Szene aus "America": Oshrat Ingedashet als Iris. Foto: Laila Films

Oshrat Ingedashet als Iris. Foto: Laila Films

Liebe, Freundschaft, Verlust, Aufopferung – es sind keine kleinen Themen, von denen der Film „America“ erzählt. Der israelische Regisseur und Autor Ofir Raul Graizer webt in seiner zweiten Kinoproduktion (nach „The Cakemaker von 2017) ein dichtes Netz der Gefühle; dabei ist ihm ein anrührender Film gelungen.

In Chicago geht Eli (Michael Moshonov) seinem geregelten Alltag nach – Frühstück, Trimmdich und dann die Arbeit in einem Schwimmbad, wo er unter anderem einem ängstlichen Jungen die Furcht vor Wasser zu nehmen versucht. Ein Anruf aus der alten Heimat Tel Aviv stört die Routine des zurückhaltenden Mannes: Elis Vater ist gestorben, seine Mutter lebt schon lange nicht mehr. Nun muss er wegen des geerbten Hauses zurück an einen Ort, den er hinter sich lassen wollte – so hat er mittlerweile sogar seinen Familiennamen Greenberg abgelegt, nennt sich nun Cross.​

Engste Freundschaft aus der Jugend​

Warum das Verhältnis zum Vater schwierig war, wird im Lauf des Films klar – man versteht den immer etwas dunkel umrandeten Blick aus Elis Augen. In der alten Heimat trifft er seinen engsten Kindheitsfreund wieder, Yotam (Ofri Biterman); wie platonisch oder unplatonisch ihre Freundschaft einst war, darüber mag man spekulieren, der Film hält dies in der Schwebe. Yotam führt einen Blumenladen mit seiner Freundin Iris (Oshrat Ingedashet). Für Eli ist Yotam so etwas wie eine Rettungsinsel in der ungeliebten alten Heimat; doch als sie zusammen einen Wasserfall in Haifa besuchen, einen gemeinsamen geliebten Ort der Kindheit, ändert sich alles: Yotam stürzt unglücklich, verletzt sich schwer – ob er aus dem Koma jemals aufwachen wird, ist ungewiss.​

Andreas Pflügers Buch „Herzschlagkino“

In vier Kapitel, zwischen denen jeweils einige Monate liegen, hat Regisseur Graizer seinen Film gegliedert. So erzählt er im großen Bogen von Eli und Iris, die sich in Abwesenheit des komatösen Yotam näherkommen – verbunden vielleicht auch durch die gemeinsame Liebe zu dem schmerzlich Vermissten. Doch als Yotam nach Monaten wieder seine Augen öffnet und langsam ins Leben zurückfindet, empfinden Eli und Iris eben nicht nur große Freude und Erleichterung. Was tun? Yotam alles erklären und damit eventuell seine fragile Gesundheit bedrohen? Die Liebesbeziehung lösen?​

 

Szene aus "America": Ofri Biterman als Yotam (links), Michael Moshonov als Eli. Foto: Laila Films

Ofri Biterman als Yotam (links), Michael Moshonov als Eli. Foto: Laila Films

Manchmal überdeutlich​

„America“ (ein Titel, der unklar bleibt, auch wenn man das Land als Elis Flucht- oder Sehnsuchtsort begreift) umgeht dabei das große Melodram. Was andere Filme möglicherweise zur großen Seifenoper hochgeschäumt hätten, bleibt hier bodenständig und kitschfrei. Zwar gibt es die eine oder andere etwas überdeutliche Metapher und ein, zwei etwas zu bewährte Bilder (etwa zwei Hände, die schüchtern tastend zueinander finden). Insgesamt aber ist das ein sehr gut gespieltes, berührendes Drama der eher leisen Töne und der Dialoge, bei denen sich zwischen den Zeilen viel tut.​