opfergangimmensee

 

„Immensee“ und „Opfergang“, zwei der wenigen Farbfilme der NS-Filmindustrie, erscheinen restauriert auf DVD. Inszeniert von Veit Harlan, dem Regie-Star der Nationalsozialisten, sind die Werke filmhistorisch und auch ästhetisch durchaus interessant.
Unbefangen geht man nicht heran an diese Filme. Wie könnte man? Sie stammen von Veit Harlan (1899-1964), dem NS-Starregisseur. Unter Goebbels machte er Karriere, die untrennbar verbunden ist mit dem berüchtigsten NS-Spielfilm, „Jud Süss“, den Harlan 1940 drehte. Seine letzten vier Werke im Dienst des Regimes sind Prestigefilme in Farbe, damals eine Seltenheit: 1942 das Melodram „Die goldene Stadt“, 1943/44 der Durchhaltefilm „Kolberg“; den Widerstand der preußischen Festung Kolberg gegen napoleonische Truppen 1807 stilisiert der Film zum letzten Kampf einer Nation – so sollten letzte Reserven für den „totalen Krieg“ mobilisiert werden. „Kolberg“ und „Jud Süss“ sind bis heute so genannte Vorbehaltsfilme und werden als Kopie nur für Vorstellungen mit Einführung und Diskussion verliehen.
Die beiden anderen Farbfilme Harlans fallen nicht in diese Kategorie und erscheinen nun restauriert erstmals auf Blu-ray/DVD (Anbieter: Concorde). Um Kosten zu sparen, drehte er „Immensee“ und Opfergang“ gleichzeitig, mit demselbem Stab und demselben Darstellerpaar: Carl Raddatz und Harlans Gattin Kristina Söderbaum, die in ihren NS-Filmen so oft in den meist nassen Freitod ging, dass der Volksmund ihr den Spitznamen „Reichswasserleiche“ andichtete.

„Immensee“ ist ein Liebesmelodram und gleichzeitig ein Durchhaltefilm, der das Ausharren, das sich Aufopfern in wohlig pastellenen Agfa-Farben zelebriert. Den Komponisten Reinhardt (Raddatz) zieht es hinaus in die weite Welt (immerhin kommt er bis nach Rom), während seine Jugendliebe Elisabeth (Söderbaum) auf der heimischen Scholle schmachtet, „verwurzelt in meiner kleinen Welt“, wie sie sagt. Reinhardt vergisst sie ein wenig angesichts Karriere und Bohème-Leben, so dass Elisabeth dem dritten Heiratsantrag des netten, aber etwas farblosen Erich (Paul Klinger) nachgibt. Als Reinhardt nach Jahren zurückkommt und sich Elisabeth recht forsch nähert, erweist sich Erichs Liebe als selbstlos – und damit, aus der Sicht des Films, als letztlich wertvoller, wenn auch ohne romantische Höhenflüge. Der Film feiert eine melancholische Nostalgie, hier wird sich viel und tränenfeucht an alte Zeiten und an unterdrückte Gefühle erinnert; der Film scheint dabei von der Realität seiner Entstehungszeit, von Krieg und Tod, unberührt – bis auf die letzte Szene. Da steigt Reinhardt in eine Ju 52 und lässt Elisabeth, mittlerweile Witwe, in schwarzem Mantel auf einem weißen Schneefeld zurück – Assoziationen an die eingeschlossenen deutschen Soldaten in Stalingrad und die letzten Flugzeuge hinaus drängen sich auf. Da scheint die Realität kurz in diesen Film einzubrechen, der es sich ansonsten ganz in seiner Welt der prächtigen Natur und der großen Gefühle gemütlich macht.

„Opfergang“ ist schriller, bunter, absonderlicher. Der Weltreisende Albrecht (Raddatz) lässt sich in Hamburg nieder und heiratet die großbürgerliche Octavia; fasziniert ist er aber von der nordischen Nachbarin Aels (Söderbaum), einem Naturmenschen, der gerne reitet und Bogen schießt – zu sehen in einer Montage, die fast wie eine Parodie auf die „Bund deutscher Mädel“-Körperertüchtigungen wirkt. Doch Aels ist todkrank, und so dreht sich dieser Film mit seiner ausgeklügelten Farbdramaturgie um Tod, Abschied und – wie bei „Immensee“ – um aufopfernde Liebe.

Subtilität ist Harlans Sache dabei nicht, aus heutiger Sicht kann man den Film oft als unfreiwillige Komödie goutieren: Wenn etwa die Bürgerfamilie sonntags zusammensitzt und Nietzsche liest (was sonst?) oder wenn Söderbaum mit ihrem Pferd über die Liebe räsonniert. Andererseits ist die finale Todesvision ein großer Wurf ungebändigten Jenseitskitsches. Dem kann man sich kaum entziehen, unabhängig davon, was man von Harlan sonst hält.

 

Erschienen auf DVD und Blu-ray bei Concorde