Jasmin Tabatabai als Haleh, die im Exil in den Niederlanden lebt. Foto: Camino

 

„Wir haben ihre Tochter hingerichtet. Sie können ihre Sachen abholen – zu den üblichen Besuchszeiten.“ Mit diesem Anruf ist das Leben der Iranerin Haleh (Jasmin Tabatabai)  nicht zu Ende – aber doch auf ewig verwundet. Das iranische Regime hat ihre Tochter Mitra, die gegen die erzkonservative Revolution rebelliert, 1982 ermordet. Das ist der Ausgangspunkt des Films „Mitra“, einem Drama um Rache, Vergebung und den Wunsch nach einer gewissen Erlösung, sollte sie denn möglich sein. Zwischen zwei Zeit- und Ortsebenen bewegt sich der Film – da ist der Iran der 1980er Jahre, ein bedrückender Ort der Bespitzelung, der Razzien, der berechtigten Todesangst, wenn man Gegner der Ajatollahs ist. Und da ist die Niederlande der Gegenwart, wo Haleh seit langem im Exil lebt. Dort hat sie einen guten Ort zum Leben gefunden, ist eine populäre Iran-Expertin, etabliert,  akademisch renommiert, scheinbar zur Ruhe gekommen.

Doch die Fassade bröckelt, als andere Exil-Iraner, ehemalige Widerstandskämpfer, sie mit einer Information kontaktieren: Sie glauben, die  Frau gefunden zu haben, die einst Tochter Mitra verraten und so die Hinrichtung erst möglich gemacht haben soll. Die Frau ist ebenfalls im Exil in den Niederlanden. Haleh nimmt Kontakt zu ihr auf, gibt sich als hilfreiche Landsfrau und sammelt in Gesprächen mit ihr Informationen, Indizien, um sicher zu sein, dass die Frau eine Verräterin ist. Nur – was dann? Soll sie Rache und Selbstjustiz üben? Was wird dann aus der jungen Tochter der Frau, zu der Haleh einige Zuneigung empfindet?

Diese Fragen stellt Autor und Regisseur Kaweh Modiri, der als Sechsjähriger mit seiner Familie aus dem Iran flüchtete und in den Niederlanden aufwuchs, wo er auch heute lebt. Er erzählt eine teils autobiografische Geschichte – seine Schwester Mitra wurde 1981 im Iran hingerichtet; ob die Frau im Film nun eine Verräterin ist oder nicht, interessiert Modiri wenig – die wichtige Frage ist die nach Sinn von Rache. Und so stellt der Film das klassische Krimi-Spannungs-Potenzial (schuldig oder nicht?) hinten an und konzentriert sich auf das Abwägen der eigenen Handlungen, personifiziert durch Haleh und ihren Bruder Mohsen. Er plädiert dafür, die Vergangenheit ruhen zu lassen und kein Leid über die andere Familie zu bringen; sie will Rache, von der sie sich so etwas wie eine späte Ruhe erhofft.

Die Schlüsselszenen sind dann auch nicht die der versuchten Aufdeckung der mutmaßlichen Verräterin, sondern die Gespräche zwischen Bruder und Schwester über Rache und Gewissen. So wird der Film allgemeingültig (und manchmal etwas didaktisch); die iranische Revolution ist lediglich ein geschichtlicher Hintergrund, viel erfährt man über sie Film nicht – aber der Film will eben keine Geschichtsstunde sein. Getragen wird er Film von Jasmin Tabatabai mit einer eindringlichen Darstellung, die auch vergessen lässt, dass ihre Altersmaske – eine weiße Perücke soll sie zur Über-70-Jährigen machen – wenig überzeugt. Aber Tabatabai nimmt einen mit in diesem Film, in dem man sich letztlich selbst fragt, wie man handeln würde.