Szene aus "Zwischen uns das Leben" mit Guillaume Canet als Schauspieler Mathieu, der kurz vor seinem Bühnendebüt in die Bretagne geflohen ist. Foto: Alamode

Flucht an den Pool: Der Pariser Schauspieler Mathieu (Guillaume Canet) hat sich kurz vor seinem Bühnendebüt in die Bretagne abgesetzt und grübelt nun, wie es weitergehen soll. Foto: Alamode Film

Die „Beach Bar“ ist geschlossen. Die Straßen sind leer, über den einsamen Strand in der Bretagne pfeift der Herbstwind. Aber immerhin: Im gut geheizten Luxushotel ist die Welt noch in Ordnung – ein Bediensteter zieht den Rollkoffer über den Teppichboden in Richtung „Prestige Suite“, der Bademantel im begehbaren Schrank verspricht endlose Flauschigkeit. Dieses gebuchte Entspannungspaket kann Schauspieler Mathieu (Guillaume Canet) bestens gebrauchen. Im gallischen Kino ist er ein großer Star, doch sein geplantes Debüt auf der Theaterbühne ein Fiasko: Vier Wochen vor der Premiere hat er hingeschmissen und sich damit den herzhaften Hass des Ensembles zugezogen; und auch den des Autors, der das Stück extra für ihn geschrieben hat und den Bühnen- und Paris-Flüchtigen nun „erbärmlich“ nennt.

Die unaufhaltsame Kaffeemaschine

Zu Beginn von „Zwischen uns das Leben“ begegnen wir einem Mann in der Krise, von der Regisseur und Co-Autor Stéphane Brizé aber durchaus mit hintersinnigem Humor erzählt: Vom Fitnessraum des Edelhotels kann man zwar auf den Strand schauen, doch Mathieu starrt am Laufband joggend lieber auf einen Bildschirm, der jenen Strand zeigt. Digitale Naturferne. Die Kaffeemaschine in der Edelsuite mag ein Wunderwerk des Designs sein – aber sie lässt sich nicht stoppen, der Koffeintrunk läuft endlos. Die Miene der mechanischen Winkekatze daneben wirkt da schon etwas spöttisch.

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Schöne Momente sind das, mit einem skurrilen Humor, die einige Kritiken motiviert haben, Vergleiche zum Filmemacher Jacques Tati und dessen Klassiker „Die Ferien des Monsieur Hulot“ zu ziehen – was dann doch übertrieben ist, zumal Regisseur Brizé den absurd getönten Humor im Lauf des Films aufgibt. Der ruhige und einsame Alltag zwischen Wellness und endlosen Selfies mit Hotelgästen endet, als Mathieu eine Nachricht erhält: In dem kleinen Ort, wo die Anwesenheit eines Stars schnell die Runde macht, wohnt auch Alice (Alba Rohrwacher) – einst waren sie liiert miteinander, vor 15 Jahren in Paris. Nun verabreden sie sich wieder.

Alice (Alba Rohrwacher) und Mathieu (Guillaume Canet), das einstige Liebespaar. Foto: Alamode

Das erste Treffen in einem Café, im Film ein zehnminütiger Dialog, ist anfangs ziemlich verlegen, mit einigem Smalltalk – doch schnell werden alte Verletzungen deutlich. „Du hast mich kaputt zurückgelassen“, sagt Alice, die nach der Trennung auf Antidepressiva angewiesen war – damals verschrieben, Ironie des Schicksals, von ihrem heutigen Mann und dem Vater ihrer Tochter. Unweigerlich stellen sich Alice und Mathieu die Frage – was wäre gewesen, wenn sie zusammengeblieben wären? Wären sie glücklicher als in ihrer tatsächlichen Lebenssituation? Oder war die schmerzhafte Trennung letztlich ein Segen?

Diese Fragen brodeln in den beiden, aber auch anderes kommt an die Oberfläche: Alice glaubt, „es zu nichts gebracht zu haben“, war sie doch einst auf dem Weg zur erfolgreichen Musikerin, spielt das Klavier aber mittlerweile nur noch privat oder in einem Seniorenheim. Und Mathieu scheint seine Popularität ebenso wenig geheuer zu sein wie die kollektive Annahme, er müsse doch glücklich sein, weil er so viel Erfolg hat.

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Es sind also einige Lebensthemen, die der Film aufblättert, wobei die Gespräche der beiden intensiv sind, aber nicht geschwätzig; vieles wird angedeutet, aber nicht ausgesprochen, manches muss man aus den Gesichtern der beiden famosen Darsteller herauslesen. Bisweilen gerät der Film aber in die Gefahr des Dekorativen, wenn er zwei schöne Menschen durch melancholisch schöne (oder schön melancholische) Landschaften wandern lässt, unterlegt von der zarten Pianomusik des französischen Musikers Vincent Delerm; die wird mal sehr diskret und effektiv eingesetzt, manchmal aber wirkt sie auch aufgesetzt und überdeutlich.

Keine einfachen Antworten

Gibt es nur die eine Lebensliebe? Auch darum geht es. Alice hat im Seniorenheim ein Interview mit einer Freundin aufgezeichnet – die erzählt von ihrer freudlosen, wenn auch nicht schrecklichen Ehe und davon, dass sie erst jetzt im Alter die große Liebe gefunden hat, eine Mitbewohnerin. Ist Alices aktuelle Ehe auch nur ein zufallsgeborener Kompromiss – oder doch das Glück ihres Lebens? Wie gut, dass der Film auf schwierige Fragen keine leichten Antworten parat hat und seine Figuren schon mal ziemlich irrational agieren lässt. Die Dinge des Lebens sind eben komplex. Ein philosophierender Fitnesstrainer am Strand sagt es im Film so: „Wer kann das Flüchtige schon unter Kontrolle bekommen?“

„Zwischen uns das Leben“ läuft aktuell in Saarbrücken in der Camera Zwo.