Marcel Ophüls Hotel Terminus

 

Viele Jahre lang war Marcel Ophüls‘ Dokumentarfilm „Hotel Terminus – Zeit und Leben des Klaus Barbie“ nicht mehr erhältlich. Nun ist der 1989 oscarprämierte Film erstmals auf DVD erschienen. Ein Meisterstück, das einen herben Kontrast bildet zu der gängigen Ästhetik heutiger Dokumentationen über die NS-Zeit.

Wie würde ein gängiger Film zu diesem Thema wohl aussehen, würde er heute produziert? Man kann es sich gut vorstellen – dramatische Musik, Wochenschaubilder im Stakkato-Takt, kurze Aussagen von Zeitzeugen vor einer dunklen Studiowand – begleitet von einer Erzählerstimme aus dem Off, die die dokumentarische Wahrheit verbürgen soll. Und der Titel wäre womöglich knallig: „Klaus Barbie – Hitlers Schlächter“ oder Ähnliches.

Der Film „Hotel Terminus – Zeit und Leben des Klaus Barbie“ ist 1989 einen ganz anderen Weg gegangen, um einen bekannten Lebenslauf zu beschreiben: Barbie, 1913 geboren, macht Karriere in der NS-Zeit und wird als folternder Gestapo-Chef in Lyon zur Schreckensgestalt. Nach dem Krieg wirbt ihn der amerikanische Geheimdienst an, bevor er sich mit US-Hilfe nach Bolivien absetzt. 1983 wird er nach Frankreich ausgeliefert, zu „lebenslänglich“ verurteilt und stirbt 1991 in der Haft. Dass Barbie in den 60ern zeitweise auch für den Bundesnachrichtendienst gearbeitet hat, wurde erst vor vier Jahren aufgedeckt.

Diesen Lebenslauf erzählt Regisseur Marcel Ophüls in seiner oscarprämierten Dokumentation meisterhaft und eigenwillig: Viel Zeit lässt er sich (über vier Stunden), er umkreist sein Thema, unternimmt Exkurse und verweigert sich einer braven Chronologie. Ophüls spricht mit Opfern Barbies, mit Männern und Frauen der Resistance, geht auf die Suche nach „alten Kameraden“ Barbies (unter anderem in der Nähe von Kaiserslautern) und besucht das Trierer Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, an dem Barbie einst sein Abitur machte. Das hält man bei den Dreharbeiten 1988 am Gymnasium seitens der Schulleitung allerdings für „ein Gerücht“ oder „das Erste, was ich höre“.

Ophüls‘ Montage ist hochspannend, er stellt Widersprüche gegeneinander, lässt allzu offensichtliche Lügen unkommentiert – etwa die Aussage eines US-Agenten, er könne sich nicht vorstellen, dass Barbie jemals gefoltert habe. Viele Passagen sind erschütternd: Eine Frau, als Kind von Barbie nach Auschwitz deportiert, erzählt vom Tod ihrer Familie, eine ältere Dame berichtet von Folterungen und der Verschleppung von Ehemann und Sohn. „Sie sind nicht wiedergekommen“, sagt sie knapp, und sonst nichts mehr. Diese Gespräche führt Ophüls behutsam, ihm geht es nicht um den Effekt, wie es ihm im Film auch weniger um die Person Barbie geht (ein Schlächter unter vielen), als um Strukturen und den Umgang des Einzelnen mit der Vergangenheit. Es helfe ja niemandem, sagt eine junge Frau zu Ophüls, wenn man jetzt noch NS-Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehe, das seien doch alte Männer. Ophüls fragt zurück: „Und was ist mit den Kindern, die niemals alt werden durften?“.
Trotz allem gelingen Ophüls immer wieder auch Momente düsterer Komik – etwa wenn er einen SS-Kameraden Barbies befragt, in dessen gemütlichem Wohnzimmer vor einem festlichen Weihnachtsbaum. „Barbie war ein fantastischer Kerl“, sagt ein früherer SS-Mann, das hätten auch seine Dackel gemerkt. „Ein Tier hat ja Empfindungen“.

Erschienen bei Turbine.