Film und dieses & jenes

Schlagwort: Science-Fiction

„Atlas“ mit Jennifer Lopez – Netflix, Künstliche Intelligenz und wenig Hirn

Jennifer Lopez als und in "Atlas". Foto: Netflix

Jennifer Lopez als und in „Atlas“. Foto: Netflix

Oje. Das Originellste in diesem Film ist ein schöner Name im Abspann: Ein Produktionsmanager heißt „Samson Mücke“. Aber bevor man den Abspann erreicht, verbringt man zwei Stunden mit einem merkwürdig mittelmäßigen Film: „Atlas“ ist weder spannend noch völlig langweilig, sichtlich aufwändig, dabei aber optisch wenig originell – irgendwie hat man alles schon mal gesehen. Um Künstliche Intelligenz geht es – und wäre es nicht selber schon als Kritik-Klischee so abgegriffen, könnte man einwenden, dass der Film vielleicht interessanter geworden wäre, hätte man KI herangelassen. (Oder man tat es, was angesichts des Ergebnisses dann aber ziemlich enttäuschend wäre.)

KI-Schurke „Harlan“

Hektische, drastische Nachrichtenbilder klären uns zu Beginn auf, dass es mit der Welt nicht zum Besten steht. Die KI der Welt rebelliert gegen den Menschen, humanoide Robot-Gestalten greifen zu den Waffen, Millionen wirkliche Menschen sterben, bis sich eine „International Coalition of Nations“ (ICN) gründet und dagegenhält. Der Oberkopf der KI flieht auf einen fernen Planeten und verkündet aus dem Exil eine pathetische Botschaft, die nahelegt, dass er zu viele schlechte Drehbücher gespeichert hat: „Ich werde zurückkommen, um das zu vollenden, was ich angefangen habe. Das ist der einzige Weg.“ Der Name des überbösen KI-Bosses ist „Harlan“ – ob die Drehbuchautoren dabei an den berüchtigten NS-Filmregisseur Veith Harlan dachten, ist unwahrscheinlich, wäre aber eine originelle Idee.

Ohne Espresso geht es nicht

Flugs springt der Film von Brad Peyton („San Andreas“, „Rampage“) 28 Jahre weiter und stellt seine Haupt- und Titelfigur vor: Atlas (Jennifer Lopez), eine Analystin der ICN mit meist schlechter Laune, vor allem, wenn sie nicht ihre vierfache Morgendosis Espresso bekommt. Damit man weiß, wie intelligent Atlas ist, lässt der Film sie zumindest anfangs Brille tragen (wie Wissenschaftlerinnen in SF-Filmen der 1950er Jahre) und einen Schachcomputer im Vorbeigehen mattsetzen. Ihre Lebensmission ist der Kampf gegen die KI, was biografische Gründe hat, die im Laufe des Films recht tränenselig  aufgeblättert werden. Einem gefangenen KI-Roboter entlockt sie das Geheimnis, auf welchem Planeten sich Harlan versteckt. Ein Kriegsschiff macht sich auf ins All, Atlas ist als Zivilistin dabei und verteilt den militärischen Kolleginnen und Kollegen Informationen per Papierausdruck – im 24. Jahrhundert eher ungewöhnlich, aber Atlas misstraut der digitalen Vernetzung und setzt aufs Analoge.

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Nach einer Raumschlacht, so rasant wie unübersichtlich, die eher wie ein PC-Spiel denn eine Spielfilmsequenz ausschaut, ist Atlas die letzte Hoffnung der Menschheit; über die Oberfläche des fernen Planeten stapft sie in einem Ganzkörper-Roboteranzug, mitbedient von einer Künstlichen Intelligenz. Die bittet Atlas, sich mit ihr mental zu verschmelzen (in Form eines Art Ohrhörers), um eine unschlagbare Mensch-Maschine-Kombination zu werden. Aber Atlas weigert sich. Erstmal.

Das Analoge gegen das Digitale

Das ist der Grundplot  – Mensch contra Maschine, das Analoge gegen das Digitale, wahre Gefühle gegen Pseudo-Emotionen aus dem Rechner. Ein ziemlich drängendes und aktuelles Thema. Doch „Atlas“ macht überraschend wenig daraus. Die interessante Frage, ob die menschliche DNA auch nicht mehr ist als ein Code aus dem PC und ob wir damit auch nicht komplexer (oder freier) sind als ein schnöder Rechner, wird mal angesprochen, aber halbherzig. Zu komplex soll es wohl nicht werden in diesem Star-Vehikel für Jennifer Lopez, in dem sie die lange Zeit in einem Robot-Panzer sitzt, mit einer KI namens „Smith“ spricht oder sich von der Maschine ein gebrochenes Bein richten lässt (eine so originelle wie ruppige Szene). Diese Momente sind die besten des Films, während ansonsten bunte Langeweile dominiert. Erstaunlich ist, mit wie wenig Fantasie man an die Darstellung von KI herangeht: Der Bösewicht, die Ober-Intelligenz, hat sich auf dem Fluchtplaneten eine Welt zusammengebaut, die von außen wie ein Einkaufszentrum ausschaut, und schmiedet einen Plan wie ein Bösewicht bei James Bond in den späten 1970ern: Er will die Welt vernichten und Mutter Erde neu beginnen lassen – denn der Mensch, da hat Harlan ja nicht Unrecht, sei durch ihre Kriege und Umweltzerstörung eine zu große Bedrohung. Das Ende der Welt kann Atlas nicht zulassen, und so steuert der Film in ein Actionfinale, in dem sogar so etwas wie ein „Star Wars“-Lichtschwert zum Einsatz kommt. Das kann man nun „Hommage“ nennen – oder auch den Gipfel der Einfallslosigkeit.

Wie steht der Film zum Thema KI? Die Figur Atlas gibt sich ja lange skeptisch und abweisend, aber letztendlich unterscheidet der Film zwischen böser KI (interessanterweise verkörpert von einem Darsteller mit asiatischem Antlitz) und guter KI. Die findet sich unter anderem in amerikanischen Kriegsgerät, sehr zur Freude von Atlas, die am Ende nicht nur die familiären Traumata besiegt hat, sondern auch ein karrierechnisches: Denn zwar ist sie Analystin, aber eigentlich wollte sie doch immer zum Militär. Da wird der Film ideologisch durchaus gruselig.

„Atlas“ kann man bei Netflix sehen, muss man aber nicht. 

Dreharbeiten zum Film „[T]oxygen“

Dara Lalo als Gal in einer Szene des Films "[T]oxygen", der im Weltkulturerbe Völklinger Hütte entsteht.

Dara Lalo als Gal in einer Szene des Films „[T]oxygen“, der im Weltkulturerbe Völklinger Hütte entsteht. Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Dreharbeiten im Weltkulturerbe Völklinger Hütte: Hier entsteht der Film „[T]oxygen“ über eine Welt, in der die Luft zum Atmen knapp wird.

Im nebligen Halbdunkel geht ein wenig die Sonne auf. „Gekauft! Danke!“, ruft Regisseur John Never erleichtert und sieht ziemlich glücklich aus. Vor zwei Monitoren sitzt er, in einem dunklen Gang der Völklinger Hütte, neben ihm Ko-Regisseurin Sabrina Döpp. Auf dem Bildschirm schauen sie sich an, was ein paar Meter weiter gefilmt wird: Maskierte Menschen mit klobigen Tornistern auf dem Rücken traben durch die Brennerbühne in der Sinteranlage, diffus ist das Licht, man riecht die alten Anlagen. Die Kamera von Vincent Schulist zieht in tiefer Position an den Menschen vorbei – was man auf den Monitoren sieht, ist beeindruckend: düster und atmosphärisch, als hätten sich die Filme „Blade Runner“, „Dark City“ und „Metropolis“ in Völklingen getroffen.​

Eigens ein „Nebelbeauftrager“ ist dabei​

„[T]oxygen“ heißt der Kurzfilm, der hier entsteht und eine knappe halbe Stunde lang werden soll. Es ist der dritte Drehtag von neun, erst einmal – und zugleich der aufwändigste, mit 20 kostümierten Komparsen, 50 Teammitgliedern und, wie Produzent Lukas Weishaar erzählt, einem offiziellen „Nebelbeauftragen“. Der Film führt in eine erschreckende Welt der Zukunft, in der sogar die Luft knapp wird. Damit die Menschen im Smog ihrer von Industrieanlagen zugewachsenen Welt nicht ersticken, gibt es noch ein paar Fabriken mehr; in denen wird die verrußte Luft gefiltert und wieder atembar gemacht. Der Lohn für die Arbeiterinnen und Arbeiter in diesen Sauerstoff-Kläranlagen: Luft zum Überleben.​

 

Gruppenbild mit Team, Statistinnen und Statisten bei den Dreharbeiten von "[T]oxygen". Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Gruppenbild mit Team, Statistinnen und Statisten.     Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Regisseur Never, Mediengestalter und Künstler, studiert „Media Art & Design“ an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK); er hat das Drehbuch geschrieben, kümmert sich um das Sounddesign und komponiert die Musik. Erste Eindrücke, auch einen filmischen Teaser, gibt es auf der Internetseite des Films, der unter dem Dach der HBK entsteht, aber doch um einiges aufwändiger ist als ein klassischer Hochschulfilm. Die Saarland Medien fördern mit 8000 Euro, die Hochschule Offenburg ist beteiligt, auch das Technik Museum Sinsheim unterstützt.​

 

Multitasking: Regisseur/Autor/Komponist John Never mit dem Heißkleber an einer Requisite. Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Multitasking: Regisseur/Autor/Komponist John Never mit dem Heißkleber an einer Requisite. Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Zudem haben die rührigen Filmemacher um Never und Co-Regisseurin Döpp, die an der HBK diplomiert hat, 5265 Euro per Crowdfunding angeworben, um das ambitionierte Projekt zu stemmen, das ohne eine gewisse Selbstausbeutung nicht möglich wäre. Jeder hier arbeitet auf Rückstellung, Geld gibt es keins zu verdienen – möglich ist das höchstens, wenn sich der Traum einer Fortführung erfüllen würde. Zwar sei „[T]oxygen“ in sich abgeschlossen, könnte zugleich aber auch der Beginn einer seriellen Erzählung sein, sagt Döpp. Also Stoff eventuell für einen Streaming-Anbieter oder TV-Sender? Alle hoffen es.​

 

Ko-Regisseurin Sandra Döpp. Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Ko-Regisseurin Sandra Döpp. Foto: Moritz Reitmann / [T]oxygen

Stahl aus Styropor​

Derweil schaut Ralf Beil in der Halle vorbei, Direktor des Weltkulturerbes, und ist sichtlich angetan von dem, was hier passiert. In der Mitte des Raums steht das Modell der Völklinger Hütte, ist nun aber abgedeckt von scheinbaren Eisenplatten. Doch die klingen beim Draufklopfen weniger massiv denn merkwürdig schmalbrüstig – kein Wunder, es sind Styroporplatten der Filmkulisse. Auf denen liegen Requisiten, die einen gewissen Retrofuturismus ausstrahlen. Die klobigen Bohrmaschinen und blinkenden Messgeräte wirken, als kämen sie aus der Zukunft und der Ära der industriellen Revolution zugleich.​

Von links: Set Designer und Executive Producer Martin Lambrecht, Regisseur/Autor John Never und Produzent Patrick Müller. Foto: tok

Von links: Set Designer und Executive Producer Martin Lambrecht, Regisseur/Autor John Never und Produzent Patrick Müller. Foto: tok

Der Nebel über der Brennerbühne lichtet sich langsam; die Komparsen traben an die frische Luft für ein Erinnerungsfoto, vorbei an einem kleinen Berg Schnittchen und einer Sauerstofftornister-Requisite, die an einer Wand lehnt; fünf Kilo schwer und mit einem blinkenden Display, das Regisseur Never selbst „gestaltet und zusammengelötet“ hat, wie er sagt.​

Kulissen in der Handwerkergasse​

Zeit für eine kurze Mittagspause und ein paar Schritte weiter in Richtung Handwerkergasse auf dem Hüttengelände. An einer Tür klebt ein Blatt Papier mit dem Hinweis „[T]oxygen Base“, neben einem Schild, das vermutlich mit dem Film nichts zu tun hat: „Bitte Pferde nicht füttern und anfassen.“ Hier in der Gasse ist unter anderem eine Kulisse des Films aufgebaut: Eine karge Schlafkammer mit minimal verputzten Backsteinwänden, einem staubigen Plattenspieler, Bücherregal und einem Bett, dem man den ein oder anderen Floh zutrauen würde. Eine kunstvoll abgewohnte Kulisse, gebaut von Martin Lambrecht, zuständig für Set Design, zugleich einer der Produzenten. Multitasking eben.​

Im Kulissenzimmer nebenan steht ein staubiges Keyboard mit allerlei kleinen Anbauten auf einer Werkbank. Hier lebt im Film die Hauptfigur Gal (gespielt von Dara Lalo), ein Arbeiter in einer Fabrik für Energiegewinnung und Luftfilterung. Sein Vater ist bei ihm, auf den Rollstuhl angewiesen und ohne Unterstützung – in dieser Zukunftswelt gibt es ebenso wenig frische Luft wie Sozialsysteme. Der Vater wird im Film auf der staubigen E-Orgel spielen, für ihn und den Sohn „eine Zuflucht aus der Einförmigkeit der Fabrik und der Welt“, wie Never sagt. Durch einen Zwischenfall in der Fabrik wird sich die Situation für Vater und Sohn weiter zuspitzen.​

Hoffen auf Festivals​

Nach diesen neun Drehtagen am Stück wird es im Sommer einen zweiten Drehblock geben, erklärt Produzent Patrick Müller: „In diesem Jahr soll der Film abgedreht sein, nach der Postproduktion werden wir ihn bei Festivals einreichen.“ Auch beim Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis. Und die Idee einer Weiterführung? „Ob das klappt, ist schwer abzuschätzen“, sagt Regisseur Never, „aber wir wollen die Geschichte unbedingt weiter erzählen.“ Wenn nicht filmisch, dann eben als Buch. „Aber es wäre sehr schade, wenn wir das nicht visuell machen können. Unsere Geschichte geht noch deutlich weiter – am Ende des Kurzfilms könnte es gleich mit dem Abenteuer weitergehen.“​

 

Ein Kulissenraum mit der antiken Heimorgel. Foto: tok

Ein Kulissenraum mit der antiken Heimorgel. Foto: tok

Doch die Muße, von Fortführung und einer Serie zu träumen, haben die Filmemacher zurzeit kaum. Die aktuelle Produktion ist ambitioniert, trotz Rückstellung der Beteiligten ist sie eng kalkuliert, Geld und Zeit sind so knapp wie der Sauerstoff im Film. „Wir hatten eine Diskussion, ob wir das Ganze nicht komplett runterbrechen und eine Nummer kleiner machen“, gibt Never zu, „aber das würde nicht gut aussehen. Das wollen wir nicht.“ So versucht man es eben mit vollem Einsatz. „Wir wollen ja auch zeigen, dass man so etwas im Saarland verwirklichen kann“, sagt Never. „Mein Fazit zurzeit wäre aber eher, dass es nicht wirklich funktioniert.“ Denn Never und auch Döpp haben letztlich eigenes Geld zugeschossen, Never nahm einen Kredit auf, wie er sagt, damit die Produktion so läuft, wie es in seinen Augen nötig ist. So sind Geldgeber, Sponsoren und Unterstützer aller Art weiterhin sehr willkommen. Die Mittagspause ist inzwischen vorüber – von der sonnigen Handwerkergasse geht es wieder ins Halbdunkel der Brennerhalle, die Zukunft wartet.​

Infos, Fotos, Musik und Produktionsentwürfe gibt es unter https://toxygen-film.de

„Stingray“ von Gerry Anderson – Puppenkiste unter Wasser

 

Gerry Anderson? Hierzulande ist der Produzent (1929-2012) vor allem reiferen Nostalgikern ein Begriff – in England ist er so etwas wie eine Legende, zumal sein Sohn Jamie sein Andenken pflegt und vermarktet. „Mondbasis Alpha 1“ (1975-1977) ist wohl seine bei uns bekannteste Serie; in England hatte er auch mit vielem anderen Erfolg. Gut, dass die saarländische Firma Pidax einige Komplettboxen veröffentlicht: zum Beispiel „Thunderbirds“ (1965/66), „Captain Scarlet“ (1967/68), „Ufo“ (1970/71) – und nun auch die Marionettenserie „Stingray“

Bizarres unter Wasser

Die 39 Folgen auf fünf DVDs spielen 2065 und überwiegend unter Wasser, wo sich bizarre Wesen und  Schurken tummeln, nicht zuletzt der Despot Titan, dem die Landbewohner ein Dorn im Auge sind. Wie gut, dass es das schnittige U-Boot Stingray gibt, deren Kapitän Troy Tempest allen Widersachern zeigt, wo in der Tiefsee der Hammer hängt – humorig und kindgerecht. „Stingray“ ist Andersons erste in Farbe produzierte Serie, die hier konsequent genutzt wird: knallbunt sind die extrem liebevollen Bauten – da schaut man gerne genau hin, gerade auch wenn die maritime Serie manchmal etwas dahin plätschert. Wie oft bei Anderson hat Modell- und Pyrotechnik-Zauberer Derek Meddings die exzellenten Effekte gestaltet. Kein Wunder, dass später James Bond und Superman  bei ihm anklopften.

Erschienen bei Pidax.

„Raumpatrouille“ im Selbsttest – was sagt einem die „Orion“ heute?

Szene aus "Raumpatrouille" - Eva Pflug als Sicherheitsoffizierin Tamara Jagelosk Foto: Eurovideo / Bavaria

Eine Szene aus „Raumpatrouille“: Eva Pflug als Sicherheitsoffizierin Tamara Jagelovsk, die man als 13-Jähriger für eine ziemliche Spaßbremse halten konnte. Foto: Eurovideo / Bavaria

 

Die Serie „Raumpatrouille“ ist ein Klassiker des deutschen Fernsehens. Jetzt erscheint sie wunderbar restauriert neu fürs Heimkino. Grund genug für einen persönlichen Test: Wie ist das, den Helden der Kindheit viele Jahre später wieder zu begegnen? Ein freudiges Wiedersehen? Oder ein peinliches?​

Abspielen lässt sich das staubige Tonband wohl nicht mehr. Aber der lebenslange Platz im Regal ist gesichert, als nostalgische Perle: ein „Magnetophonband“ von BASF, mit (laut BASF) 540 Meter aufgerolltem braunen Band, in einer roten Papphülle zum Ausklappen; dort steht in meiner krakeligen Kinderschrift und nicht ganz fehlerfrei „Raumpatriulle“. („Raumpatrouille“ ist schließlich kein ganz einfaches Wort.) 44 Jahre alt müssen die Handschrift und das Artefakt sein, mit vom Fernseher aufgenommenem Ton, als die Serie im Juni/Juli 1979 wiederholt wurde.​

 

Das alte Tonband, mit dem ich einst die erste Folge aufgenommen habe - und danach wieder und wieder angehört.

Das alte Tonband, mit dem ich einst die erste Folge aufgenommen habe – und danach wieder und wieder angehört.

Jetzt, 57 Jahre nach ihrer Erstausstrahlung ab September 1966, sind die Abenteuer der „Orion“, eine Pioniertat des deutschen Fernsehens, technisch exzellent restauriert fürs Heimkino erschienen, wenn auch ohne neues Zusatzmaterial, und laufen am 19. Mai beim Sender ONE. Grund genug, sich die sieben Folgen in einem Rutsch noch einmal anzuschauen und zu grübeln: Wie ist das, eine Serie, die man als Kind geliebt hat, Jahrzehnte später im gesetzten Alter noch einmal zu sehen? Was gefällt einem besser als damals? Was wirkt heute merkwürdig? Was befremdet vielleicht?​

Die „Frogs“ lassen immer noch gruseln​

Konstant geblieben ist manches: der Charme von Peter Thomas’ schmissiger Musik mit futuristisch angeschrägtem BigBand-Sound. Die Spannung der meisten Folgen, der Grusel vor den lichterflirrenden „Frogs“, die den Planeten Erde erobern wollen. Und natürlich die Verehrung für den Helden des Ganzen, Cliff Allister  McLane, kernig gespielt von Dietmar Schönherr. Ein Mann mit dem Hang zur charmanten Großspurigkeit; in Krisensituationen schwitzt er schon mal oder schreit herum, manchmal überraschend eruptiv in der zweiten Hälfte eines ruhig begonnen Satzes.​

 

Zeitloses Design - und bitte keine Witze über Bügeleisen! Dietmar Schönherr als Commander McLane, Ursula Lillig als Helge Legrelle. Foto: Eurovideo / Bavaria

Zeitloses Design – und bitte keine Witze über Bügeleisen! Dietmar Schönherr als Commander McLane, Ursula Lillig als Helge Legrelle. Foto: Eurovideo / Bavaria

Mit seinem galaktischen Latein ist er bisweilen am Ende, während die Sicherheitsbeamtin Tamara Jagellovsk (Eva Pflug), die den manchmal rebellischen Raumfahrer an die Kandarre nehmen soll, ihm intellektuell je nach Situation überlegen ist. Als Kind hatte ich die Dame des Geheimdienstes als nervend empfunden, als perückentragende Handlungsbremse; heute ist das Verhältnis McLane/Jagellovsk sehr interessant und wirkt ziemlich progressiv – etwa im Vergleich zu einem anderen TV-Klassiker der Spätsechziger, „Der Kommissar“: Dort sagt der Chef-Ermittler zu seiner Gattin „Du bist dumm, aber lieb“. Hätte Jagellovsk sich das gefallen lassen? Keinesfalls.​

„Dieser Amazonen-Zirkus!“​

Bleiben wir bei den Geschlechtern: Die für präpubertäre Kinderaugen damals ödeste Episode, wegen fehlender Weltall-Action, entpuppt sich heute als eine der interessantesten: „Der Kampf um die Sonne“. Es herrscht auf Terra seit Monaten eine unnatürliche Hitze, die Pole schmelzen; ein Glück, dass die Menschen mittlerweile auch den Meeresboden als Wohnort erschlossen haben. McLane kommt dem Phänomen auf die Spur – hinter dem Klimawandel stecken Abtrünnige auf einem Planeten namens Chroma. Der wird von Frauen regiert, was den Commander spürbar verwirrt und ihn unter anderem „Ich will jetzt endlich den Chef sprechen“ schreien lässt oder auch „dieser Amazonen-Zirkus!“ und „Jetzt rede ich!“. Der weibliche Konter sitzt: „Werden Sie nicht nervös – rauchen Sie eine.“ Die oberste Matriarchatin bescheidet dem ratlosen Raumfahrer auf einem gigantischen Flokati, dass man nur auf Männer zurückgreife, „wenn wir Rechner und Tüftler brauchen“, aber „in punkto Vernunft halten wir nicht viel von ihnen“. Das ist schon ein gerüttelt Maß an Feminismus im Fernsehen des Jahres 1966 – der allerdings dadurch etwa relativiert wird, dass die Damen McLane am Ende als Praktikanten anwerben, denn man hätte es ja „mit der Betonung des Weiblichen“ etwas übertrieben.​

Die beiden „großen galaktischen Kriege“

Interessant ist, wie vor allem in dieser Episode sich die deutsche Vergangenheit in die Zukunftsserie hinein pirscht: Da ist von zwei großen „galaktischen Kriegen“ die Rede, in denen man sich, wie ein Politiker blumig sagt, „nicht, äh, ganz korrekt benommen“ habe. Das könnte der Grund sein, warum sich die feministische Gemeinschaft auf Chroma überhaupt erst gebildet hat und mit der historisch belasteten Erdbevölkerung nichts zu tun haben will. „Ein Kind böser Eltern hat nur die Chance zu gedeihen“, sagt die oberste Matriarchin, „wenn es sich unabhängig von diesen Eltern entwickelt“. Oha. Was mag sich Darsteller Schönherr bei diesen Sätzen gedacht haben, die auch seine Biografie berührten? War er doch Generalssohn, nach eigenen Angaben „faschistisch erzogen“ worden – und später ebenso in der Friedensbewegung aktiv wie bei der Unterstützung Nicaraguas, dabei auch von „Buße“ sprach. Das sind Bezüge, über die man heute nachgrübeln kann, nicht zuletzt, wenn eine Folge schwächelt und einem Zeit zum Nachdenken schenkt: „Deserteure“, über Hypnose- beziehungsweise „Telenose“-Attacken der bösen „Frogs“. Damals ein großer Grusel, heute ein großer Schnarcher.​

 

ReferenzwerK: Josef Hilgers mittlerweile ziemlich rares Buch zur Serie. Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Referenzwerk: Josef Hilgers mittlerweile ziemlich rares Buch zur Serie. Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf

Immer noch ein Vergnügen, von gestern und zeitlos zugleich, ist das Design: Was Rolf Zehetbauer, der 1973 einen Oscar für „Cabaret“ erhielt, hier aus Stahl, Beton, Glas, geschwungenen Plastikformen, Plexiglas, Bleistiftspitzern und glänzenden Duschköpfen zusammenzauberte, hat nach wie vor Stil und Atmosphäre. Natürlich – an einer Requisite kommt man nicht vorbei, wird sie doch gerne von ironischen filmischen Erbsenzählen erwähnt: jener Bügeleisengriff in einem Kommandopult. Wer sich da beömmelt und eventuell noch „kultig“ sagt, sollte über diese Lästerung mal in Ruhe nachdenken – warum nicht gleich in der galaktischen Sträflingskolonie Mura aus der Folge „Die Raumfalle“? Die ist eine der spannendsten Episoden mit einem wunderbar bösartigen Wolfgang Büttner, heute wohl vergessen, damals ein großer Bühnendarsteller.​

„Unglaaaaaaaublich!“​

Überhaupt: die Mimen und ihre manchmal kollidierenden Schauspielstile! Als Kind war einem das unwichtig, aber heute ist es schon interessant, wie einige Darsteller sehr modern und lässig spielen, andere wie in einem anderen Jahrhundert. Da ist nicht zuletzt der lässige Friedrich Joloff als Geheimdienstchef Oberst Villa, ein Mann der wunderbar sonoren Stimme und eines schlangengleichen Charmes. Und da ist, als schnarrender Oberbefehlshaber, Franz Schafheitlin, der Sätze wie „Das ist ja unglaaauuublich!“ deklamiert, als müssten sie im Stadttheater noch die letzte Sesselreihe erreichen.

 

Schafheitlin war in der NS-Zeit in den berüchtigsten Propagandafilmen zwischen „Ich klage an“ und „Kolberg“ zu sehen, was irgendwie gut passt in diese Serie – bei der geht es in Zukunftskulissen eben auch sehr gegenwärtig um Krieg, Militär, Geheimdienste und um eine Waffe namens „Overkill“ von atomarer Zerstörungskraft. Da erzählt „Raumpatrouille“ einiges von deutscher Vergangenheit und auch der Gegenwart der 1960er Jahre. Es gibt trotz seines Alters in diesem Universum also überraschend viel Neues zu entdecken – oder, wie es zu Beginn jeder Episode so schön heißt: „am Rande der Unendlichkeit“.​

„Raumpatrouille“ ist bei Eurovideo erschienen: auf DVD, Bluray und 4K UHD.

Informationen zu den Extras.

Zu sehen beim Sender One: 19. Mai, ab 13.20 Uhr laufen alle sieben Folgen.

 

Fantastisch restauriert - die "Raumpatrouille" als neue Heimkino-Edition. Foto: Eurovideo / Bavaria

Fantastisch restauriert – die „Raumpatrouille“ als neue Heimkino-Edition. Foto: Eurovideo / Bavaria

 

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„Raumpatrouille“ auf Bluray und UHD – was bieten die Extras?

Das Bluray-Mediabook der "Raumpatrouille". Foto: Eurovideo

Das Mediabook der „Raumpatrouille“. Foto: Eurovideo

 

Ach, wie schön: Am 7. Dezember erscheint der deutsche Serienklassiker „Raumpatrouille“ restauriert erstmals auf Bluray und 4K UHD. (Mehr Angaben dazu ganz unten). Die Rezensions-Exemplare sind da – das restaurierte Bild sieht auf Bluray fabelhaft aus, der Unterschied zur antiken DVD ist enorm.

Wie aber sind die Extras? Reichlich, aber überraschend: Denn außer einem Booklet (das ich noch nicht habe und später vorstellen muss) gibt es keine neuen Extras; sondern Bonus-Material, das sich entweder schon auf der alten DVD-Edition der Serie befindet oder fast ausschließlich auf der DVD zum Film „Rücksturz ins Kino!“, die auch schon knapp 20 Jahre auf dem Buckel hat. Merkwürdig, dass man sich bei einer so aufwendigen – und gelungenen  – Restaurierung nicht stärker um neues Begleitmaterial bemüht hat. Warum nicht ein Interview mit Friedrich Georg Beckhaus (alias Atan Shubashi), dem letzten lebenden Darsteller der Besatzung? Beckhaus ist zwar Mitte 90, arbeitet aber immer noch und ist gerade als Synchronsprecher in „Killers of the flower moon“ zu hören. Oder ein Audiokommentar mit einer Filmkennerin, einem Filmkenner? Da wäre mehr drin gewesen – zumal das vielleicht die letzte physische „Raumpatrouille“-Veröffentlichung ist.
Auch überraschend und ärgerlich: Untertitel für Hörgeschädigte gibt es nur beim 2003er Kinozusammenschnitt „Rücksturz zur Erde“ – nicht bei der Serie.

Das Bonus-Material

Wie dem aus sei – das sind die Extras auf der neuen Bluray.

1 Bavaria Spezial (3.28) – ein Auftritt der Besatzung bei einer Bavaria-Feier mit dem Dank von Dietmar Schönherr dafür, dass „die kleine Orion der großen Bavaria zur Unsterblichkeit verhelfen durfte“. Dieser Auftritt findet sich auch auf der alten DVD der Serie.

Die folgenden Extras der Bluray finden sich auch auf der „Rücksturz“-DVD:

2 Musikvideo „Barfuss im Weltall“ (3.34)

3 „United Space Orchestra“ (3.48), ein 1987er Zeichentrickmusikvideo mit der Musik von Peter Thomas.

4 Die Enthüllung des restaurierten Brandenburger Tors 2002 (4.32) mit der Musik von Peter Thomas (und viel Werbung für Vattenfall).

5 Statement von Regisseur Michael Braun von 2003 (1.35) Er erzählt, wie Schönherr als Test einen Text voller technischer Details und „Raumpatrouille“-Slang so sprechen musste, als sei das Alltagssprache. Braun: „Er hat es perfekt serviert.“

6 Statement von Regisseur Theo Mezger von 2003 (2.03), der vier der sieben Folgen inszeniert hat. Er echauffiert sich darüber, dass ein Journalist damals, 1966, aus dem Bügeleisen im Kommandostand so eine große Sache gemacht habe. Die „Genialität“ des Ausstatters Rolf Zehetbauer habe „dieses Männlein“ nicht erkannt: „so ein Kaschper!“.

Mit der Musik von Peter Thomas und der Ausstattung von Rolf Zehetbauer: „Die Schlangengrube und das Pendel“

7 Die Trick-Experten Werner Hierl und Götz Weidner (1.41) erzählen 2003 von den Effekten, vom „Overkill“ mit Kaffeepulver und den Frog-Raumschiffen, die aus Zeitgründen so rudimentär aussähen wie Papierflugzeuge. „Die sind heute ein Lacher“, sagt Wiedner.

8 Statement Margit Bardy von 2003 (1.20). Die Kostümbildnerin erinnert sich daran, dass sie erst einmal die Texte des Drehbuchs nicht verstanden habe. „Macht nichts, Sie müssen nur fühlen“, habe ihr Regisseur Mezger gesagt. 38 Kostüme hat sie dann entworfen und sich gefragt, womit man 1965 schockieren könnte. Die Idee: „Die Knie zeigen. Das war eine Revolution.“ Eva Pflug habe sie schnell überzeugen können, ihr Kostüm zu tragen, „denn sie hatte gute Beine“.

„Die Geschichte einer Wohnwagenstadt“ mit Friedrich Georg Beckhaus

9 Statement Oliver Storz (1.54) von 2003. Der Autor erzählt, wie er keinerlei Interesse an „Raumpatrouille“ hatte, aber von der Bavaria sozusagen gezwungen worden sei: „Lass Dir was einfallen!“ (…) „Das war meine Lehrzeit.“  Über die jetzige „Wiederbegegnung mit meinen Dialogen will ich mich nicht äußern. Ich kann mir nicht mehr vorstelle, dass ich das war.“ (…) „Das war Räuber und Gendarm im Weltall.“

 

10 Statement Peter Thomas (1.12). Der Komponist erinnert sich auf dem Balkon seines Hauses am Luganer See an die Aufnahmen der Musik in fünf Tagen und sein Honorar über 20 000 Mark – „heute wären das 100 000“.

11 Rolf Zehetbauer (2.05). Der Ausstatter erinnert sich daran, dass er eigentlich nie Fernsehen machen wollte, bei der Idee einer Science-Fiction-Reihe aber doch sofort dabei gewesen sei. Nur sei das Budget so niedrig gewesen – „kein Geld“ – dass er kaum etwas habe entwerfen oder bauen lassen. Er musste unter anderem auf Sanitär-Innenausstattung zurückgreifen. „Über Nacht haben wir aus Plastikschalen neue Dekorationen gebaut“ – während Stanley Kubrick gerade mit großem Aufwand an „2001“ werkelte. „Wir armen Fernsehschweine.“

DVD „Tragödie in einer Wohnwagenstadt“ mit Friedrich Georg Beckhaus

12 Elke Heidenreich (0.44). Eine Leseprobe für „Rücksturz zur Erde“, bei der sie sich bei der Formulierung „Regierung der Welt“ das Lachen nicht verkneifen kann.

13 Englischer Kinotrailer (3.11). Ein ziemlich ironischer Trailer in englischer Sprache für „Rücksturz zur Erde“.

 

14 Deutscher Trailer (1.45) für „Rücksturz zur Erde“.

15 Musikvideo „Warp back to earth“ (3.58)

16 Premieren-Momentaufnahmen (6.08) von der „Rücksturz“-Kinopremiere Juli 2003 in München und Berlin.

Die Geschichte der „Hammer“-Filme

17 Szene (0.56) aus der letzten Episode in ungarischer Synchronfassung.

18 Szene (1.13) in italienischer Synchronfassung, wobei die Stimme von Eva Pflug extrem gut passt.

19 Eine fürs französische Fernsehen gedrehte Szene (2.09) mit Charlotte Kerr und dem französischen Darsteller Jacques Riberolles. Fürs französische Fernsehen wurde Kerr dann synchronisiert, für die deutsche Fassung trat Gerhardt Jentsch vor die Kamera.

Welches Bonus-Material wäre vorhanden gewesen, wurde aber nicht übernommen?

Das Spiel „Frog Invaders“, das man mit der Fernbedienung spielen  kann (und das nach 30 Sekunden langweilig wird), zu finden auf der alten Serien-DVD, ist nicht auf der Bluray – das ist absolut zu verschmerzen. Schade aber ist, dass ein Bonus der „Rücksturz“-DVD nicht übernommen wurde: die 70 Trick-Dias und Skizzen aus dem Archiv von Effekt-Mann Werner Hierl – da sieht man Raumschiffmodelle, Planetenlandschaften und künstliche Sternenhimmel.

 

„Raumpatrouille“ erscheint bei Eurovideo am 7. Dezember in diesen Versionen:

Bluray Mediabook: Ton: Deutsch Dolby Atmos (Serie); Deutsch DTS-HD MA 5.1 (Kinofilm). Audiodeskription (Kinofilm). Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (Kinofilm). Bildformat: HD 1080i/25 (1,33:1 Pillarbox)

4K UHD Mediabook: Ton: Deutsch Dolby Atmos (Serie); Deutsch DTS-HD MA 5.1 (Kinofilm), Audiodeskription (Kinofilm). Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (Kinofilm). Bildformat: UHD 2160p/25 (1,33:1 Pillarbox)

DVD: Tonformat: Deutsch Dolby Digital 5.1, Audiodeskription (Kinofilm). Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte (Kinofilm). Bildformat: 4:3 Vollbild (1,33:1)

 

„Raumpatrouille“-Seiten:

Raumpatrouille Orion | Facebook

https://www.orionspace.de

Raumpatrouille Orion Wiki | Fandom

 

 

„Flash Gordon“, die filmische Kitsch-Torte

Flash Gordon

Der Gute und der Böse: Sam Jones (links) als Flash und Max von Sydow als Ming.     Foto: Studiocanal

„Niemand lacht über meinen Flash Gordon!“ Das soll Produzent Dino De Laurentiis gebrüllt haben, als sich das Team seines Films bei den Dreharbeiten zu „Flash Gordon“ die frisch gedrehten Szenen anschaute – und immer wieder kicherte. So sehr, dass Regisseur Mike Hodges Kicher-Verbot erteilte, sollte Dino furioso in der Nähe sein. Hodges sah das ganze Unternehmen als knallige Science-Fiction-Komödie, De Laurentiis als großen ernsten SF-Abenteuerfilm. Getroffen haben sie sich filmisch in der Mitte, gelungen ist ihnen ein Werk, bei dem alles stimmt, obwohl nichts zusammenzupassen scheint. „Flash Gordon“, jener knallbunte Film von 1980,

Ein wackerer blonder Erdling

Ein Blick zurück ans Ende der 1970er Jahre. Der italienische Hollywood-Produzent De Laurentiis, der zuvor den Riesenaffen „King Kong“ filmisch wiederbelebt hat (volle Kassen, entsetzte Kritiker), besitzt die Rechte an den „Flash Gordon“-Comics von Alex Raymond, die in den 1930ern schon mal verfilmt wurden – und 1974 mit einem charmant getricksten Softporno namens „Flesh Gordon“ parodiert und erotisiert wurden. Um einen wackeren blonden Erdling geht es in den Comics, der auf dem fernen Planeten Mongo einem asiatisch wirkenden Bösewicht namens Ming zeigt, wo der Hammer der freien Welt hängt, da der Finsterling a) von seinem Glitzerpalast aus den Planeten Erde bedroht und b) die Freundin des Helden in seinem geräumigen Harem unterbringen will.

 

Flash Gordon

In Mings Folterkammer: Sam Jones als Flash Gordon, Melody Anderson als Dale Arden.  Foto: Studiocanal

Im Science-Fiction-Boom nach dem ersten „Krieg der Sterne“ von 1977 bekommt Di Laurentiis ein potentes Budget von 25 Millionen Dollar zusammen (damals viel Geld für einen Film) und beginnt die Vorproduktion mit einem ungewöhnlichen Filmemacher: Nicolas Roeg, Regisseur von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ und „Der Mann, der vom Himmel fiel“, kein Mann des Kino-Mainstreams.

Roegs „große Plazenta“

Zuvor hatte der Produzent auch Sergio Leone und Federico Fellini im Sinn, deren Interesse sich aber in Grenzen hielt. Roeg nun schwebt eine bewusstseinserweiternde Weltall-Odyssee vor, ein psychedelischer Trip; spätestens bei seiner Beschreibung eines Raumschiff-Designs als „große Plazenta“, wird klar, dass er und Di Laurentiis in unterschiedlichen Galaxien leben.

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Abgang Roeg, Auftritt Hodges, den der Produzent unter anderem deshalb engagiert, wie er sagt, „weil er ein ehrliches Gesicht hat“. Dessen bekanntester Film ist bis dahin der eisige Nordengland-Krimi „Get Carter“ von 1971 mit Michael Caine. Hodges macht sich an die Arbeit, mit einer Besetzung zwischen Legende und Laie: Der Schwede Max von Sydow, bekannt für tränenschwere Ingmar-Bergman-Filme, spielt den bösen Ming mit großer Geste und schwerer Robe, während Di Laurentiis für die Heldenrolle einen nahezu Unbekannten verpflichtet – Sam Jones, der in einer US-Datingshow vor allem durch gutes Aussehen aufgefallen ist.

 

Flash Gordon

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, auch wenn es nicht so aussieht: Prinz Barin (Timothy Dalton, links) und Flash Gordon (Sam Jones).  Foto: Studiocanal

 

Die Wahl zahlt sich erstmal aus: Der mimisch unerfahrene Jones verströmt genau jene unschuldige und naive Aura, die dem Regisseur vorschwebt. Timothy Dalton, sieben Jahre später James Bond, spielt einen heroischen Prinzen mit Errol-Flynn-Schnurrbart; Brian Blessed mimt den Anführer der mit Flügeln ausgestatteten Falkenmänner und frönt lustvoll dem Over-Acting. Wenn er lacht, sieht man 80 Zähne und Blesseds Mandeln; jeden Dialogsatz („Gordon’s aliiiiiive?“) deklamiert er oberhalb der Zimmerlautstärke.

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Derweil schleicht Ornella Muti als libidonös hyperaktive Königstochter durch die wundersamen Dekorationen von John Graysmark: mal verkitschte Art déco, mal technoide Futuristik, während die Kostüme von Danilo Donati in Rot erstrahlen und so golden glitzern, dass man zur Augenschonung manchmal nach einer Sonnenbrille greifen möchte.

Sam Jones fliegt in die Ferien – und kommt nicht wieder

Während der Dreharbeiten im winterlichen London, wo besonders die Darsteller der Falkenmänner im Lendenschurz vor sich hin frieren, gehen die Diskussionen zwischen Produzent und Regisseur munter weiter, doch beide haben ein noch größeres Problem: Hauptdarsteller Jones fliegt in die Weihnachtsferien in die USA – und kommt nicht wieder. Denn seine Agenten machen ihn darauf aufmerksam, dass seine Wochengagen nicht ganz regelmäßig eintreffen; Di Laurentiis tobt, lässt sich aber nicht entmutigen – das meiste Pensum hatte Jones ohnehin schon abgedreht. Und für die Nachsynchronisation, nötig bei Szenen mit hohem Geräuschpegel, engagiert er einfach einen anderen Schauspieler als Sprecher. Problem gelöst.

 

Flash Gordon

John Graysmark entwarf die Bauten des Films, Danilo Donati die Kostüme.   Foto: Studiocanal

Die Erwartungen beim Filmstart sind hoch. Doch während „Flash Gordon“ in Europa gut läuft, sind die Kinos des wichtigen US-Markts kaum gefüllt. Das war‘s – auch für die Fortsetzungen, die Di Laurentiis schon im Hinterkopf hatte.

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Sieht man den Film heute, wirkt er nicht wie einer der vielen „Krieg der Sterne“-Imitationen von damals, sondern fast wie ein Anti-„Star Wars“. Während George Lucas seine märchenhafte, aus allerlei Mythen zusammengesetzte Handlung optisch vergleichsweise realistisch und mit biblischem Ernst („Möge die Macht mit Dir sein“) erzählt, schwelgt „Flash Gordon“ im parodistischen Kitsch, badet in Farben, lässt Funken sprühen, Sümpfe blubbern – und die britische Band Queen herzhaft musizieren. Deren bombastisch Filmmusik („Fläsch – aaahaaaaaaaa!“) passt wunderbar in den Kontext, vor allem zu einer Attacke flatternder Falkenmänner auf ein Fluggefährt, bei der sich Dröhngitarre, Donnerschlagzeug und die Action im Spielzeugland zu einem poppigen Gesamtkunstwerk vereinen. Vielleicht war es ein Segen, dass der Film keine Fortsetzungen nach sich zog – solche Glücksfälle lassen sich nicht wiederholen.

Bluray und UHD in verschiedenen Versionen bei Studiocanal.

 

Flash Gordon

Antikes Stück: der Trailer des Films auf Super 8.    Foto: Piccolo Film

„Dreht Euch nicht um – Der Golem geht rum“ auf DVD: vom Verblöden und Zeittotschlagen:

Pidax Film Der Golem geht rum Logan's Run Flucht ins 23. Jahrhundert Peter Beauvais

Paschas Traum: Sig Prun (Martin Benrath) umrahmt von seinen Lebensgefährtinnen – gespielt von Francesca Tu, Hannelore Elsner und Katrin Schaake (von links). Foto: Pidax Film

 

Eine schöne DVD-Ausgrabung von 1971: „Dreht Euch nicht um – Der Golem geht rum“ erzählt von einer Welt der 1-Stunden-Arbeitswoche und der zwangsweisen Freizeitgestaltung. Langsam verblödet man – bis ein junger Mann  gefährliche Fragen stellt.

 

Rente mit 67? Oder 70? Darum muss sich in dieser Welt der Zukunft niemand sorgen – denn es gibt die Frühestrente für alle. Dank der Automatisierung der Arbeit kann man im 23 . Jahrhundert  von der Drei-Stunden-Arbeitswoche auf die weniger aufreibende Ein-Stunden-Variante herunterfahren. Doch diese neue Welt ist nur scheinbar schön und menschenfreundlich: Der Müßiggang ist penibel geregelt von der „Weltfreizeitzentrale“ – da muss man etwa zum Yoga nach Kapstadt fliegen, ob man nun will oder nicht, sonst gibt es staatliche „Minuspunkte“. Und die Fortpflanzung im traditionellen Sinne ist auch nicht jeder „Zeugungsgemeinschaft“ gestattet, es gibt strenge „selektive Verfahren“.

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1971 entstand dieser Fernsehzweiteiler „Dreht Euch nicht rum – der Golem geht um“, den die Riegelsberger DVD-Firma Pidax jetzt für das Heimkino ausgegraben und abgestaubt hat. Regisseur Peter Beauvais (1916-1986, „Deutschstunde“, „Ein fliehendes Pferd“) entwirft, nach einem Drehbuch von Dieter Waldmann, eine Welt des kalten Konsums und des Müßiggangs, der aber nicht der persönlichen Entwicklung dient, sondern eher dem kollektiven Zeittotschlagen. In wallenden Gewändern (die Frauen meist ohne BH) wandeln die blondierten Zukunftsmenschen durch sterile Plastikwohnungen, räkeln sich auf großen Betten mit Flokati-bezug, an der Zimmerdecke pulsiert ein Riesenbildschirm. Eigentlich ist Sig Prun (Martin Benrath) damit ganz glücklich – schließlich kümmern sich drei Gattinnen (eine davon von Hannelore Elsner gespielt) um sein Wohlergehen. Doch dass der Staat ihm ein Kind verweigert, weil sein Intelligenzquotient eher mittelprächtig zu sein schein, setzt seinem Ego zu. „Es wird gezeugt – und damit basta!“ Den dabei entstandenen Sohn Botho will er allerdings nicht erziehen, denn der Freizeitstress lässt ihm einfach keine Zeit. Wie gut, dass ein Bekannter an einem Intelligenzverstärker arbeitet, auch wenn das eigentlich verboten ist – denn totalitäre Staaten wie dieser haben traditionell wenig Interesse an mündigen Bürgern. Doch der Intelligenzverstärker macht aus dem etwas tumben jungen Mann einen großen Fragesteller: Warum ist die Welt so, wie sie ist? Und wäre sie anders nicht sinnvoller? Fragen, die ihn in Gefahr bringen.

Pidax Film Der Golem geht rum Logan's Run Flucht ins 23. Jahrhundert Peter Beauvais

Meldung an die Staatsmacht – eine Szene mit Helga Feddersen. Foto: Pidax Film.

Gerade in den 1970er Jahren gab es einige düstere filmische Blicke in die Zukunft: etwa der Film „Jahr 2022“ mit Charlton Heston, in dem die überbevölkerte Welt nur noch, ohne dass sie es weiß, mit Menschenfleisch in Keksform gesättigt werden kann; oder „Geburten verboten“ über eine rigorose Null-Kind-Politik eines maroden und verseuchten Planeten Erde. Der fünf Jahre später als „Golem“ entstandene Kinofilm „Flucht ins 23. Jahrhundert“ entwarf eine ganz ähnliche Welt (auch mit ähnlichen Kostümen), in denen befohlene Muße und Konsum das Leben regieren – sinnigerweise wurde der Film überwiegend in einem neuen Einkaufszentrum gedreht.

Das Magazin „35 Millimeter“

„Golem“ nun ist kein Kinofilm, sondern Fernsehen aus alten Tagen. Da wird sehr viel Exposition über Dialoge vermittelt, und zumindest die erste Hälfte dieses Zweiteilers wirkt fast theaterhaft und mit seinen wenigen Kulissenräumen sogar etwas beengt – passenderweise, beschreibt er doch eine Welt des Immergleichen und Austauschbaren. Heute würde man wohl etwas flotter erzählen, aber „Golem“ lohnt sich: Grundlegend der Schauspieler wegen (vor allem Martin Benrath als Pascha-Spießer der Zukunft, Hannelore Elsner, Dietrich Mattausch, Helga Feddersen) und der Konsequenz, mit der der Film seine Prämisse durchspielt und dabei auch einen hintersinnigen Humor demonstriert: Da die natürliche Fortplanzung ein Nischenprogramm ist, kann es zu einem Dialog wie diesem kommen: „Lass das mal nicht Deine Eltern hören!“ „Ich hab‘ keine, ich bin ein Retortenkind.“ Die gelangweilten Konsumbürger entdecken für sich die nicht allzu schmerzhafte Selbstauspeitschung („Es lebe der Masozynismus!“), während die Jugend ein wenig gegen das Nichtstun aufbegehrt, „arbeitsähnliche Zustände“ fordert  und „Sachen machen! Sachen machen!“ skandiert. Charmant ist auch die Idee, dass man in dieser Zukunftswelt auf das baldige Ableben der Nachbarn wetten kann – dumm nur, wenn man dem Wettglück mit Strichnin nachhilft, wie es eine Bürgerin tut. „Golem“ erzählt satirisch zugespitzt von einer Welt des Überflusses, der mangelnden  Empathie und der ichbezogenen Verblödung – so gesehen passt der Film von 1971 auch ins Heute.

Erschienen bei Pidax Film.

 

 

Pidax Film Der Golem geht rum Logan's Run Flucht ins 23. Jahrhundert Peter Beauvais

 

„For the love of Spock“ über Leonard Nimoy

Leonard Nimoy Adam Nimoy For the Love of Spock

Zu Besuch bei den Dreharbeiten zu „Raumschiff Enterprise“: Adam Nimoy und sein Vater Leonard. Fotos: Studio Hamburg

Ob er es nun wollte oder nicht – der Logiker mit den spitzen Ohren, der scheinbar eisige Mann, der mit seinen Gefühlen ringt,  war die Rolle seines Lebens. Leonard Nimoy (1931-2015) spielte Mr. Spock, halb Mensch, halb Außerirdischer, in den 60ern in der Serie „Raumschiff Enterprise“, so hieß „Star Trek“ damals bei uns, als die Serie erstmals im ZDF lief;  dann sprach er Spock in den 1970ern in einer Zeichentrickserie, war danach in den „Star Trek“-Kinofilmen zu sehen, von denen er zwei auch inszenierte.  Auch in der Neuauflage der Reihe war er zu sehen, zuletzt noch 2013 in „Star Trek: Into Darkness“ – als alter, weiser Spock und als würdiger Ruhepunkt in der Action-Hektik, die mit den alten „Star Trek“-Filmen wenig zu tun hat. Da hatte Nimoy, der seine erste Autobiografie trotzig „I am not Spock“ nannte (und später „I am Spock“ versöhnlicher nachlegte), schon längst seinen Frieden gemacht mit der Rolle, die alle seine anderen überschattete.

 

Leonard Nimoy Adam Nimoy For the Love of Spock

Fast ganz der Papa: Adam Nimoy bei einer Convention.

Wie geht man damit um, durch eine Rolle ein Teil der Populär-Kultur zu werden? Und warum ist die Figur des Spock weltweit derart populär geworden? Diese Fragen stellt sich die Dokumentation „For the love of Spock“und beantwortet sie sehr persönlich – kein Wunder, ist der Regisseur doch Nimoys Sohn Adam. Der plante 2014 in Zusammenarbeit mit dem Vater einen Film über die Figur Spock; angesichts des Todes Leonard Nimoys ein Jahr später verband der Sohn das Porträt Spocks zugleich mit einem Blick auf den Vater und die eigene, nicht immer einfache Familiengeschichte. Das hätte eine gefühlige Nabelschau werden können; aber abgesehen von den letzten Minuten, in denen die jungen Kollegen der neuen „Star Trek“-Reihe etwas zu geflissentlich Leonard Nimoys Heiligenschein polieren, ist „For the love of Spock“ ein munteres, persönliches, aber nicht zu intimes Porträt.

Gerangel mit William Shatner

Alte Familienaufnahmen sind zu sehen, Interviewausschnitte mit Nimoy aus verschiedenen Dekaden und kurze, für den Film aktuell geführte Gespräche mit den Kollegen von einst: George Takei etwa, der in der Serie den Astronauten Sulu spielte, und Walter Koenig, der den Russen Chekov mimte, damals mit Beatles-artiger Frisur (war es eine Perücke?), heute glatzköpfig. Mit dabei ist auch, natürlich, William Shatner. Er spielte Captain Kirk, war als Star der Serie gesetzt und musste dann erleben, dass die Figur Spock zur beliebtesten wurde. Shatners Beziehung zu Nimoy war über die Jahrzehnte nicht einfach. Doch Konkurrenzgerangel, Intrigen und Alpha-Tiergehabe werden hier nur kurz angedeutet, in den späten Jahren sind sich die Männer wohl mit einer gewissen Altersmilde begegnet. Ein schöner Ausschnitt zeigt Nimoy bei einer der populären „Star Trek“-Conventions, wie er eine frühe Rezension zur Serie aus der Branchenbibel „Variety“ mit Wonne vorliest: „Shatner spielt hölzern“. Dass die Serie nicht vom Start weg zum Phänomen wurde, zeigt auch ein kurzes Interview mit Barry Newman, dem Darsteller der 70er-Serie „Petrocelli“: Er riet seinem Kollegen und Freund Nimoy damals, die Gummi-Ohren schleunigst abzunehmen und den Dienst zu quittieren: „Leonard, steig aus – das hat doch keine Zukunft!“

Adam Nimoy Leonard Nimoy William Shatner

William Shatner, der den Captain Kirk spielte.

Der Film zeichnet das Bild eines Schauspielers, der sich in seinem künstlerischen Traumberuf (den ihm seine Eltern ausreden wollten),  jahrelang tummelt, ohne nennenswerten Erfolg zu haben. Den bringt erst, mit 35,  die Figur des Spock, eines Mannes, der  etwas anders ist als die anderen, der etwas abseits steht – und wer könnte sich damit nicht identifizieren? Das Seriendebüt sieht sich die Familie Nimoy bei Nachbarn an, denn die haben, anders als die Nimoys, einen Farbfernseher. Drei Jahre läuft die Reihe, bevor sie abgesetzt wird. Nimoy, der aus finanziell überschaubaren Verhältnissen kommt, treibt auch während dieser drei Jahre die Angst vor späterer Armut um. „Ich nahm damals jeden Job an, der Geld brachte“, sagt er – um das zu illustrieren, zeigt die Doku Ausschnitte aus seiner legendär bizarren Pop-Plattenaufnahme „Bilbo Baggins“, witzig montiert in eine „Enterprise“-Szene. (Privat hört Nimoy, erzählt sein Sohn,  damals lieber Yves Montand und Charles Aznavour.)

Kitschtorte „Flash Gordon“

Das Arbeitspensum während „Enterprise“  hat Folgen für die Familie: Während der Woche ist er kaum zuhause, sagen Sohn und Tochter heute, und wenn, dann trägt er die gefühlsunterdrückte Rolle Spocks mit sich herum. „Er war sehr in seiner eigenen Welt, sagt die Tochter heute. Das klingt nicht nach einem vor Liebe überfließenden Familienleben. Ein altes Presseporträt zeigt die Nimoys, die mit kollektiv versteinerten Gesichtern posiert. Nach „Star Trek“ steigt Nimoy bei „Kobra, übernehmen Sie!“ („Mission: Impossible“)  ein, dort nach drei Jahren wieder aus, spielt mehr Theater – aber die ganz großen Rollen im Fernsehen oder Kino findet er nicht. Bis er 1979 Spock im ersten (und schwächsten) „Star Trek“-Film spielt und danach die Teile 3 und 4 auch inszeniert. Dass er das durchsetzen kann, liegt an der zentralen Rolle Spocks. Ein „Star Trek“-Film ohne Spock? Keine gute Idee. Das wissen Nimoy und das Studio Paramount, das Nimoy zwischenzeitlich verklagt hat, weil er sich bei den Werbe-Einkünften durch die Figur Spock (etwa auf Cornflakes-Packungen) über den sprichwörtlichen Tisch gezogen fühlt. Man einigt sich schließlich, Paramount bracht Nimoy mehr als umgekehrt.

Eine Vater-Sohn-Geschichte

Nicht zuletzt ist „For the love of Spock“ auch eine Vater-Sohn-Geschichte: Nimoy ist jahrelang wenig zuhause und fehlt den Kindern; als die Karriere in den 1970ern bis zum „Star Trek“-Comeback stagniert, „hängt er zuhause rum“, wie es der Sohn sagt. Noch schwieriger werden die 80er: Nimoys Ehe zerbricht nach 32 Jahren, er trinkt, was erklären könnte, dass seine erfolgreich begonnene Regie-Karriere unvermittelt endet – auch der Sohn nimmt Drogen. Der schwierige Kontakt bricht irgendwann ganz ab – bis man sich in Nimoys letzten Jahren wieder sehr nahe kommt. Ein Happy End, das man den beiden gönnt.

Eine liebevolle Doku, auch formal: Die Titel laufen in derselben Schriftart ab wie in der alten „Enterprise“-Serie. Und gleich zweimal ist Spocks Todesszene aus „Star Trek II – Der Zorn des Khan“ zu sehen, die mit dem großen Selbstopfer und der letzten Freundschafts/Liebeserklärung an Kirk unweigerlich ans Herz geht.

Wer sich über den enorm langen Abspann wundert: Die Doku hat sich über Crowdfunding finanziert und dankt allen Unterstützern durch Namensnennung.

 

Auf DVD und Blu-ray erschienen bei Studio Hamburg.
91 Minuten, Original mit Untertiteln.

„Captain Future“ auf Bluray – Wiedersehen mit einem Helden der Kindheit

Captain Future Captain Future Captain Future Captain Future Captain Future

 

 

Den medialen Helden seiner Kindheit Jahrzehnte später wiederzubegegnen, ist riskant – manche Heroen von einst entpuppen sich als große Langweiler. Wie verhält sich das mit Captain Future, der mit seinem Raumschiff „Comet“ ab 1980 im ZDF-Programm herumsauste?  Seine Abenteuer sind wieder auf DVD und erstmals auf Blu-ray zu haben.

Samstagmittags, gegen halb 3, da ging es ins Weltall – zumindest Anfang der 1980er. Da lud das ZDF alle Vorpubertierenden ein, mit ins Raumschiff „Comet“ zu steigen und das All vor allerlei Ungemach zu bewahren: an der Seite von Captain Future, dem Titelhelden jener Zeichentrickserie, und seines durchaus bunten Personals: ein Kunststoff-Androide namens Otto, ein stahlglänzender Roboter namens Grag und, als akademische Unterfütterung, Professor Wright – ein bloßes Gehirn, das in einem Behälter umherschwebt. Mit ihnen suchte man „nach der Quelle der Materie“, löste das „Geheimnis der sieben Steine“ oder traf „die Elektromenschen“ – allesamt verheißungsvolle Episodentitel. Bunte Abenteuer in knalligen Trickfilmwelten waren das, ideal für 13-, 14-Jährige, denen Sätze wie „Photonentriebwerk Y3 volle Leistung!!“ durch Mark und Bein gingen; vor allem, wenn sie von Christian Bruhns schmissigem Disco-Sound begleitet wurden – so schmissig übrigens, dass eine seiner Aufnahmen etwas aufgepeppt 1998 ein veritabler Tanzhit in Großraumdiscos wurde.

Warum dieser „Heidi“-Effekt?

Dass Bruhns Musik gar nicht mal die Originaluntermalung war, wussten wir damals nicht – ebenfalls nicht, dass die Serie aus Japan kam, auch wenn manche ruckeligen Animationen und rehäugige Kindchen-Schemata durchaus an Trickserien wie „Heidi“ und die „Biene Maja“ erinnerten, ebenfalls japanische Produktionen.

„Flash Gordon“, die galaktische Kitsch-Torte

Nach 40 Episoden (in Japan waren es ein Dutzend mehr) war im All alles gesagt, der Captain war hinfort, aber nicht vergessen. Vor 13 Jahren erschien eine erste DVD-Edition, die schnell vergriffen und dann nur noch zu schmerzhaften Sammlerpreisen zu haben war. Nun erscheinen die Abenteuer wieder auf DVD und erstmals auch auf hochauflösender Blu-ray; deren Bild müsste für wahren HD-Genuss etwas schärfer sein, aber die Geschichten haben sich gut gehalten: durchweg flott erzählt, mit einiger Action und manchmal auch etwas Grusel (was Jugendschützern einst gar nicht gefiel) – etwa im Auftakt „Der Herrscher von Megara“: Dessen Titelheld verwandelt Siedler auf einem fernen Planeten in Affenmonster, was die terrestrischen Kolonialpläne durchkreuzt.

„Da, links, ein Raumschiff!“

Als gereifter Zuschauer macht man sich heute bei dramatischen Feststellungen wie „Ich glaube, das Hypnotrom ist beschädigt“ deutlich weniger Sorgen als noch vor 35 Jahren; andere Sätze sind heute ein sprudelnder Quell der Heiterkeit. „Da, links, ein Raumschiff!“ vermittelt immerhin die Gewissheit, dass es im All zwar kein Oben und Unten gibt, wohl aber ein Rechts und ein Links. Auch das Verhältnis der Geschlechter ist noch festgefügt: Als Future eine Gegnerin (höchst simpel) übertölpelt, konstatiert er etwas mitleidig: „Ach, sie sind und bleiben eine Frau.“ Das würde sich heute kein Weltall-Held mehr trauen.

Als Gesamtedition und als Staffelboxen bei Universum Film erschienen.

 

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