Über Film und dieses & jenes

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Der Bildband „The Goldfinger Files“ – eine Woche mit James Bond in der Schweiz

Ein winkender Sean Connery in der Bar des „Hotel Bergidyll“. Der Herr ganz rechts ist Spezialeffekte-Mann John Stears – er doubelt nebenbei den nicht anwesenden Gert Fröbe und wird später zwei Oscars gewinnen – für „Feuerball“ und für „Krieg der Sterne“. Foto: Famile Holzhauser / Steidl Verlag

Hoch die Tassen! Ein winkender Sean Connery in der Bar des „Hotel Bergidyll“. Der Herr ganz rechts ist Spezialeffekte-Mann John Stears – er doubelt nebenbei den nicht anwesenden Gert Fröbe und wird später zwei Oscars gewinnen – für „Feuerball“ und für „Krieg der Sterne“.       Foto: Famile Holzhauser / Steidl Verlag

 

Ein opulenter Bildband zeichnet eine Woche Dreharbeiten in der Schweiz am James-Bond-Film „Goldfinger“ von 1964 nach. Ein Stück Filmgeschichte als faszinierender Mikrokosmos.

Bücher über Dreharbeiten gibt es ja einige. Aber ein Bildband über gerade mal sieben Drehtage (plus einer für Anreise und Hotelbeziehen), die auch noch fast 60 Jahre zurückliegen? Eine bizarre Idee? Im Prinzip schon – aber nicht, wenn der Film „Goldfinger“ heißt. Denn jener dritte James-Bond-Film löste die 007-Hysterie der 1960er erst aus. Waren die Vorgänger „Dr. No“ und „Liebesgrüße aus Moskau“ noch vergleichsweise erdverbundene Thriller, hob „Goldfinger“ 1964 filmisch ab und bastelte sich seine ganz eigene 007-Welt mit Drehbuch-Ideen und Bildern, die zu Kino-Ikonen wurden: die vergoldete Frau, der Smoking unterm Taucheranzug, die Laserwaffe, die den Helden lendenaufwärts halbieren soll, der Hut mit tödlichem Stahlring in der Krempe – und nicht zuletzt der Aston Martin, das automobile Symbol eines eleganten Englands, ausgestattet mit einem Schleudersitz für Beifahrer.

 

Die Hotel-Hausband „The Hammond’s“ entdeckt eine neue Einnahmequelle: Ihr alter VW-Bus wird zum Imbisswagen der Bond-Filmer. ⇥Foto: Familie Holzhauser / SteIdl

Die Hotel-Hausband „The Hammond’s“ entdeckt eine neue Einnahmequelle: Ihr alter VW-Bus wird zum Imbisswagen der Bond-Filmer. Foto: Familie Holzhauser / SteIdl

 

„Goldfinger“ ist der stilbestimmendste Bond-Film und zeigt Sean Connery auf dem Höhepunkt seiner 007-Lässigkeit – ab dem Folgefilm „Feuerball“, bei dem der technische Bombast übermächtig wurde, ging es bergab mit des Schotten Motivation: angesichts des Rummels, schwächerer Drehbücher und seines wachsendes Hasses auf die Produzenten, von denen er sich finanziell übervorteilt fühlte.

Plattfuß durch Aston Martin

1964 war die Welt aber noch in Ordnung bei „Goldfinger“, diesem Stück Populärkultur, dem der Göttinger Steidl Verlag nun den famosen, exportfreundlich englischsprachigen und am Papierrand gar goldfarbenen Bildband „The Goldfinger Files“ widmet. Um jene sechseinhalbminütige Szene geht es, in der Bond in den Schweizer Alpen den Schurken Goldfinger (Gert Fröbe) verfolgt, in einen Mordanschlag auf ihn gerät und sich dann der glücklosen Attentäterin (gespielt von Tania Mallet) andient – nachdem er ihrem Wagen mit seinem trickreichen Aston Martin einen doppelten Plattfuß beschert hat.

Die Schweizer Bond-Kenner Steffen Appel und Peter Wälty haben für dieses Buch mit der Goldkante Hunderte Fotos der Dreharbeiten zusammengetragen, Pressebilder, Privataufnahmen, dazu Drehbuch-Passagen, Produktionsnotizen und Bildfolgen aus dem fertigen Film. Alles brachten sie in Detektivarbeit in eine Chronologie – teilweise durch den mikroskopischen Blick auf die Armbanduhren der Fotografierten.

Drehpause – Sean Connery filmt Schauspielerin Tania Mallet. Foto: Josef Ritter / Steidl

Das Ergebnis ist ein Bildertagebuch voller Nostalgie an die 1960er, mit Fernweh in Richtung der schönen Alpen und mit einer überraschenden Bodenständigkeit: Bond-Produktionen achten heute penibel darauf, wo sie der Presse Zugang gewähren und wo nicht. Bei „Goldfinger“ durften zwecks Werbe-Maximierung in jener Schweizer Woche die Fotografen bei allem dabei sein. So gibt es neben klassischen PR-Aufnahmen – Mallet und Connery wandeln auf dem Flughafen Zürich-Kloten die Gangway herab – auch ganz anderes: Connery etwa beim Imbiss-Stand der Dreharbeiten, mit Hühnerbein und Kartoffelsalat auf Pappteller nebst Plastikbesteck. Kein Bond-Glamour also – zumal das Mahl nicht von Spitzenköchen gereicht wurde, sondern von der Hausband des „Hotel Bergidyll“ in Andermatt, wo das 50-köpfige Bond-Team im Juli 1964 untergekommen war, nachdem alle anderen Gasthäuser der Region kein Interesse hatten (heute schwer vorstellbar). Jene Hausband, „The Blue Hammond’s“, beschallte in langen Nächten den britisch bevölkerten Tanzboden des Hotels und fuhr tagsüber mit einem klapprigen VW-Bus und angepapptem Schild mit „Catering Service Verpflegung Dreharbeiten“ den Bond-Filmern hinterher.

Interview mit Kulturwissenschaftler über James Bond

Mit dem 5. Juli 1964 beginnt das Buch. Sean Connery, damals 34, fliegt in Zürich ein, ohne Toupet und ohne Rummel – Bond ist noch kein Massenphänomen, anders als die Beatles, die, wie das Buch vermerkt, exakt vier Wochen vorher auf dem Flugplatz standen und heftig umkreischt wurden. Ein Detail am Rande: Im Film „Goldfinger“ äußert sich die Figur Bond ziemlich altväterlich über die Beatles, die ja nur mit Gehörschutz zu ertragen seien. Nun, ein Progressiver war Bond ja nie. Das „Bergidyll“ entpuppt sich aus heutiger Sicht als Innenarchitektur-Traum für Sixties-Nostalgiker. Connery bezieht Zimmer 21 und moniert, dass sein Bett für seine 1,88 Meter Körperlänge zu klein sei. Der praktische Rat des Hoteliers: Er solle sich doch diagonal zur Nachtruhe legen, schließlich schlummere er in einem Doppelbett.

Mit Papptellern in der Wiese

Tags drauf beginnen die Dreharbeiten im Urserental im Kanton Uri auf 1500 Metern Höhe. Vor allem Autofahrten mit dem neuen Ford Mustang werden gefilmt, den die Autobauer bei Bond werbetechnisch untergebracht haben. 007 ist eben der König der Schleichwerbung und des Lizensierens. Connery hat wenig zu tun, also gibt er die ersten von unzähligen Interviews und stellt klar, wie sehr er es hasse, wenn man ihn als „Mr. Bond“ anspricht. Die Fotos dazu wirken wie ein Betriebsausflug im Grünen – man liegt mit Papptellern in der Wiese oder schaut hoch in den Himmel, wo Schweizer Militärmaschinen Flugübungen machen. Bei den Dreharbeiten ist mindestens ein Schweizer Soldat zugegen, waren Teile des Urserentals in den 1960ern doch militärisches Sperrgebiet.

Eine alte Kino-Anzeige für "Goldfinger".

„Goldfinger“ lief in manchen Kinos monatelang. Foto: Archiv Saarbrücker Zeitung

Die 60er spiegeln sich auch in der Technik wieder und in den Herausforderungen an eine Filmproduktion: Im „Bergidyll“ muss die Produktionsgesellschaft EON bei der Schweizer Post vorab zehn Telefonleitungen für die Hotellobby beantragen, die zur Überraschung vor allem der Einheimischen sogar rechtzeitig installiert werden. Zugleich wird der Raum für die Skier zur Dunkelkammer umgebaut – der entwickelte Film wird regelmäßig nach Zürich chauffiert und von dort nach London geflogen, wo Cutter Peter Hunt (der 1968/69 selbst einen Bond drehen wird, „Im Geheimdienst ihrer Majestät“) das Material sichtet.

 

Da die britische Gewerkschaft auf einen Arzt am Set besteht, wird kurzerhand der Cousin des Hotelbesitzers (und Mediziner) engagiert, der in jener Woche so viel verdient wie sonst in einem Monat als Assistenzarzt in Basel. Mehr als eine Magenverstimmung muss er nicht behandeln – erstaunlich, wird doch, auch das zeigt das Buch, ausgiebig gefeiert. Die kleinste Whisky-Einheit, die man in der Bar des „Bergidyll“ bestellen kann, ist gleich eine doppelte.

Zum Tod von Roger Moore

Connery, leicht unleidlich

Was erfährt man noch bei diesem wunderbar nostalgischen Bilderbogen? Dass bei den Dreharbeiten ausgerechnet das Traumauto Aston Martin auf der Strecke bleibt – die Kupplung gibt zügig den Geist auf, und da die Zeit drängt, wird ein Zweit­exemplar der Nobelkarosse eingeflogen. Connery wird im Laufe der Woche bei den Interviews etwas unleidlich, vielleicht wegen der ähnlichen Fragen, vielleicht wegen eines regelmäßigen Katers.

Gert Fröbe ist gar nicht dabei

Auch um die eheliche Treue Connerys geht es nebenbei im Buch, wobei die Quellen da auseinander gehen: Für manche Zeitzeugen war er in jener Schweizer Woche der vollendete platonische Gentleman, für andere ein Füllhorn der möglicherweise erfolgreichen Anmachsprüche. Kurios: Darsteller Gert Fröbe spielt in den Schweizer Szenen zwar mit, ist aber nicht anwesend: Nahaufnahmen mit ihm werden in London gedreht und später in den Film geschnitten, in der Schweiz wird er für Kamera-Einstellungen von Weitem gedoubelt – vom Spezialeffekte-Mann John Stears, der nicht einmal Fröbes bullige Figur hat, was aber nicht auffällt: die Magie des Kinos eben. Diese Magie verlässt sonntagabends am 12. Juli 1964 wieder das Schweizer Idyll, der Bildband schließt mit Abschiedsfotos. Connerys Double Bill Baskerville und Harold Sakata, der Darsteller des mörderisch hutwerfenden Zweitschurken „Odd Job“, posieren sichtlich dankbar mit den Betreibern des beliebten improvisierten Imbisswagens, Connery signiert das Fotoalbum des Barmannes Heini Holzhauser. Und um 19.15 Uhr hebt die Maschine der British European Airways in Zürich ab, in Richtung London. Dort werkelt man dann weiter an diesem Stück Kinogeschichte.

Steffen Appel, Peter Wälty: The Goldfinger Files.
Steidl Verlag,
192 S., 346 Abbildungen. 38 Euro.
www.steidl.de

Interview zu James Bond: „Die Filme dieser Zeit sind schamlos sexistisch“

"Höhepunkte am laufenden Band, Mädchen, die wie Siamkatzen schnurren" - eine Anzeige zum 1973er Bond "Der Mann mit dem Goldenen Colt". Foto: Archiv SZ

„Höhepunkte am laufenden Band, Mädchen, die wie Siamkatzen schnurren“ – eine Anzeige zum 1974er Bond „Der Mann mit dem Goldenen Colt“. Foto: Archiv SZ

 

Schurken, die in Vulkanen wohnen, Frauennamen wie „Pussy Galore“ und James Bond, der immer wieder die Welt rettet. Der Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck hat ein sehr vergnügliches Buch über die Welt von 007 geschrieben. Ich habe mit ihm gesprochen – unter anderem über das alte Thema: Wie sexistisch sind die Bond-Filme, wie rassistisch die alten Romane?

Das British Film Institute BFI versieht jetzt auch Bond-Filme in einer John-Barry-Reihe mit einem Warnhinweis, dass man sich auf Stereotypen einstellen soll und auf einen Zeitgeist von gestern. Wie sinnvoll ist das?  

SCHWANEBECK Ich finde diese Hinweisangebote ganz sympathisch und ziehe sie in jedem Fall der Zensur oder nachträglichen Retuschierung vor. Eine kurze Einblendung vor Filmbeginn tut niemandem weh, sie ersetzt aber natürlich keine gründliche Auseinandersetzung mit den Filmen – mit den ganzen ethnischen Stereotypen und dieser ganzen Playboy-Fantasiewelt, die eigentlich schon damals niemand mit der Realität verwechselt haben dürfte. Die alten Filme sollten ansonsten intakt bleiben dürfen, als Zeitdokumente oder eben auch, um die Weiterentwicklung von heute messen zu können. Damals gab es in den Filmen Frauen, die zum Beispiel Pussy Galore heißen, als wären sie Offerten zum Geschlechtsverkehr, und besonders schurkischen Schurken. Das würde niemand mit der Realität verwechseln. Die neueren Filme bedienen solche Stereotypen nicht mehr, es gibt etwa kein „Yellowfacing“ mehr wie im ersten Kino-Bond „Dr. No“, wo ein kanadischer weißer Schauspieler zu einem asiatischen Bösewicht umgeschminkt wird. Und Bond schießt auch nicht mehr dutzendweise gesichtslose chinesische Handlanger über den Haufen.

Ich habe vor einiger Zeit meinen liebsten Roger-Moore-Bond, „Der Spion, der mich liebte“ von 1977, mit dem Unterwasserauto und einem Handlanger mit Stahlgebiss, meiner Tochter gezeigt – damals ihr erster Bond. Und mir war es ziemlich peinlich, weil ich diesen Altherren-Sexismus gar nicht in Erinnerung hatte. Mit elf, als ich den Film zum ersten Mal sah, fand ich das alles ziemlich witzig – und eigentlich auch ganz normal.

SCHWANEBECK Die Filme dieser Zeit sind schamlos sexistisch, das zieht sich mindestens durch die 1960er und 1970er. In „Goldfinger“ verabschiedet Bond seine Gespielin mit einem Klaps auf den Hintern, weil jetzt „Männergespräche“ anstehen – dass uns das heute so fremdschammäßig peinlich vorkommt und wir beim Schauen mit den Augen rollen, zeigt aber, dass sich die Kultur gewandelt hat. Auch Jugendliche wissen, wie sie das einsortieren müssen: als Opa-Humor von gestern, so wie einen Witz von Fips Asmussen. Den Schauwert dieser Filme kann man ja trotzdem genießen. Und eigentlich zwinkern uns diese Filme, gerade die mit Roger Moore, immer zu, um uns klarzumachen, dass sie gar kein Abbild der Realität sein wollen. In der Bond-Forschung gibt es auch feministische Lesarten, die die Filme als überzogenes Zerrbild unserer sexistischen Gesellschaft sehen – so dass man eigentlich mit Bond lachen muss, nicht über ihn.

 

Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck.

Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck.

 

Haben die Macher der frühen Filme das beabsichtigt? Sozusagen Bond als Sexismus-Satire?

SCHWANEBECK Das glaube ich nicht. Bücher, Filme und Musik haben ja oft eine unbewusste Ebene. Schauen Sie sich „Diamantenfieber“ mit Sean Connery von 1971 an – ein Film, in dem Bond durch enge Röhren kriecht, es viel Toiletten-Humor gibt und er es mit schwulen Killern zu tun bekommt. Da schreibt sich schon eine Art Anal- und Homophobie in den Film ein. Ob die jetzt vom Drehbuch kommt, von der Romanvorlage, von der Regie oder von Connery, der ein relativ reaktionäres Mannsbild gewesen sein soll, ist schwer zu sagen. Die späteren Filme sind da cleverer und intellektueller, da muss Bond ja auch mal zum Psychologen oder wird von seiner Vorgesetzten als sexistischer Dinosaurier bezeichnet.

Was fasziniert Sie als Kulturwissenschaftler generell am Thema Bond?

SCHWANEBECK An Bond kann man zum Beispiel das Verhältnis zur britischen Monarchie behandeln oder fragen, wie sich die britische Gesellschaft sieht. Die Filme lassen sich gut als Statement zum Zeitgeist lesen.

Zum Beispiel?

SCHWANEBECK Besonders deutlich ist das bei Roger Moore. Er verkörpert ja mit seinen Safari-Anzügen die Leichtigkeit des verspäteten Kolonialherren, der eine große Playboy-Party feiert. Aber als er Mitte der 1980er abtritt, kommt gerade das böse Erwachen mit Aids – und entsprechend muss sich sein Nachfolger Timothy Dalton verhalten. Er ist relativ monogam und versucht ein bisschen Seriosität herzustellen – so gesehen hat sich da bei Bond etwas verändert, so wie die Welt auch.

 

Wie groß sind die Unterschiede zwischen dem literarischen Bond von Ian Fleming und dem Kino-Bond?

SCHWANEBECK Autor Fleming war ein ganz großer Freund der amerikanischen Krimischule, seine Vorbilder kamen nicht aus dem verknöcherten Dunstkreis britischer klassischer Abenteuerliteratur. Deswegen sind die Männer bei Fleming meist versoffen, abgebrüht und zynisch. Er bietet auch „femmes fatales“ auf, die ein falsches Spiel spielen, weswegen Bond am Ende von „Casino Royale“, als seine Freundin stirbt, ja auch „Die Schlampe ist tot“ sagt – sehr prägend für das Frauenbild des literarischen Bond. In Flemings Büchern finden sich Antisemitismus, dazu Vorurteile etwa über Asiaten, denen man meist nicht trauen kann – nicht direkt aus der Erzählersicht, sondern gebrochen durch Bonds Perspektive. Bond steckt voller Vorurteile, für ihn sind alle Frauen, Juden, Schwarzen, Asiaten auf ihre Weise gleich. Das ist in den Filmen abgemildert, auch schon in den frühen, denn in den 1960ern, als die ersten Kino-Bonds entstanden, ging alles etwas spielerischer zu, in Richtung einer etwas offeneren Gesellschaft und auch einer „Playboy“-Kultur.

Ist der literarische Bond ohnehin nicht eine eher langweilige Figur? Ein etwas spießiger Snob mit Vorliebe für edle Marken-Waren, die Fleming höchst liebevoll immer und immer wieder herunterbetet?

SCHWANEBECK Spießer trifft es ganz gut, Flemings Bond ist ein ziemlich reaktionärer Knochen, vor allem der häusliche Bond, den man in den Filmen ja selten sieht: Er braucht seine Rituale, seine morgendlichen Rühreier, seinen Kaffee und seine vertraute Zigarettenmarke.

Ihr Buch enthält sich der üblichen, meist nutzlosen Listen, etwa wer der beste Bond-Darsteller oder was sein schönstes Auto ist – aber einen Film bezeichnen Sie als den mitreißendsten, auch meinen Lieblings-Bond: „Im Geheimdienst ihrer Majestät“. Was macht den Film so besonders?

SCHWANEBECK Inhaltlich unterscheidet er sich sehr stark von den anderen – er ist eher melodramatisch, zwischendurch gibt es eine ganze Stunde ohne Actionsequenz, der Film baut eine Beziehung auf, Bond heiratet am Ende. Das ist alles sehr untypisch. Auch gestalterisch ist der Film eine Klasse für sich. Regisseur Steven Soderbergh meinte einmal, das sei der einzige Bond, von dem man sich jede Kamera-Einstellung gerahmt übers Bett hängen möchte. Da ist was dran. Das geht auch über diesen Postkarten-Exotismus hinaus, den man sonst so bei Bond findet. Vielleicht ist es Zufall, aber es ist auch die werkgetreuste Verfilmung eines Fleming-Romans. Und die Vorlage ist ein später Fleming – Bond gewinnt in den letzten Romanen deutlich an charakterlichem Profil.​

 

Eine alte Anzeige zu "Im Geheimdienst ihrer Majestät". Foto: Archiv SZ

Eine alte Anzeige zu „Im Geheimdienst ihrer Majestät“. Foto: Archiv SZ

 

Hätten Sie sich gewünscht, dass Lazenby als Darsteller länger drangeblieben wäre?​

SCHWANEBECK Ach, dieses „was wäre wenn“ finde ich meistens müßig – es hätte der Serie vielleicht nicht geschadet, weil es dann, als Connery in „Diamantenfieber“ unerwartet zurückkam, viele Kontinuitätssprünge gab. Aber hätte seine Präsenz die Filme wesentlich verändert? Ich weiß es nicht. Die Filme entstanden bis zum Ende des Kalten Krieges relativ beständig im Zwei-Jahres-Takt und wurden meist auch unabhängig von der Besetzung entworfen und geplant.​

Lazenby hat einen Film gedreht, Timothy Dalton 1987 und 1989 auch nur zwei, der zweite war ein relativer Flop. Warum hat es mit ihm nicht funktioniert?​

SCHWANEBECK Für das damalige Publikum kann ich nicht sprechen, aber es wird oft ins Feld geführt, dass Dalton kein großer Frauenmagnet gewesen sein soll. „Lizenz zum Töten“ ist einer der am wenigsten erfolgreichen Bond-Filme, er musste 1989 aber auch antreten gegen Blockbuster wie„Batman“, „Zurück in die Zukunft 2“, „Indiana Jones 3“ – übrigens mit Sean Connery. Der Film ist gut gemacht und nimmt mit seiner Härte und Nüchternheit ja einiges von dem vorweg, was später bei Daniel Craig Erfolg hatte.​

Wie konservativ ist der klassische Bond-Fan? Auffällig ist in vielen Foren und Facebook-Gruppen: Sobald jemand erwähnt, Bond könnte doch mal von einer Frau gespielt werden oder von einem Nicht-Weißen, ist die Empörung riesengroß.

SCHWANEBECK Ich mache keine empirische Rezeptionsforschung, aber die Forschung stellt sich die Bond-Fans meines Erachtens etwas zu konservativ vor. Wenn nur Bond-Puristen die Kinokarten für Bond gelöst hätten, dann wären die Filme nicht derart erfolgreich. Da gehen auch Leute ins Kino wie meine Eltern, denen egal ist, wer Bond spielt, welche Hautfarbe der Darsteller hat oder welche Haarfarbe – selbst da gab es übrigens bei konservativen Bond-Fans einst Diskussionen und Proteste, weil manchen die blonden Haare von Daniel Craig nicht gefallen haben.

Die Bond-Filme waren lange aus der Hochkultur ausgeschlossen, auch seitens der Filmkritik – die war in den 60ern bis 80ern eher etwas hämisch und naserümpfend. Mittlerweile ist das anders – was ist da passiert?

SCHWANEBECK Die linksliberale Filmkritik der 60er und 70er hat Bond als faschistische Figur abgetan – nicht ganz zu Unrecht. Ernst genommen wurde Bond dann später, als er sich auch der realen Welt mit ihren realen Problemen zugewandt hat, als der Plot mehr bot als „Schurke entführt Atomsprengkopf und erpresst die Welt um zig Millionen Dollar“. Bond ermittelt im Drogenmilieu, Bond mischt sich in den Kampf um Ressourcen ein.

 

Die Figur Bond gilt ja gerne als Trost für Briten, die dem Empire und der bestimmenden Rolle Englands in der Welt nachtrauern – der Brite Bond rettet stellvertretend für das Empire die ganze Welt. Haben die jüngsten Bond-Filme irgendwo Stellung zum Brexit bezogen?

SCHWANEBECK Explizit nicht – aber das Motiv des Rückzugs, des Rückzugsgefechts, fällt schon auf. Auch die Tatsache, dass die jüngsten Filme England und London als Handlungsort entdeckt haben. „Spectre“ formuliert sehr deutlich ein Misstrauen in politische Entscheidungen und Entscheidungsträger im eigenen Land. Das hätte es in den alten Bonds nie gegeben – da hat Bond seine Pflicht erfüllt, weil er überzeugt war, für eine gute Sache zu kämpfen. Im eigenen Stall gibt es keine Korruption, der Auftrag ist eindeutig legitim – das hat sich in den letzten beiden Filmen verschoben.

Daniel Craig ist mittlerweile abgetreten. Wer könnte oder sollte ihm nachfolgen?

SCHWANEBECK Einen Tipp möchte ich ungern geben. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn die Produzenten mal in eine andere Richtung gehen würden. Mir fallen da schon ein paar Leute ein, die durchaus interessant wären, aber mein Herz habe ich an niemanden verschenkt. Idris Elba hätte ich mir sehr gut vorstellen können, aber er ist fast schon 50 und damit womöglich zu alt – ein sehr guter und charismatischer Schauspieler. David Oyelowo wäre ebenfalls interessant, auch ein schwarzer Schauspieler. Dan Stevens aus „Downton Abbey“ wäre die klassische Wahl eines sehr gutaussehenden, sehr viel Englishness verströmenden Darstellers.

Und Tom Hardy, der immer mal wieder genannt wird?

SCHWANEBECK Da bin ich skeptisch. Er verströmt vielleicht zu viel von der wortkargen Härte, die wir schon von Daniel Craig kennen, aber er ist ein guter Freund von Regisseur Christopher Nolan – vielleicht kriegt man Nolan dann mal dazu, einen Bond-Film zu machen.

Ist Nolan nicht ein bisschen zu künstlerisch beziehungsweise manchmal etwas zu prätentiös für Bond? Die Reihe funktioniert ja gerade mit sogenannten „guten Regie-Handwerkern“ wie Martin Campbell etwa, der „GoldenEye“ und „Casino Royale“ gedreht hat, besonders gut. Nolans Filme wollen immer besonders clever wirken, cleverer, als sie manchmal sind.

SCHWANEBECK Den Eindruck würde ich teilen, und Nolan hat ja eigentlich seine Bond-Filme schon gedreht: „Inception“ und „Tenet“. Aber dennoch – warum nicht? Schön wäre, wenn nicht dasselbe Personal zehn, 15 Jahre Bond gestaltet, sondern dass sich da alle drei, vier Jahre jemand ausprobieren darf. Warum nicht mal ein Film von Nolan? Oder von Lynne Ramsay, einer tollen Regisseurin? Oder Phoebe Waller-Bridge, einer Autorin, die bei „Keine Zeit zu sterben“ den Dialog aufpoliert hat und bei der Serie „Killing Eve“ gezeigt hat, dass sie eine Bond-Geschichte auf sehr smarte und witzige Weise schreiben könnte. Warum nicht alle drei Jahre die Schlüssel fürs teure Familienauto mal jemand anderem geben? Dann wäre auch mehr Raum für verschiedene Perspektiven – mal ein witziger, mal ein sehr ernster, mal ein nostalgisch-verspielter, mal ein ultra-futuristischer. Die Marke würde es aushalten.

Wieland Schwanebeck: James Bond.
100 Seiten.
Reclam, 100 S., 10 Euro.

„Stingray“ von Gerry Anderson – Puppenkiste unter Wasser

 

Gerry Anderson? Hierzulande ist der Produzent (1929-2012) vor allem reiferen Nostalgikern ein Begriff – in England ist er so etwas wie eine Legende, zumal sein Sohn Jamie sein Andenken pflegt und vermarktet. „Mondbasis Alpha 1“ (1975-1977) ist wohl seine bei uns bekannteste Serie; in England hatte er auch mit vielem anderen Erfolg. Gut, dass die saarländische Firma Pidax einige Komplettboxen veröffentlicht: zum Beispiel „Thunderbirds“ (1965/66), „Captain Scarlet“ (1967/68), „Ufo“ (1970/71) – und nun auch die Marionettenserie „Stingray“

Bizarres unter Wasser

Die 39 Folgen auf fünf DVDs spielen 2065 und überwiegend unter Wasser, wo sich bizarre Wesen und  Schurken tummeln, nicht zuletzt der Despot Titan, dem die Landbewohner ein Dorn im Auge sind. Wie gut, dass es das schnittige U-Boot Stingray gibt, deren Kapitän Troy Tempest allen Widersachern zeigt, wo in der Tiefsee der Hammer hängt – humorig und kindgerecht. „Stingray“ ist Andersons erste in Farbe produzierte Serie, die hier konsequent genutzt wird: knallbunt sind die extrem liebevollen Bauten – da schaut man gerne genau hin, gerade auch wenn die maritime Serie manchmal etwas dahin plätschert. Wie oft bei Anderson hat Modell- und Pyrotechnik-Zauberer Derek Meddings die exzellenten Effekte gestaltet. Kein Wunder, dass später James Bond und Superman  bei ihm anklopften.

Erschienen bei Pidax.

Doku „Heimat Saarland – Unsere Kinogeschichten“

Preziosen aus der saarländischen Kinogeschichte - Autogrammkarten von Stars, die hier mal vorbei schauten. Foto: WP Films

Preziosen aus der saarländischen Kinogeschichte – Autogrammkarten von Stars, die hier mal vorbei schauten. Foto: WP Films

 

Wie klingen 100 Kinoklappstühle, die zugleich hochknallen – verbunden mit ein paar Schreckensschreien? Es muss ziemlich laut gewesen sein. Joseph Feilen kann sich noch bestens erinnern. Vor fast 50 Jahren war das, als der „Weiße Hai“ sich durch die deutschen Kinos fraß und das Publikum kollektiv aus den Sitzen springen ließ. „Das gibt es nur im Kino“, sagt der Filmfan in der Doku „Heimat Saarland – Unsere Kinogeschichten“.

Magie des Kinos beschwören

Der Homburger Regisseur Thomas Scherer („Unter Tannen“) und Klaus Ebert wollen mit ihrem halbstündigen Film zweierlei: einmal die Magie des Kinos beschwören und zugleich einen Blick werfen auf die Kinogeschichte des Saarlandes. 2022 hatten sie eine Doku über die Historie der Lichtspiele Wadern gedreht („Heimat Kino“) und da sozusagen die cineastische Spur aufgenommen. Scherer startete vor einem Jahr einen saarlandweiten Aufruf nach Erinnerungen an Kino-Erlebnisse. Groß war die Resonanz, die Saarland-Medien sagte Förderung zu, an acht Drehtagen führte er Interviews mit Experten, Kinofans und -betreibern, filmte in Kinos des Saarlandes.

So war es beim Günter Rohrbach Filmpreis in Neunkirchen

Eingebettet sind die Erinnerungen in eine Rahmenhandlung: Ein Klempner (Klaus Ebert) stolpert beim Saubermachen im Hinterzimmer eines Kinos über eine Filmrolle. Die ist unbeschriftet und so mysteriös wie eine aus dem Nichts auftauchende Dame (Katrin Larissa Kasper), die ihn auf die Suche schickt nach einem Projektor für die 35-Millimeter-Rolle. Erste Stationen sind das Union-Theater in Illingen und das Saarbrücker Kino Achteinhalb, in dem man einigen Zeitzeugen lauschen kann – nicht zuletzt einer Veteranin, um nicht zu sagen der großen alten Dame des saarländischen Kinos: Inge Theis, die mit ihrem Mann Günter Theis Filmtheater in Völklingen und in Saarbrücken betrieb, darunter die selige Camera an der Berliner Promenade. Im Film erinnert sie sich unter anderem an „das Geschäft ihres Lebens“, weder mit „Star Wars“ noch James Bond, sondern mit Ingmar Bergmans Drama „Das Schweigen“ von 1963. Dessen Erfolg führt Kinofan Feilen – da müssen Anhänger des schwedischen Meisterregisseurs stark sein – vor allem darauf zurück, „dass da jemand nackig zu sehen war“.

Erste Vorführungen ab 1896

Paul Burgard vom Saarländischen Landesarchiv und Kulturhistoriker Clemens Zimmermann erklären, wie schnell die Kinolandschaft im Saarland wuchs, schon ab Oktober 1896 flimmerten hier Filme, wenn auch nicht in Kinos, sondern in Gastwirtschaften, mit mobilen „Kinematografen“. In den Jahrzehnten danach folgten viele Kinobauten, die vor allem 1943/44 zerstört wurden. Nach dem Krieg hat sich die Filmtheaterlandschaft schnell wieder erholt, für Burgard „fast ein Husarenstück“; Kulturwissenschaftlerin Aline Maldener erwähnt die Praxis der französischen Nachkriegsverwaltung, viel gallische Filmware in den Kinos unterzubringen.

Eine Filmrolle ist „25 Kilo Glück“

In die Vorführpraxis geht es mit Kameramann und Regisseur Klaus Peter Weber, der in seinem gemütlichen Saarbrücker Eigenbau-Kellerkino im Keller von der Zeit erzählt, als er im Saarbrücker UT-Kino als junger Vorführer mit den komplexen Projektoren hantierte. Eine Filmrolle bedeute zwar „25 Kilo Glück“, sagt Weber, damals sei das Material aber noch buchstäblich brandgefährlich gewesen.

Der spätere Kameramann Klaus Peter Weber, damals 17 Jahre alt, vor seinem Streichholzmodell der „Brücke am Kwai“, das zum Filmstart im Saarbrücker Union-Theater ausgestellt wurde.

Auch eine Kinogeschichte: Der spätere Kameramann Klaus Peter Weber, damals 17 Jahre alt, vor seinem Streichholzmodell der „Brücke am Kwai“, das zum Filmstart im Saarbrücker Union-Theater ausgestellt wurde.​ Das Foto findet sich auch im famosen Buch „Filmrausch – Das Kinowunder im Saarland“. Foto: Klaus Peter Weber

 

Auch Kinobetreiber erzählen – Claudia Ziegler und Robert Haas von den Haas Filmtheater-Betrieben, Ingrid Kraus und Waldemar Spallek vom Kino Achteinhalb, das einst als Nebenraum in der Alten Feuerwache begann, Michael Krane und Anne Reitze von der Camera Zwo; sie alle machen deutlich, wie schön der Beruf sein kann – und wie schwierig. Zwei Kinos auf dem Land, die sich kommerziell nicht mehr trugen, wurden von rührigen Filmfans gerettet, die sie in Vereinsform weiterführen: die Lichtspiele Wadern und die Lichtspiele Losheim.

Hans Albers war zu Besuch

Das Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Festival wird thematisch angeschnitten, auch der Neunkircher Günter Rohrbach Filmpreis; in der Kürze der Laufzeit kann es da nicht in die Tiefe gehen, aber man erfährt viel über das Kino im Saarland – auch durch das illustrierende Fotomaterial, das teilweise aus dem Buch „Filmrausch – Das Kinowunder im Saarland“ stammt, herausgegeben von Gabi Hartmann, Burgard und Weber, die im Film dabei sein. Die betagten Bilder beschwören eine Zeit herauf, in dem die Filmtheaterdichte hier deutlich höher war, wo Stars wie Hans Albers, Marianne Koch oder Gustav Knuth zu Premierenbesuch kamen, und wo ein erotisch unterfütterter Klamauk wie „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“ 1968 seine Welturaufführung in Saarbrücken erlebte.

Diese halbe Stunde Film ist sehr schnell vorbei, am Ende wird auch das Rätsel der Filmrolle gelöst; man kann sich problemlos eine doppelte Laufzeit ohne Längen vorstellen – vielleicht kann man auf eine erweiterte Version hoffen, genug Material ist bei den Interviews sicherlich angefallen. Regisseur Scherer hofft derweil, dass „Heimat Saarland – Unsere Kinogeschichten“ der Auftakt sein könnte zu Dokus über weitere Themenschwerpunkte – der Filmemacher will „mit Zeitzeugen sprechen und saarländische Schätze festhalten, bevor niemand mehr da ist, um diese Geschichten zu erzählen“.

Infos unter www.wp-films.de

Die bunte Ödnis: „Heart of Stone“ mit Gal Gadot bei Netflix

Netflix gal Gadot Heart of Stone

Gal Gadot im freien Fall in „Heart of Stone“.  Foto: Netflix

So viel Aufwand, so viele Schauplätze, so viel Action – und dann so viel Mittelmaß. So viel bunte Monotonie. „Heart of Stone“ ist ein merkwürdiger Film. Er will James Bond und „Mission: Impossible“ in einem sein, der Streaming-Anbieter Netflix hat viele Millionen investiert. Aber das Ergebnis, zurzeit der meistgesehene Film bei Netflix, ist ein ewiges Déjà-vu. Gal Gadot („Wonder Woman“, auch Mitproduzentin) spielt Rachel Stone, scheinbar eine verhuschte Agentin beim britischen Geheimdienst, die sich bei gefährlichen Einsätzen auf der Toilette versteckt. In Wahrheit ist sie die Super-Agentin der Super-Geheimorganisation „The Charter“, die ein Super-Technikdingsbums namens „Herz“ besitzt: ein Objekt, mit dem man sich in jeden PC, jedes Handy, jede Überwachungskamera hacken kann. Die totale Überwachung also, aber natürlich zum Wohle der Menschheit. Mit so viel Information greift man überall auf der Welt ein, „ohne die Erlaubnis der Regierungen“; die seien ja ohnehin überfordert und, das darf man weiterdenken, behindert von Lappalien wie etwa Gesetzen.

Schweighöfer als Mann der Technik

Kein Wunder, dass auch Finsterlinge dieses „Herz“ haben wollen, und so beginnt eine Jagd um den Globus, von „London – England“ wie uns der Film geografisch belehrt, über Lissabon, den Senegal bis nach Island. Wechselnde Schauplätze, aufwändige Action-Sequenzen – das hätte das Potenzial für sichtlich angestrebten 007-Flair. Aber richtig zünden mag das Ganze nicht, weil vieles abgestanden wirkt. Da ist Matthias Schweighöfer als Klischee-Technikgenie von „Charter“, das mit großen Armbewegungen projizierte Datenbilder durch den Raum schiebt und der Agentin Stone auf die Sekunde genau vorhersagt, wann Finsterlinge ihre Wohnungstür aufbrechen werden – merkwürdig nur, dass ihm entging, dass sie schon länger schwer bewaffnet im Hausflur herumstehen.

Interview über die Zukunft von James Bond

„Los los los!“ und „Nein nein nein!“

Actionfilme sind selten ein Hort der Logik, aber „Heart of Stone“ macht es sich dann doch zu einfach: Stone wandert problemlos in das unverschlossene Haus eines Agentenkollegen, fummelt am bereitstehenden Laptop herum, erklärt der dort sitzenden Katze, was sie vor hat (damit wir das auch wissen), kitzelt aus dem PC eine höchst geheime Info heraus, um wieder zu gehen, ohne den Laptop auch nur mal zuzuklappen. Flach wie ein zugeklappter Laptop sind auch viele Sätze, vom actionfilmüblichen „Los los los!“ oder „Nein nein nein!“ bis zum Doof-Dialog-Klassiker „Das ist kein Spiel“. Die Erklärbär-Szenen zwischen den kompetenten, aber in dieser Art schon oft gesehenen Action-Sequenzen sind bleiern.

Die totale Überwachung

Wohltuend ist, dass Tom Harpers Film keine große geschlechterpolitische Sache, kein Statement daraus macht, dass es keinen Action-Helden, sondern eine -Heldin gibt. Aber die Hauptdarstellerin Gal Gadot ist nur mäßig ausdrucksstark; den oft müden Drehbuchsätzen haucht sie kein Leben ein, auch denen nicht, die sich oberflächlich um den Konflikt zwischen kalten Daten und menschlicher Intuition drehen. Jedenfalls wird totale Überwachung nicht dadurch sympathischer, dass man von Frau Gadot und Herrn Schweighöfer ausgespäht wird. Vielleicht ist es ja eine gute Nachricht, dass der Film so schlecht ist (und das mediale Echo entsprechend) – möglicherweise pumpt Netflix einige Millionen wieder mal in ambitioniertere Filme, wie das Unternehmen es etwa bei „Roma“ und Scorseses „The Irishman“ getan hat.

„OSS 117 – Liebesgrüße aus Afrika“ mit Jean Dujardin

OSS 117 Jean Dujardin Liebesgrüße aus Afrika

OSS 117 (Jean Dujardin) erkundet die Tierwelt Afrikas. Foto: Plaion

„Jeder Mensch träumt davon, Franzose zu sein!“ So sieht es jedenfalls der französische Agent Hubert Bonisseur de la Bath  – alias OSS 117. Diese Erkenntnis deklamiert er gerne mit stolzespraller Brust, auch in russischer Gefangenschaft in Afghanistan an Neujahr 1981. Da und dort beginnt die mittlerweile dritte Komödie mit dem gallischen Oscar-Preisträger Jean Dujardin („The Artist“) als französischem Agent;  die Figur OSS 117 nahm ihren Anfang ab 1949 in Spionage-Romanen von Jean Bruce. Die wurden dann in den 1960ern fürs Kino verfilmt, als James-Bond-Imitate mit herrlich reißerischen Titeln wie „Pulverfass Bahia“ oder „Teufelstanz in Tokio“ – an den Glamour von 007 kamen sie allerdings nicht heran.

Eurospy mit Frederick Stafford, der einst OSS 117 spielte

Jean Dujardin, einer der großen Stars Frankreichs zurzeit, drehte 2006 und 2009 die ersten beiden Komödien, teils Parodie auf Bond und das Spionage-Kino, teils Satire auf ungehemmten Chauvinismus und eine gewisse Dummheit: Frauen sind für OSS 117 nicht ganz ernst zu nehmen, auf andere Länder und Kulturen blickt er milde lächelnd herab – und dass es tatsächlich Franzosen gab, die nicht in der Résistance waren, hält er für ein böswilliges Gerücht. Zwei sehr charmante Filme sind das, denen das fast Unmögliche gelang: die Kinos zu füllen und zugleich eine gute Kritik in der cineastischen Bibel „Cahiers du Cinema“ zu bekommen. Parbleu!

Nun erscheint, 12 Jahre nach dem Vorgänger, das dritte Abenteuer bei uns im Heimkino – dessen deutscher Titel „Liebesgrüße aus Afrika“ erinnert an den Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“, der Originaltitel klingt herrlich nach einem knallbunten 60er-Jahre-Agentenfilm: „Alerte rouge en Afrique Noir“. Die Mission diesmal: In einem afrikanischen Staat soll OSS 117 die drohende Rebellion gegen den Machthaber zerschlagen – der mag zwar ein Tyrann sein, aber er ist „ein Freund Frankreichs“, wie der Chef des Agenten ihm mitteilt – schließlich liegen in seinem Land Diamantminen, deren Erlöse nicht zuletzt in Richtung Paris fließen. OSS 117 nimmt die Arbeit auf, unter dem schönen Decknamen Émile Cousin, hat dabei aber Hilfe, die er gar nicht will: OSS 1001 (Pierre Niney), ein Nachwuchsagent voller Heldenverehrung für den legendären 117; die schwindet vor Ort dann allerdings, wird ihm die Inkompetenz des älteren Kollegen doch schmerzhaft deutlich.

„Aus Spaß spricht niemand Deutsch.“

Das ist der grobe Handlungsrahmen, den Drehbuchautor Jean-Francois Halin und Regisseur Nicolas Bedos mit einiger Situationskomik füllen und mit schönen schrägen Ideen – der Leopard des afrikanischen Tyrannen hört nur auf  Kommandos in gebrülltem Deutsch, weil das die effektivste Befehlssprache sei. „Aus Spaß spricht niemand Deutsch.“ Und die Titelsequenz ist eine sinnige Hommage plus Parodie an/über James-Bond-Titelvorspänne vor allem aus den 80ern.

Der grundlegende und große Reiz des Films – die deutsche Fassung besorgte Oliver Kalkofe und spricht Dujardin gleich selbst – liegt aber darin, wie er ein konservatives Milieu zeichnet: Auf dem Weg ins Pariser Büro kommt OSS 117 an einem Wahlplakat des damals amtierenden Präsidenten Giscard d’Estaing vorbei und salutiert – ein Plakat weiter hängt das Bild des Rivalen Francois Mitterand, das OSS 117 in den Grundfesten erschüttert. Die Franzosen würden nie den Fehler machen, Mitterand zu wählen, spekuliert er – und wenn doch, dann müsse man sich einstellen auf „kein Privateigentum, Schlangen vor leeren Supermärkten, kein Wasser, aber sowjetische Panzer auf der Champs Élysées“. Es kam dann ja doch anders.

„Ich kann gar kein Rassist sein – sonst würde ich ja nicht Eure Kleidung tragen“

Im Geheimdienstbüro wird kollektiv gekichert über den Wunsch der afrikanischen Staaten, unabhängig zu sein. Vor Ort bemüht sich OSS nach Kräften, nicht als Rassist zu gelten, seien die Afrikaner in diesem Punkt „doch etwas empfindlich und humorlos“; lieber steckt er kleinen bettelnden Kindern Zigaretten zu, um großzügig zu wirken. Und es fallen Sätze, die man so oder ähnlich wohl auch schon mal gehört hat und die hier treffend vorgeführt werden: „Afrikaner sind fröhlich und tanzen gerne“, „Ich kann gar kein Rassist sein – sonst würde ich ja nicht Eure Kleidung tragen“ oder „Ihr seid mit so wenig so zufrieden“.

De Gaulle hilft gegen Impotenz

Neben der satirischen Veralberung von Kolonialismus und Rassismus geht es auch um die Midlife-Krise: Der 30 Jahre jüngere Kollege macht dem Agenten sein Alter deutlich klar, den hier auch überraschende Anfälle von Impotenz quälen. Da hilft nur eines (in einer sehr schönen Montage): an Frankreich denken, an Charles de Gaulle, an Düsenjäger, die über den Triumphbogen sausen – und schon ist das Problem des durchhängenden Eifelturms gelöst.

Die beiden ersten Filme mit OSS 117 haben möglicherweise die größeren Gags, bei „Liebesgrüße aus Afrika“ stellt sich eher ein Dauergrinsen ein als ein lautes Lachen. Aber in der Zeichnung seines Antihelden ist er konsequenter und am Ende überraschend finster: Das Herz für Rebellion und Demokratie entdeckt OSS 117 bis zuletzt nicht, er bleibt wie er ist: ein Mann der Realpolitik – und des Popo-Patschens im Büro als kernige Begrüßung.

Erschienen als DVD und Bluray bei  Plaion.
Fünf alte OSS-117-Filme (1963-1968) erscheinen im April bei der Riegelsberger Firma Pidax als DVD-Box.

Interview: Wie geht es weiter mit James Bond?

 

Vorsicht, Spoiler-Alarm! Wer sich den jüngsten Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ noch anschauen will und nicht weiß, wie er endet, sollte jetzt nicht weiterlesen. Über die Überraschungen des Films, den Mythos 007 und dessen ungewisse Zukunft haben wir mit einem Bond-Kenner gesprochen: Joachim Frenk, Professor für Britische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Uni Saarbrücken.

 

Wie überrascht waren Sie von „Keine Zeit zu sterben?“ Immerhin, drei Monate nach Filmstart darf man es ja verraten, wird Bond Vater – und stirbt im Finale.

FRENK Ich war sehr überrascht. Produktionsfirma und Verleih haben  eine exzellente Geheimhaltung betrieben, was bei einem Film über einen Geheimagenten ja eine gewisse Ironie besitzt. Mit Blick auf die vor der Premiere verbreiteten Informationen durfte man einen konventionellen Film vermuten: Bond muss aus dem Ruhestand heraus einen Wissenschaftler einfangen, der eine gefährliche Waffe konstruiert hat. Normale Bond-Kost also, auf Sicherheit gespielt. Dass die Figur Bond in diesem Film stirbt, ist eine Sensation. Denn es ist ein integraler Bestandteil der Bond-Formel, dass Bond immer überlebt, egal wie lächerlich gefährlich das alles ist und wie unwahrscheinlich, dass er lebend herauskommt. Diese Grundbedingung des Bond-Universums wird diesmal aufgegeben.

 

Professor Joachim Frenk.   Foto: Universität Saarbrücken/dpa

Hat Ihnen das gefallen?

FRENK Dramaturgisch ist das sauber geschrieben und von der Handlung her motiviert: Infiziert mit Nanobots weiß Bond, dass er seine Frau und sein Kind nie wird berühren können, weil er ihnen damit den Tod bringen würde. Dann stirbt er lieber. Das ist wie alles bei Bond – völlig verrückt und gleichzeitig in sich schlüssig. Erstaunlich ist auch diese Parallelisierung: Ein Darsteller gibt seine Rolle ab – es ist Daniel Craigs letzter Bond-Film – und damit stirbt gleichzeitig die Figur.

 

Ein Londoner Drehort aus „Im Geheimdienst ihrer  Majestät“

 

Das macht es dem nächsten Film und dem nächsten Darsteller nicht leicht. Wie kann Bond aus dieser dramaturgischen Sackgasse wieder herauskommen?

FRENK Es gibt viele Möglichkeiten, die auch bereits eifrig öffentlich diskutiert werden: Man präsentiert etwa frisch und fröhlich im nächsten Film einfach den nächsten Darsteller – nach dem Motto „Was kümmert uns der Plot des letzten Films?“. Oder wir bekommen jede Menge Prequels, die in der Vergangenheit vor Bonds Tod spielen. Oder der erzmaskuline Bond wird aufgelöst, und eine Frau spielt zwar nicht die Figur Bond, aber eine Agentin mit der Nummer 007, wie es „Keine Zeit zu sterben“ ja schon geschehen ist.

Da dürften viele Bond-Fans aus dem erzkonservativen Lager entsetzt sein. Deren Reaktionen bei Diskussionen in Internet-Foren über mögliche nicht-weiße oder nicht-männliche Bond-Darsteller sind oft ja schon hysterisch.

FRENK Denen müsste aber auch klar sein, dass die klassische Bond-Formel kaum noch ins 21. Jahrhundert passt, vor allem beim frühen Connery-Bond mit seinen sexistischen Sprüchen, der Schlüpfrigkeit und dem Verschleiß an Frauen. Die sind da hübsches Beiwerk, während der Mann sich durch die Welt ballert. Das wirkt heute alles fragwürdig und aus der Zeit gefallen. Es ist offensichtlich, welchen Spannungen die Bond-Formel heute ausgesetzt ist – einerseits gibt es den Markenkern eines Agenten, der seine Männlichkeit bestätigen und ausstellen muss, mit Gewalt und sexuellen Eroberungen. Andererseits passt das so nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Wie geht man damit um? Kann man die Figur mit Ironie und Augenzwinkern einigermaßen retten? Oder mit moderaten Veränderungen? Wofür steht ein globales Publikum noch zur Verfügung?

Wie geht „Keine Zeit zu sterben“ da vor?

FRENK Der Film macht einige Anstalten, Bond im Blick auf das Thema Gender ins 21. Jahrhundert zu bringen. Bond verschleißt keine Frauen mehr, sondern ist ein unglücklich Liebender, sogar quasi ein treuer Ehemann und Vater. Und die attraktiven Damen, die ihm begegnen, haben ihren eigenen Kopf. Da überlappen sich Darsteller und Rolle, da Daniel Craig in diesen Dingen als bewusster Zeitgenosse gilt. All das sind Korrekturen, um die potenziell peinlichsten Bond-Momente zu entschärfen, so dass das Geschäft nicht aufgegeben werden muss. Die Filme haben ja Milliarden Dollar eingespielt. Solange Bond noch so ein Geschäft ist, wird man dabei bleiben und die Figur retten und modifizieren – nicht zwingend, weil man die Welt besser machen oder etwas Substanzielles über Geschlechterrollen sagen will, sondern weil man Geld verdienen möchte.

Amazon hat für acht Milliarden Dollar das Film-Studio MGM gekauft, dem die Teilrechte an den Bond-Verfilmungen gehört – was bedeutet das für 007? Eventuell Streaming-Serien bei Amazon Prime neben den regelmäßigen Filmen, die ja nur alle paar Jahre im Kino laufen?

FRENK Das wäre durchaus eine Möglichkeit. Wir haben ja auch eine „Herr der Ringe“-Streaming-Serie, obwohl es schon zwei Kino-Trilogien gibt. Erfolgreiche Kino-Reihen werden auf ihre Serien-Tauglichkeit hin abgeklopft. Die großen Player wie Amazon oder Netflix haben die Mittel, extrem aufwendige Serien zu produzieren, da sind enorme Summen im Spiel. Der verfilmte Bond hat übrigens im Fernsehen angefangen – 1954 mit einer Live-Adaption des Romans „Casino Royale“.

 

Daniel Craig und Regisseur Cary Joji Fukunaga bei den Dreharbeiten. Foto: Nicola Dove/DANJAQ/MGM

Wie ist Ihre Bilanz der Craig-Ära? Zuletzt gab es eine Über-Psychologisierung, und der in der Bond-Welt seit langem etablierte Bösewicht Blofeld wurde zu Bonds bösem Stiefbruder. Hat man sich da etwas verhoben?

FRENK Wenn man einen Bondfilm schaut, muss man bereit sein, alles Mögliche zu akzeptieren. Die Craig-Bonds haben sich wahnsinnig ernst genommen. Das Episodische ist verloren gegangen, alles musste einen großen Erzählbogen haben. Bei früheren Bonds ist immer ein Bösewicht vom Himmel gefallen, Bond musste die Welt retten und tat das im nächsten Film wieder. Dieses Episodische wurde bei Craig aufgegeben, es musste ein Überbau her, alles musste mit Bonds persönlicher Geschichte zusammenhängen. Das bedingt eine Ernsthaftigkeit, die bisher kaum Teil der Bondformel war. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum man diesen Bond jetzt sterben lässt – weil er so beladen ist mit Narrativ und im Grunde auserzählt. Blofeld ist tot, Bond ist am Ende seiner Selbstfindung – da ist es logisch, dass er stirbt. Vielleicht kehrt man jetzt wieder zurück zu einem episodischen Bond, ob nun im Kino oder in einer Amazon-Prime-Superproduktion. Wieder mit Tuxedo, Wodka-Martini schlürfend, die Welt rettend – wer weiß? In jedem Fall ist genug Produktionsbudget für alle Optionen vorhanden.

Die Figur Bond ist also unsterblich, ob er nun stirbt oder nicht?

FRENK Bond könnte recht schnell sterben. Was er nicht überleben würde, wäre eine Reihe von Misserfolgen. Wenn jetzt zwei, drei großproduzierte Filme oder eine Serie schief gingen, könnte recht schnell der Vorhang fallen. Wenn der Profit ausbleibt, wird das nicht lange toleriert.

Wie ist der Blick von „Keine Zeit zu sterben“ auf die Rolle Englands in der Welt? Wieder einmal rettet ein einzelner Brite die ganze Welt.

FRENK Bond war schon in den 1950ern ein Trostpflaster für eine Nation, die ihre Weltmachtrolle eingebüßt hat. Spätestens seit 1956 war klar, dass die Briten hinter den USA und der Sowjetunion bestenfalls noch eine leise zweite Geige spielten. So eine Figur wie Bond, der als Engländer beziehungsweise als Brite stets die Welt rettet, konnte darüber ein wenig hinwegtäuschen. Diese Tröstungsrolle wird vielleicht weiterhin willkommen sein, weil England durch den Brexit international viel Kredit verspielt hat.

Wenn man sich wie Sie die Bond-Filme als Wissenschaftler anschaut – sind dann die weniger geglückten Filme durch ihre Macken manchmal interessanter als die geglückten?

FRENK Das macht keinen Unterschied. Jedenfalls sind weniger gelungene Bondfilme nicht weniger interessant für die Analyse. Ich finde zum Beispiel, dass „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1969, der heute viel Ansehen genießt und in „Keine Zeit zu sterben“ viel zitiert wird, kein starker Bond-Film ist. Aber er ist interessant, weil er sich getraut hat, gegen die klassische Formel anzugehen – mit Diana Rigg als liebende Ehefrau, die in Bonds Armen stirbt.

Haben Sie besondere Vorlieben in der Bond-Reihe?

FRENK Ich habe schon meine Favoriten, aber gar nicht mal einen Darsteller – sondern einfach Darsteller in bestimmten Filmen. Und auch mein Geschmack ändert sich. Im Moment würde ich sagen, dass Pierce Brosnans Filme mir gut gefallen haben – Brosnan ist in der Kritik manchmal nicht gut weggekommen. Ich finde auch diese These, dass an Connery als Ur-Bond niemand mehr herangekommen ist, falsch. Vergleicht man die alten Filme mit den Craig-Bonds, was Kamera, Effekte und Schauspiel angeht, liegen Welten dazwischen – das liegt einfach an der Entwicklung des Filmgeschäfts. „Dr. No“ von 1962 kann in keiner Weise mithalten mit „Keine Zeit zu sterben“  – das ist wie ein Moped und ein Ferrari. Das heißt nicht, dass die älteren Filme in sich schlechter sind. Sie sind allerdings unterschiedlich gut gealtert.

Haben Sie einen Favoriten, was den nächsten Darsteller angeht – oder die nächste Darstellerin?

FRENK Da bin ich ganz entspannt. Ich würde mir auch eine Jane Bond gerne anschauen, könnte mir aber vorstellen, dass es die Reihe nicht übersteht, wenn Zeitgeist und Bond-Formel zu weit auseinanderdriften. Ich sähe lieber eine Jane Bond im 21. Jahrhundert als einen Rückfall in die Connery-Ära, nur um die Formel zu retten. Wir brauchen jedenfalls keinen Retro-Bond in 1960er-Manier. James Bond sollte auch ohne Steinzeit-Chauvinismus und westlichen Zentrismus machbar sein.

Van Damme, Schwarzenegger und Kollegen: die Doku „In Search of the last Action Heroes“

Pralle, gut geölte Muskeln. Weniger pralle, eher schlichte Plots. Knackige Einzeiler von einsilbigen Helden. Und Explosionen, so groß wie die Leinwand. Das war das Rezept von vielen, wenn auch nicht allen Action-Filmen der 80er und 90er Jahre. Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone dominierten diese Herde der Alpha-Stiere, in der sich in den Rangordnungen darunter Kollegen tummelten wie Dolph Lundgren und Steven Seagal, Chuck Norris und Jean-Claude Van Damme, Michael Dudikoff und Jeff Speakman. Dem Actionkino jener Ära widmet nun der Brite Oliver Harper einen mehr als abendfüllenden Film: „In Search of the Last Action Heroes“ spürt fast zweieinhalb Stunden lang dem Genre nach und den Prügelknaben von einst.

Ein Van Damme der Spätphase: „The Bouncer“

Harper ist ein populärer Youtuber, der in sorgfältigen Mini-Filmen die Klassiker des Genres analysiert. Sein nun erster Langfilm, finanziert per Kickstarter, ist eine enorme Fleißarbeit: mit unzähligen Ausschnitten aus Filmen, Trailern und mit Statements von Gesprächspartnern. Gut, dass Harper nicht die üblichen Verdächtigen vor die Kamera holen wollte oder konnte: Kein Lundgren oder Van Damme, kein Stallone oder Schwarzenegger, die man schon öfter hat reden gehört, sondern eher Filmschaffende hinter den Kulissen. Oder auch die aus der damals zweiten bis dritten Reihe, die heute entweder vergessen sind oder sich einer gewissen kultischen Verehrung von Actionfreunden erfreuen – etwa Cynthia Rothrock, mit der der Film beginnt und die sich vor allem in den 1980ern durch zahllose Video-Premieren boxte oder kickte. Sie hofft heute noch, gibt sie zu, auf eine Rolle in einem A-Film. Oder da ist der deutsche Actionmann Mathias Hues aus dem Ruhrpott, der sich durch Filme der mittleren und unteren Preisklasse schlug – seine prominenteste Rolle dürfte der böse Außerirdische im Lundgren-Film „Dark Angel“ von 1990 sein. Seine charmante Anekdote: Einst schlich er durch Videotheken in Los Angeles und räumte die Hüllen seiner Filme in den Regalen nach oben und stellte die von Van Damme nach unten.

„Less dialogue – more bodycount“

Wohlig nostalgisch ist dieser Blick zurück, der sich auch um Einordnung bemüht: James Bond als Urvater des modernen Action-Kinos, Steve McQueen als erster Action-Star der 1960er mit „Bullit“, Bruce Lee als Urvater des Kampfkunst-Films, der durch ihn erstmals auch im Westen populär wurde. Und eben die 1980er, in denen, wie Drehbuchautor Shane Black („Predator“) sagt, es ankam auf: „Less dialogue – more bodycount“, weniger Dialog, mehr Leichen.

Zu flotte Montage

Die Fülle an Ausschnitten ist immens, aber auch problematisch. Das Ganze ist sehr schnell montiert , und die Gesprächspartner sagen oft nur einen oder zwei Sätze, gefolgt vom nächsten actionprallen Ausschnitt, gefolgt vom nächsten Gesprächspartner. Am Ende könnte man da als Zuschauer oder Zuschauerin so erschöpft sein wie ein 80er-Star nach seiner finalen Prügelei. Da werden etwa das „Blaxploitation“-Kino der 1970er mit seinen schwarzen Actionhelden und das stilprägende Hongkong-Actionkino der 1980er in wenigen Augenblicken minimal abgehandelt.

„Da wussten wir, dass wir erledigt sind“

So wird der Film eher zu einer etwas rastlosen Liebeserklärung als zu einer Analyse. Man hätte den Interviewten mehr Raum gewünscht – ob nun Regisseur Paul Verhoeven, der mit Schwarzenegger einst „Total Recall“ drehte, oder Regisseur/Autor Sheldon Lettich, der viel mit Van Damme gearbeitet hat. Oder Mark Goldblatt, der actionversierte Cutter von Genre-Klassikern wie „Terminator“ (1 und 2) und „Phantom-Kommando“. Oder Autor Steven E. De Souza, der mit dem ersten Teil von „Stirb langsam“ einen prägenden und endlos imitierten Actionfilm schrieb. Ihnen allen hätte man gerne länger und am Stück zugehört. Immerhin wird vieles angeschnitten – der Patriotismus der Reagan-Ära etwa, der sich auch in Filmen wie „Rambo II“ niederschlug. Oder das Aufkommen der Computer-Effekte, die aus tatsächlichen Schauspielern saltoschlagende Actionhelden machen konnte (siehe „The Matrix“). Ab da waren vor allem die mimisch begrenzten Muskelmänner in ihrer Existenz bedroht. Oder wie es Mathias Hues sagt: „Da wussten wir, dass wir erledigt sind.“

Erschienen bei Studio Hamburg.
Keine Extras.

Rache ist sauer: „The Rhythm Section“ von Reed Morano

Blake Lively Rhythm Section

Blake Lively als Stepahnie. Foto: Leonine

Mitte der 1960er war James Bond ein Popkultur-Mythos von Beatles-Dimensionen. Jede noch so kleine Filmfirmen-Klitsche warf preisgünstige 007-Imitate mit ähnlich potenten Agenten auf den Markt. Ausgerechnet da brachte einer der damaligen Bond-Produzenten, Harry Saltzman, der 007-Figur möglicherweise etwas müde, eine Art Anti-Bond drei Mal ins Kino: den kassenbebrillten Agenten Harry Palmer (Michael Caine), der, ganz anders als Bond, seine Vorgesetzten herzlich verachtete, seinen Beruf gleich mit. Und Mozart hörte er auch noch.

Eine Art Gegen-Bond?

Nun legt die Bond-Produktionsfirma Eon, ein Familienbetrieb, der sich seit Jahrzehnten fast ausschließlich um Bond kümmert, einen Nicht-007-Film vor, in dem es auch um Spionage geht – erneut ein Gegen-Bond wie einst Harry Palmer? „The Rhythm Section“ führt wie 007 an Schauplätze in aller Welt, es gibt einige Action. Und doch geht der Film, der bei uns auf DVD und Bluray erscheint, in eine ganz andere Richtung, bemüht sich spürbar um grimmigen Anti-Glamour. Wo Bond meist in südlicher Sonne an einem Martini nippt, gibt es hier schon fast symbolisch eine Tasse schwarzen Tee aus einem alten Becher im vernieselten Schottland.

Auftritt Jude Law

In Tanger beginnt der Film, eine Frau (Blake Lively) schleicht sich in einer maroden Wohnung an einen Mann im Rollstuhl heran, hält ihm eine Pistole an den Kopf, zögert. Dann springt der Film acht Monate zurück, nach London, wo sich die Geschichte der Frau aufblättert: Stephanie heißt sie, ein Wrack zwischen Drogen und Prostitution. Ihre Familie ist bei einem Flugzeugabsturz gestorben, das eigene Leben aus den Fugen geraten und am Ende – bis ein Journalist ihren Kontakt sucht: Er besitzt Informationen, dass der Absturz ein Anschlag war – und der Journalist kennt den Namen des Bombenbauers. Den versucht Stephanie zu töten, scheitert und bringt ihn so auf die eigene Spur: Der Journalist wird ermordet, Stephanie kann gerade noch nach Schottland fliehen, zum Kontaktmann des Journalisten, einem in Ungnade gefallen britischen Spion (Jude Law) – das zumindest sagt er und versucht nun, die Angeschlagene zumindest soweit auszubilden, dass sie bei ihrem geplanten Rachefeldzug nicht gleich scheitert.

 

Das Finale in Marseille. Foto: Leonine

Zugegeben: Diese Prämisse des Films muss man hinnehmen und glauben, auch wenn es nicht ganz leicht fällt. Doch dann erweist er sich als ambitioniertes Actiondrama mit einigen Zwischentönen. Ähnliche Konstellationen gab es bereits in Filmen wie „Nikita“, „Atomic Blonde“ oder in den „Kingsman“-Filmen, in denen ein Londoner Prolo, so hart kann man es sagen, zum Edel-Spion gemacht wird. Doch in „The Rhythm Section“ (der Titel spielt auf eine Übung an, den Körper in einer Stress-Situation zu beruhigen) wird die Hauptfigur nicht zur Super-Agentin: Stephanie scheitert oft, lädt auch Schuld auf sich; das Abarbeiten einer Todesliste, die sie zum Kopf des Anschlags führen soll, fällt ihr schmerzhaft schwer – wo Actionszenen in „Atomic Blonde“ kunstvoll choreografiert sind und in „Kingsman“ das Töten zu einem zynischen Jux wird, ist die Rache von Stephanie eine schmerzhafte, mühsame Angelegenheit mit einigen seelischen Nachwirkungen.

Exzellent: „The Nest“ mit Jude Law

Der Film von US-Regisseurin Reed Morano stellt die Seelenqual der Hauptfigur einigen gelungenen Action-Szenen gegenüber – eine lange Autojagd ohne sichtbaren Schnitt aus Beifahrer-Perspektive ist herausragend. Darstellerin Blake Lively agiert in diesen Szenen mit vollem Körpereinsatz, ansonsten bleibt sie auf Distanz, es gibt keine tränenreichen Monologe, Stephanie ist angeschlagen und verhärtet, fast mechanisch wirkt sie bisweilen, wie eine Rachemaschine. Ein Action-Blockbuster mit einladender Identifikationsfigur und Katharsis am Ende ist das nicht – was wohl auch den Misserfolg in den US-Kinos erklärt. Schade um diesen ambitionierten Film.

Erschienen bei Leoline.
Extras: einige wenig interessante Interviewschnipsel und zwei kurze, aber sehenswerte Berichte über die Konzeption der Autojagd und das Filmfinale in Marseille.

„Bloodlight and Bami“: Zehn Jahre mit Grace Jones

 

 

Man könne Persönliches preisgeben und trotzdem ein Geheimnis bleiben – das sagte Grace Jones kürzlich in einem Interview und hat dabei wohl auch an den Film über sie gedacht. „Bloodlight and Bami“ heißt der und erscheint jetzt fürs Heimkino. Die  britische Regisseurin Sophie Fiennes (Schwester der Darsteller Ralph und Joseph) hat Jones ein knappes Jahrzehnt begleitet und aus diesen Begegnungen einen fast zweistündigen, sehr sehenswerten Film montiert.

Dass er einen Blick auf die Privatperson hinter der schillernden Kunstfigur Jones wirft, ist nur die halbe Wahrheit – vor allem zeigt „Bloodlight and Bami“ die Untrennbarkeit von beidem. „Slave to the Rhythm“, einer von Jones’ größten Hits, eröffnet den Film, montiert aus zwei Bühnenauftritten, Jones einmal mit Maske, einmal ohne – und immer ein Ausbund an Charisma. Von dort geht es nach Jamaika in Jones’ Heimat, zur Mutter an den Küchentisch, zu langen Gesprächen mit der Familie, zum Fischessen und Tratschen. Erstaunlich ist dabei die Offenheit der Familie – die Kamera scheint ihr völlig egal zu sein. Jones, der Star auf Heimaturlaub, geht im Familienverbund fast unter, zumal die Mutter ebenso ein Star ist, wenn auch auf eher lokaler Ebene – sie singt Gospel in der Kirche.

Naturbilder von Jamaika zeigt der Film, einen diesigen Wald, während man Jones hört, wie sie auf der Bühne von der alten Heimat erzählt, und sie dann in einem Fluss schwimmen sieht, in völliger Ruhe – konträr zu ihrem bunten Bühnen-Image, das der Film damit aber nicht demontiert. Es ist eben nur eine Facette mehr bei diesem bunten Vogel, der als Model ebenso einzigartig ist/war wie als Bühnenfigur. Nur das Kino meinte es weniger gut mit ihr: Ihre Rolle im Bond-Film „Im Angesicht des Todes – erst böse, dann gut, dann tot – passte wenig zu ihr.

Der Film, bei dem die Regisseurin nach eigenen Angaben völlig freie Hand hatte, zeigt auch das alltägliche Geschäft als Star, der kommerziell die große Zeit hinter sich hat. Da stöckelt Jones, die im Mai 70 Jahre alt wird, endlos durch die Gänge eines TV-Studios (was an die Rock-Doku-Parodie „Spinal Tap“ erinnert), findet endlich die Bühne und soll dann umringt von aufringlich popowackelnden Tänzerinnen singen. „Damit finanziere ich mein Album“, sagt Jones dazu, ohne Plattenfirma bleibt ihr nichts anderes übrig; aber die Tänzerinnen wird sie dennoch los.

Als ihr Produzent zum vereinbarten Termin nicht im Studio erscheint, entfacht Jones einen mittleren Orkan, auch in einigen anderen Passagen wird sie sehr energisch. Der Film schlachtet das aber nicht aus, bilanziert es eher, auch der Besuch bei der Enkelin wird nicht sentimental aufgebretzelt. Lernt man hier „die wirkliche Grace Jones“ kennen? Man weiß es nicht so recht  – und das hält den Film spannend in der Schwebe.

DVD und Blu-ray von Ascot Elite.

 

 

 

 

 

 

 

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