Camera Zwo

Vor zehn Jahren hat Kinobetreiber Michael Krane das alte Scala-Filmtheater in der Saarbrücker Futterstraße in die Camera Zwo umgewandelt. Hat sich das Rezept, anspruchsvolle Filme an der Schwelle zum Mainstream zu zeigen, bewährt?

Die düstere Treppe nach unten wirkt wie eine Edgar-Wallace-Requisite. Doch statt Kinski oder Fuchsberger wandelte hier, in den Projektionsräumen der Camera Zwo, einst der Filmvorführer. Einen separaten Eingang hatte er – und keinen Zugang zum eigentlichen Kino, ein Stockwerk tiefer. Des Brandschutzes wegen, erklärt Kinobetreiber Michael Krane, der durch seine Camera Zwo führt, die früher einmal, von 1951 bis 2005, das selige Scala-Kino war – in der Region eines der größten „Filmtheater“, wie man Kinos damals so verheißungsvoll nannte.
Die schmalen Gänge über den Kinosälen sind voller Historie: Plakate, Bud-Spencer-Aufkleber und Brandschutzklappen aus der Kinosteinzeit, als hitzige Kohlebogenlampen das Licht auf die Leinwand warfen. Heute ist das anders – hier stehen moderne Digitalbeamer, denen Krane nicht ganz traut. „Wenn die alten Projektoren mal nicht liefen, hat ein Fußtritt Wunder gewirkt“, sagt der 55-Jährige, die Beamer seien empfindlicher, voll mit teurer Technik. „Niemand weiß, wie lange die halten.“ Ein Damoklesschwert über allen Kinos sei das. Jüngst versagte eine kleine Platine ihren Dienst – mit 2000 Euro Kosten. Immerhin: 25 Kilo schwere Kinokopien muss heute niemand mehr schleppen, der Film auf Festplatte wiegt nur ein Pfund.

Ein Stockwerk tiefer liegt die Theke mit Kasse – und Popcorn-Maschine: für besonders gestrenge Cineasten ein Sakrileg, Symbol des bösen Kommerzkinos. Krane nimmt es gelassen. „Anfangs dachte ich, wenn die Maschine kaputt geht, repariere ich sie nicht mehr.“ Aber die Mini-Gastronomie bringt Geld in einem Geschäft der knappen Kalkulation. Acht Jahre lang hat Krane keine Werbung gezeigt, „darauf war ich sehr stolz“, aber das ließ sich finanziell nicht halten: 2012 kam die Digitalisierung – für 250 000 Euro, wenn auch bezuschusst von der Filmförderung und vom Land. Klassisch geschulte Vorführer sind heute überqualifiziert, PC-Kenntnisse reichen aus. „Man muss mittags die Systeme hochfahren und abends auf ein paar Knöpfe drücken.“
Einer der Vorteile der Digitalisierung: Filme auch in der Originalfassung zu zeigen, ist technisch kein Problem; früher musste man eine eigene Kopie anfordern. Im US-Original hat Krane gerade einen Film gezeigt, den man hier nicht erwartet hätte: das jüngste „Star Wars“-Spektakel. „Das war vor allem für mich“, sagt er, „mit den alten Filmen bin ich aufgewachsen.“ Generell aber passen Blockbuster nicht zum Image des Kinos. „Den jüngsten Bond hätte ich auch spielen können – aber da muss man aufpassen.“

Es läuft überwiegend gut in der Camera Zwo. 2012 bis 2014 seien „goldene Jahre“ gewesen. „Doch 2015 war ein Desaster, da sind wir abgestürzt.“ Keine wirklich guten Filme, keine großen Hits. „Beruhigend war aber, dass wir ein Katastrophenjahr ganz gut überstanden haben.“ Mit studentischen Aushilfen führt Krane das Kino und mit zwei Festangestellten: er selbst und Kinoleiterin Anna Reitze (32), die laut Krane „den Laden eigentlich besser kennt als ich“. Wohlhabend werde man nicht, „man muss privat alles stemmen, subventioniert werde ich ja nicht“. Apropos: In Konkurrenz zum städtischen Filmhaus sieht er sich nur bedingt, „ich bin ja deutlich mainstreamiger“, während das Filmhaus ganz bewusst auch sperrigere Filme zeige. „Was mir nicht unrecht ist.“

Das Verleihgeschäft, das Einschätzen von Erfolgschancen und bisweilen das Gerangel um Filme, ist nicht einfach. „Zumal man Filme nicht einfach nur für eine Woche buchen kann und je nach Erfolg verlängert oder absetzt.“ Manchmal sitze man auf einem Ladenhüter, den man vertraglich mehrere Wochen zu spielen habe. Nur wenn Filme gnadenlos floppen – aktuell der Sandra-Bullock-Film „Die Wahlkämpferin“ – haben die Verleihe, die täglich durch die vernetzte Kinokasse über die Einnahmen informiert werden, Verständnis und lassen den Film aus dem Programm nehmen. Bei kleineren Verleihen gibt Krane dem Film aber nochmal eine Chance, „sonst wäre das unfair“, oder Werken, die er mag. Der Trickfilm „Anomalisa“ läuft schlecht bei ihm. „Aber ich zeige ihn weiter, weil er gut ist“, sagt Krane, der sich dennoch weniger als Cineast versteht denn als pragmatischer Kinobetreiber. „Würde ich nur spielen, was mir gefällt, wäre der Laden zu.“
Dass die Camera Zwo viele ältere Leute anlockt, freut Krane – es ist ein treues und angenehmes Publikum, das nicht mit Popcorn um sich wirft. Manche Stammgäste kämen, ohne zu wissen, was läuft. „Eine andere Gruppe kommt immer mittwochs, aber nur bei schlechtem Wetter“ – eine Boule-Truppe, die bei Sonnenschein lieber ihre Kugeln wirft. Berühmt-berüchtigt ist ein Kinogänger, der stets zwei Minuten zu spät den Saal betritt und zielgerichtet seinen Stammplatz ansteuert. Wenn der dann schon besetzt ist, schätzt der Stammgast das gar nicht. „Aber er ist harmlos.“

HINTERGRUND
Im Januar 2006 hat Michael Krane, zuvor Geschäftsführer der Saarfilm (Passage- und UT-Kinos) das Scala-Kino in Camera Zwo umbenannt – als Reminiszenz an das Camera-Kino auf der Berliner Promenade (1967-1999). 100 000 Euro steckte er in die Modernisierung und stellte das Programm auf „mainstreamigen Kunstfilm“ um, wie er sagt. Sechs Säle bieten Platz für 456 Kinogänger. Der erfolgreichste Film bisher war „Ziemlich beste Freunde“, der um die 20 000 Zuschauer anzog, gefolgt von „Monsieur Claude und seine Töchter“ und „Willkommen bei den Sch’tis“.

Das Foto von Michael Krane und Theaterleiterin Anna Reitze stammt von Oliver Dietze.