Windstille herrscht in der Ehe von Peter (Stefan Kurt) und Alice (Esther Gemsch).  Foto: Alamode

 

Das ist wohl der Härtest für nicht wenige Ehen: die gemeinsame Rente. Man hat wieder mehr Zeit füreinander – aber ist das etwas zwingend Gutes? Und kann man nach Jahrzehnten im Arbeitsrhythmus mit so viel ungewohnter Freiheit überhaupt umgehen? Bei Alice (Esther Gemsch) und Peter (Stefan Kurt) lässt es sich erstmal gut an, auch wenn es kleine Irritationen gibt.​

Peter, der sich nach dem Abschied aus seinem Büro vor allem auf das Ausschlafen freut, kann dem liebevoll gehauchten „Guten Morgen“ seiner Frau wenig abgewinnen, wenn es erst sieben Uhr morgens ist. Und Alice, die den Göttergatten nun, da er mehr Zeit hat, in die Haushaltsarbeit integrieren will, sieht sich mit passivem Widerstand konfrontiert: Er versucht, erstmal, im Sitzen Staub zu saugen. Und einig ist man sich nicht auch bei der nächsten Lebensphase: Sie will raus aus dem großen Haus und in eine neue Wohnung. Er lieber nicht. Es gibt also einiges zu besprechen – kann eine gemeinsame Kreuzfahrt, das Geschenk der Kinder zur Rente, die Wogen glätten und die beiden wieder einander näherbringen?​

Die schweizerisch-deutsche Produktion „Die goldenen Jahre“ ist ein charmanter, flotter Film in bunten Farben. Eben das, was gerne als „Wohlfühlkomödie“ bezeichnet wird, von denen es ja gute und viele schlechte gibt – dieser Film ist eine der guten. Drehbuchautorin Petra Volpe stellt manche Sinnfragen und macht es sich bei den Antworten nicht allzu leicht, auch wenn man es hier nicht mit Ingmar Bergmans „Szenen einer Ehe“ zu tun hat. Doch bei der Kreuzfahrt offenbart diese Lebensgemeinschaft ihre Schlagseite. Dass Peter Veganismus und Alkoholfreiheit für sich entdeckt, im Gegensatz zur Gattin, ist nur eine Petitesse. Doch im Ehebett des Luxusdampfers herrscht Windstille seitens Peter. Er flüchtet sich nach einer Nackenmassage vor seiner Frau auf die Toilette, spricht von akutem Sodbrennen – eine Szene, die auch klamottig hätte ausfallen können, hier aber sehr berührend ist. Er habe einfach keine Lust mehr, sagt Peter zur Alices Erschütterung und vielleicht zu seinem eigenen Erstaunen. „Ganz allgemein. Es ist mir nicht mehr so wichtig.“

Nicht mehr so wichtig scheint ihm überhaupt eine Nähe zu Alice, in welcher Form auch immer. Lieber sitzt er auf dem Schiff in der Sonne mit dem gemeinsamen, frisch verwitweten Freund Heinz (Ueli Jäggi), den er gebeten hat, mit auf See zu gehen – vielleicht um ihn zu trösten, vielleicht um nicht alleine mit seiner Frau zu sein, auch wenn da immer noch eine große Zuneigung zu spüren ist. Aber in vielen Fragen, die man sich jetzt erst in der Ruhe der Rente stellt, liegen die beiden weit auseinander. Sollte man etwa eine Affäre verschweigen, um den Partner nicht zu verletzen (Peters Auffassung) – oder alles offenlegen, weil Ehrlichkeit wichtiger ist als Schonung (Alices Auffassung)?​

Das Thema Affäre taucht überhaupt erst auf, weil sie beide wissen, dass Heinz‘ verstorbene Frau in den vergangenen Jahren regelmäßig alleine nach Toulouse gefahren ist und vor ihrem Mann glühende Liebesbriefe versteckt hat. Absender: „Claude“. Als es Alice zu viel wird mit der Männerfreundschaft Peter/Heinz (sie lesen an Bord sogar das gleiche Buch, „Ein Mann und sein Rad“), setzt sie sich bei einem Landurlaub in Marseille ab und macht sich auf in Richtung Claude (mit anderem Ausgang als erwartet). Zwischendurch trifft sie ein Hippiepärchen in mittleren Jahren und kaut ihren ersten Drogenpilz. Dem Gatten schreibt sie lapidar von einer „Auszeit“ – war es das mit dieser Ehe?​

Regisseurin Barbara Kulcsar inszeniert das flott, kann sich dabei auf ihre Darsteller verlassen (Gemsch und Kurt sind famos), während Kameramann Tobias Dengler das Ganze in wonnig-bunte Bilder im Cinemascope kleidet:  Das Meer strahlt ebenso Türkis wie das berufsjugendliche Radfahr-Trikot von Peter, die Sonne scheint überall – eine Komödien-Wohlfühl-Optik. Hier werden gekonnt mit leichter Hand die schwereren Fragen behandelt: Kann man sich trennen wollen, obwohl man sich noch liebt? Kann platonische Freundschaft, in welcher Geschlechterkonstellation auch immer, so erfüllend sein wie die Liebe in einer Beziehung – und stabiler sowieso? Peter und Alice finden jedenfalls einen Weg, der einer ist von vielen möglichen.