fantasie zu bemühen. Doch vor dem Glück steht noch ein finaler Streit um Rebellion und Bürgerlichkeit – die Journalistin will vom Fotografen mit Bohemien-Gestus nicht spießig genannt werden, „nur weil ich nicht Mao schreie und Hasch rauche“. Verständlich.

Erschienen bei Pidax.
13 dreiviertelstündige Folgen auf 4 DVDs.
www.pidax-film.de

 

„Flying Clipper“: Fernweh in 70 Millimeter

Fernweh in 70 Millimeter: Der alte Reisefilm "Flying Clipper"

 

Was für ein Zeitdokument – und was für Farben! Das Blau des Meeres leuchtet, das Weiß des Segelschiffs strahlt, und angesichts des knalligen Rots eines Rennwagens in Monaco möchte man zur Sonnenbrille greifen. „Flying Clipper“ ist ein Dokumentarfilm aus dem Jahr 1962, der auch mit 55 Jahren noch spektakulär ist: Zwei Regisseure und vier Kameramänner haben mit eigens konstruierten 70-Millimeter-Kameras die Reise eines schwedischen Schulschiffs begleitet, von der Nordsee bis zum Nil.

Besuch bei der Firma Pidax – Nostalgie als Programm

Zweieinhalb Stunden dauert dieser Film (mit Ouvertüre und Pausenmusik!), der jetzt fürs Heimkino erscheint und eine Entdeckung ist: Weil die Bilder durch das hochauflösende Filmformat kristallklar wirken, aber vor allem durch den Zeitgeist, der den Film durchweht. Der Massentourismus lag in weiter Ferne, Erzähler Hans Clarin beschwört weihevoll „die Sehnsucht nach dem Süden“, nach Rhodos, Capri und den Pyramiden, „aber für viele Menschen wird diese Sehnsucht lebenslang ein Traum bleiben“. Es gab eben noch keine Billigflieger.

„Beirut, das Paris des nahen Ostens“

Keine Darsteller im strengen Sinne gibt es, man verfolgt die Arbeit der Matrosen und des Kapitäns, sie „segeln hart am Wind“, wie Clarin intoniert, und gemeinsam erreicht man unter anderem Nazaré, Barcelona, „Beirut, das Paris des nahen Ostens“, „den Libanon mit seinen Zedern“ und auch Afrika, „den schwarzen Erdteil“. Da fühlt man sich als Zuschauer bisweilen wie ein Entdecker, der als erster den Fuß auf fremde Kontinente setzt. Manchmal hat der Film seine Längen, aber immer wieder gelingen fantastische Bilder: etwa die Starts von Maschinen auf einem US-Flugzeugträger und die Aufnahmen vom Straßenrennen in Monaco. Am Ende, im Heimathafen, wird Erzähler Clarin melancholisch; die Welt sei so hektisch geworden, dass solche Segelschiffe wie die „Flying Clipper“ von gestern seien. Da will man sich seinem finalen weihevollen Wunsch vollen Herzens anschließen: „Möge sie bestehen bleiben, die edle Seefahrt unter weißen Segeln.“

Bonus:

Interviews mit Jürgen Brückner, Kameramann und Verleiher (30 Min.), Herbert Born, Inhaber des Schauburg-Kinos in Karlsruhe (11 Minuten) und Marcus Vetter, Theaterleiter und Vorführer in der Schauburg (14 Minuten).

Aushangfotos

Trailer

Erschienen bei Busch Media Group.

 

Wenn das Kino der Kindheit vor sich hin bröckelt

Kino der der Kindheit Nostalgie St. Wendel Central-Theater

Das erste Kino – man vergisst es nie. Da mögen die späteren Filmtheater größer sein, mit perfekter Technik und Leinwand in Fußballplatzgröße protzen, doch nichts kommt mehr heran an die ersten Besuche im Filmtheater – in meinem Fall das Central Theater in der St. Wendeler Brühlstraße, an der Blies gelegen. Schon zu meinen ersten Besuchen, Mitte der 70er, versprühte das Kino den Charme von gestern, schließlich war es ein Kind der Nachkriegszeit, 1946 eröffnet. Sessel würde man die hölzerne Bestuhlung wohl heute nicht mehr nennen – allzu herzhaft schepperten die Sitze per Feder beim Aufstehen nach hinten. Aber es waren magische Momente im Central Theater, meist im Parkett. Denn der so genannte „Sperrsitz“ im hinteren Drittel kostete eine Mark mehr, und der Balkon wurde gemieden, um Taschengeld zu sparen. Ein laut tönender Gong kündigte Filme wie das „Dschungelbuch“ an, mit Louis dem Affenkönig und dem tot geglaubten Bär Balu, der regungslos im Dschungelregen lag. Immer sonntags um 16 Uhr liefen bunte Kinderfilme, die sich vor allem aus der japanischen „Godzilla“-Schmiede rekrutierten. Und im Sommer war das Kinoglück perfekt: Ein gelbrotes Plakat kündete vom „Sommer-Filmfestival“: Jeden Tag lief ein anderer Klassiker, ein buntes Programm zwischen „Papillon“ und dem „Weißen Hai“, der einem den Besuch im St. Wendeler Freibad für einige Tage vergällen konnte. Und nicht zuletzt die Bond-Filme kamen dazu.

Freundlich waren die Kinobetreiber. Wenn man sich die Zeiten in den Schaukästen nicht gründlich ansah und deshalb in den falschen Film marschierte – „Godzilla“ mit Gummimonstern statt „Jeder Kopf hat seinen Preis“ mit Steve McQueen – und das erst 20 Minuten nach Filmbeginn bemerkt hatte, konnte man die Kinokarte später nocheinmal für Herrn McQueens Abenteuer verwenden. Im Freundeskreis sagenumwoben war die Herrentoilette, rechts neben der Leinwand die Treppe hinunter. Von dort aus, so munkelten wir, gäbe es einen direkten Zugang zur Blies, mit besonderem Mut könne man sich also kostenlos ins Kino schleichen. Ausprobiert hat das von uns aber niemand. Und heute geht das nicht mehr – 1998, ein halbes Jahrhundert nach der Eröffnung, hat das Central-Theater geschlossen. Die alten Schaukästen sind noch da, aber alles andere bröckelt.

 

Kino der der Kindheit Nostalgie St. Wendel Central-Theater

 

Kino der der Kindheit Nostalgie St. Wendel Central-Theater

Kino der der Kindheit Nostalgie St. Wendel Central-Theater

Kino der der Kindheit Nostalgie St. Wendel Central-Theater

Kino der der Kindheit Nostalgie St. Wendel Central-Theater

 

Nett und neu auf Blu-ray: „Der scharlachrote Pirat“

 

Robert Shaw

 

Gänzlich abgesoffen ist er ja nicht, der gute alte Piratenfilm – aber gäbe es Johnny Depp und die „Fluch der Karibik“-Reihe nicht, würde kein Freibeuter mehr über die Leinwand segeln. Nach den goldenen Zeiten von Errol Flynn oder dem „Roten Korsar“ versuchten Studios immer wieder, das Genre wiederzubeleben – fast immer vergeblich, manchmal spektakulär scheiternd: 1996 etwa versenkte „Die Piratenbraut“, satte 100 Millionen Dollar teuer, nur eines: ihr Filmstudio Carolco.
Einen vergeblichen, dennoch sehenswerten Wiederbelebungsversuch unternahm Hollywood 1976 mit „Der scharlachrote Pirat“, als DVD lange vergriffen und nun erstmals in brillantem HD auf Blu-ray zu sehen. Der Film ist ein Vehikel für den 70er-Jahre-Star Robert Shaw („Der Clou“, „Der weiße Hai“). Die Geschichte ist dünn: Ein Pirat (Shaw) fechtet einen sadistischen Südsee-Tyrannen ins Jenseits. Die Ausführung aber ist prächtig: Breitwandformat und bunte Bilder, die die tiefblaue See und den roten Einteiler des Piraten geradezu erstrahlen lassen.

Robert Shaw

 

Auffällig müht sich der Film, den naiven Abenteuergeist der alten Filme neu zu entfachen. Fast jeder Satz wird mit Impetus geschmettert, begleitet von mannhaftem „hahahaaa!“ und den Zusätzen „mein verrückter Freund“ oder „Du Schurke!“. Ein bunter Spaß von gestern, dessen Nostalgie sich sogar noch steigern lässt: Die Blu-ray enthält auch eine gekürzte Schmalfilmversion aus den 80ern, als Super-8 noch die Krönung der Heimkinotechnik war.

Erschienen bei Koch Media.

 

Robert Shaw

 

Robert Shaw

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