Buchpreisträger Tonio Schachinger bei seiner Lesung im Theater am Ring in Saarlouis am 6. November. Foto: Tobias Keßler

„Man kann über alles schreiben – man muss es nur gut machen.“ Tonio Schachinger bei seiner Lesung im Theater am Ring in Saarlouis am 6. November.      Foto: tok

 

 

Der Wiener Schriftsteller Tonio Schachinger hat im Oktober den Deutschen Buchpreis erhalten, für seinen zweiten Roman „Echtzeitalter“. Der erzählt vom jungen Till, der sich mit seinem Leben in einem elitären Wiener Internat nicht anfreunden kann. Eine Leidenschaft und eine Flucht: das Computer-Strategiespiel „Age of Empire 2“. Till wird zu einer Szeneberühmtheit, ohne dass es im Internat auffällt.  

Herr Schachinger, 2019, als Ihr Debütroman „Nicht wie ihr“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand, sagten Sie, dass die Nominierung Sie „schon gewundert“ habe. Ihr zweiter Roman hat nun den Deutschen Buchpreis gewonnen – wie sehr haben Sie sich da gewundert?​

SCHACHINGER Ein bisschen weniger als ich es 2019 getan hätte, aber überrascht war ich trotzdem.​

Was bedeuten der Preis und die Dotierung von 25 000 Euro für Sie praktisch? Wird viel ökonomischer Druck genommen – beziehungsweise direkt gefragt: Wissen Sie schon, was Sie mit dem Geld tun werden?​

SCHACHINGER Der Preis bedeutet zusätzliche Aufmerksamkeit, die kurzfristig zusätzliche Arbeit mit sich bringt, mir aber längerfristig ein ungestörtes Arbeiten ermöglichen wird. Das Geld wird also nicht in eine konkrete Sache fließen, sondern darin, mir weiterhin ein Leben als freier Schriftsteller zu ermöglichen.​

Gespräch mit Autor Thomas Hettche

Glauben Sie, dass der Preis Ihnen vor allem künstlerische Freiheit geben wird? Oder könnte er auch Druck mit sich bringen, dass man sich verkrampft beim Schreiben eines Werks, das einem Buchpreis-Roman folgt?

SCHACHINGER Wenn man den Buchpreis gewonnen hat, muss beziehungsweise kann man ihn ja nicht noch mal gewinnen – insofern nimmt es mehr Druck als es erzeugt. Meine künstlerische Freiheit hat schon bisher nie jemand eingeschränkt. Dass es jetzt irgendwer versuchen wird, kann ich mir schwer vorstellen.​

Sie schreiben in „Echtzeitalter“ vom Leben des Schülers Till an einem elitären und repressiven Internat in Wien – Sie selbst haben dort das Theresianum besucht. Ist die Hauptfigur eine Art Version von Ihnen? Oder ist der Ort nur die Kulisse einer Geschichte, die wenig mit Ihnen zu tun hat?​

SCHACHINGER Till, eine fiktive Figur, besucht eine fiktive Schule namens Marianum, die nur in diesem Roman existiert. Dass es zwischen dieser fiktiven Schule und der realen Schule, die ich selbst besucht habe, Überschneidungen gibt, bedeutet nicht, dass man sie gleichsetzen kann, so wie auch die sehr spärlichen Parallelen zwischen Till und mir nicht zu einer Gleichsetzung führen sollten.​

Auf einen Kaffee mit Schriftsteller Andreas Drescher

Hatten Sie große Angst, am Ende Ihrer Schulzeit zu einem jener elitären Jungschnösel zu werden, über die sich das Buch lustig macht?​

SCHACHINGER Am Ende der Schulzeit nicht mehr, aber mit 12 oder 13 wäre diese Sorge nicht völlig unberechtigt gewesen.​

Der Roman führt auch in die Welt der Computerspiele. Hatten Sie beim Schreiben die Furcht, mit diesen Passagen könnten Sie Gaming-unkundige Leserinnen und Leser verlieren? Wie herausfordernd war da das Schreiben?​

SCHACHINGER Meine allerersten Leserinnen, meine Frau, meine Lektorin und meine Agentin, sind alle nicht Gaming-affin, also hatte ich von Anfang an ein ganz gutes Gefühl dafür, wie solche Menschen den Roman lesen. Ich finde es auch nicht verwerflich, wenn sich manche Menschen bei manchen Stellen kurz langweilen, schließlich setzt jeder beim Lesen eigene Prioritäten, und so wie es Nicht-Gamerinnen geben wird, denen die Stellen zu „Age of Empires 2“ etwas zu lang sind, wird es Gamerinnen geben, die sich bei den Ausführungen zu Adalbert Stifter langweilen.​

Ihre Ehefrau Margit Mössmer ist Schriftstellerin – was sind die Vor- und Nachteile für ein Paar, demselben Beruf nachzugehen?​

SCHACHINGER Der Vorteil ist, dass man viel teilen, sich gegenseitig helfen und einander in dem, was man macht, verstehen kann. Der Nachteil ist, dass man sich in der gleichen Blase bewegt und aktiv daran arbeiten muss, nicht ständig über berufliche Dinge zu sprechen.​

Tonio Schachinger: Echtzeitalter.
Rowohlt, 368 Seiten, 24 Euro.

Schachingers Debüt „Nicht wie ihr“ (2019) ist bei Kremayr und Scheriau erschienen, 305 Seiten, 14 Euro.​