Schriftsteller Emanuel Bergmann, Foto: Joël Hunn / Diogenes Verlag

Schriftsteller Emanuel Bergmann. Foto: Joël Hunn / Diogenes Verlag

Seine Jugend verbrachte Emanuel Bergmann in Saarbrücken, nach dem Abitur ging er nach Los Angeles, arbeitete für Filmstudios und Produktionsfirmen, studierte Journalismus und schrieb lange für das Magazin „Widescreen“. Sein Romandebüt „Der Trick“ wurde ein Bestseller, jetzt kommt er mit „Tahara“ nach Saarbrücken. Der bittersüße Roman erzählt vom Filmkritiker Marcel Klein, dessen Welt bei den Festspielen in Cannes chaotisch wird: durch eine Romanze und durch ein Star-Interview, bei dem der Kritiker beim Schreiben etwas nachhilft – was einen Skandal auslöst.

 

Sie sind in Saarbrücken aufgewachsen – was waren damals Ihre drei liebsten Plätze?​

BERGMANN Mein Lieblingsort: Der Parkplatz vom Bauhaus an der Dudweiler Landstraße. Da habe ich als Kind immer Skateboardfahren geübt. Ansonsten war ich oft in der Karstadt-Passage – so hieß das damals. Und natürlich auch am St. Johanner Markt und am Staden.​

Und was hat Ihnen damals in der Stadt gar nicht gefallen?​

BERGMANN Vieles. Schon damals war mir Saarbrücken zu eng, zu klein. Ich hatte immer den Wunsch, wegzugehen. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass Saarbrücken für einen Lausbub wie mich eigentlich der ideale Abenteuerspielplatz war.​

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Ihre Hauptfigur, ebenfalls in Saarbrücken aufgewachsen, erzählt von glücklichen Kinobesuchen im UT und im Passage-Kino. Waren das damals auch Ihre liebsten Kinos – und was haben Sie sich angeschaut?​

BERGMANN Ich bin ständig ins Passage-Kino gegangen, ins UT und auch ins Gloria, das es damals noch gab. Das war ein riesiger, leicht verfallener Filmpalast, wo ich fast allein im Vorführraum saß und ganz große Kinofilme genießen konnte. Im Passage-Kino liefen im Sommer immer alle möglichen Kultfilme, von Disney bis Hitchcock. Ich habe mir alles angeschaut, was es gab: Action, Horror, Comedy, Science-Fiction…​

In Los Angeles waren Sie unter anderem Botenjunge beim Fox-Studio – wie kann man sich das vorstellen? Ist man da ganz unten in der Nahrungskette?​

BERGMANN Im Gegenteil, ich gehörte überhaupt nicht zur Nahrungskette. Ich bin immer mit einem Golfwagen über das Studiogelände gedüst und habe wichtige Briefe und Pakete an wichtige Leute übergeben. Die haben sich in der Regel immer sehr gefreut, und sie waren eigentlich alle nett zu mir. Egal, ob Sekretärin oder Studiochef – ich wurde immer herzlich empfangen.​

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Haben Sie wirklich das Drehbuch zu „Titanic“ gelesen, bevor der Film gedreht wurde?​

BERGMANN Ja, das stimmt. Das Drehbuch geisterte durch das Studio, und ich durfte es auch lesen. Ich fand es übrigens doof. Meine Meinung damals: Die Geschichte ist hanebüchen, die Dialoge dämlich, und jeder weiß, dass das Schiff am Ende sinkt. Ein Flop!​

Sie haben 18 Jahre für das Magazin „Widescreen“ geschrieben, bevor es eingestellt wurde. Was waren die besten und die weniger guten Momente?​

BERGMANN Von den besten Momenten gibt es so viele, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Für mich war es ein ganz großes Privileg, mit so vielen großen Filmschaffenden sprechen zu dürfen. Ich habe dabei sehr viel über das Geschichtenerzählen gelernt. Zu den schlimmsten Momenten zählen peinliche Interviews, die ich aus irgendwelchen Gründen vergeigt habe. Das ist mir nur selten passiert, aber es war jedes Mal schrecklich.​

Ihre Hauptfigur fingiert ein Interview mit einem Star und macht es interessanter als es real war. Hatten Sie in Ihrer Journalistenzeit auch mal diese Versuchung? Im Roman spricht Klein ja auch davon, „den Deppen bessere Worte in den Mund“ zu legen.​

BERGMANN Manchmal hat es mich verwirrt, wenn die Gesprächspartner eine wunderschöne, naheliegende Antwort partout nicht geben wollten. Klar, ich kann die Versuchung verstehen, ein bisschen nachzubessern, aber es ist wie die Versuchung, eine Bank zu überfallen – sowas gehört sich nicht! Ich kannte mal jemanden, der das gemacht hat. Er hat Zitate gefälscht und ist dann aufgeflogen. Das war Betrug. Aber immerhin war es auch eine Inspiration für meinen Roman.​

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Ist die Figur des Kritikers im Roman eine Version Ihrer selbst – oder eher ein Gegenentwurf?​

BERGMANN Ein bisschen von beidem. Marcel Klein ist in vielen Dingen besser als ich, aber er ist auch ein Blender, ein Feigling, ein Schmock. Er ist meine Schattenseite.​

Was waren die schlimmsten realen Interview-Sätze, die Sie über die Jahre nicht mehr ertragen konnten?​

BERGMANN Die schlimmsten realen Interview-Sätze möchte ich nicht verraten. Das wäre unfair.​

Wie hatte sich die Arbeit über die 18 Jahre verändert? Sind die Stars immer mediengeschulter und damit weniger originell und offen geworden?​

BERGMANN Jungstars sind immer am schwierigsten. Sie haben zu wenig Erfahrung in dem Job, und vielleicht auch zu wenig Lebenserfahrung. Die alten Hasen kennen das Geschäft, sie nehmen sich nicht so ernst und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Das macht viel Spaß.​

Wer aus der Filmbranche  hat sie damals am meisten beeindruckt, wer am wenigsten?​

BERGMANN Grundsätzlich gilt: Je größer die Stars, desto angenehmer ist das Gespräch. Am meisten beeindruckt hat mich die Oberliga, also Leute wie James Cameron, Steven Spielberg, Helen Mirren oder auch Ewan McGregor. Das sind souveräne Leute, die Spaß an der Sache haben. Mein Lieblingsinterview war mit Gary Oldman, der ist wirklich ein Schatz.​

Ihr Roman „Der Trick“ war ein Bestseller und wurde in 17 Sprachen übersetzt. Hat man da als Autor ziemlich ausgesorgt? Oder ist das reichlich naiv meinerseits?​

BERGMANN Ausgesorgt habe ich leider keineswegs, aber „Der Trick“ war für mich bei manchen Krisen – beispielsweise Covid – ein echter Segen. Aber jetzt muss es irgendwie weitergehen.​

Haben Sie eine Meinung zu den aktuellen „Tatorten“ aus Saarbrücken?​

BERGMANN Ich habe noch nie einen „Tatort“ bis zum Ende durchgehalten. Ist nicht so meins. Ich verstehe nicht, warum man die Storys nicht spannender und vor allem bildlicher erzählt.​

Emanuel Bergmann: Tahara. Diogenes, 288 Seiten, 25 Euro.

Lesung in Saarbrücken: Freitag, 19. April, 19.30 Uhr, im Saarbrücker Filmhaus.
Karten gibt es bei der Buchhandlung Raueiser, Tel. (06 81) 379 18 30, ticket-regional.de
Das ganze Programm des Festivals: https://erlesen-saarland.de