Wieder im Einsatz: Leo Hölzer (Vladimir Burlakov, links) und Kollege/Freund/Schicksalsgenosse Adam Schürk (Daniel Sträßer). Foto: SR/Manuela Mayer

Wieder im Einsatz: Leo Hölzer (Vladimir Burlakov, links) und Kollege/Freund/Schicksalsgenosse Adam Schürk (Daniel Sträßer). Foto: SR/Manuela Meyer

„Der Fluch des Geldes“ ist der fünfte Fall des aktuellen Saarbrücker „Tatort“-Teams. Den Vorgänger „Die Kälte der Erde“ mochte ich sehr – leider ist der neue Fall, aus meiner Sicht, der bisher schwächste: Die Geschichte funktioniert nicht, die Figuren sind schwer nachvollziehbar – und die beiden Kommissarinnen haben so gut wie nichts zu tun.

Hier im Saarland gehen die Meinungen ja besonders weit auseinander, wenn es um den „Tatort“ aus Saarbrücken geht – wobei es oft zum guten Ton zu gehören scheint, ihn schlecht zu finden, Lieblingsvokabel in den sozialen Medien: „zum Fremdschämen“. Bei der Handlung wird gerne Realismus eingefordert, bei der Beschreibung des Saarlands nicht unbedingt – das soll doch bitte immer schön aussehen, wenn sich einmal im Jahr per „Tatort“ das TV-Fenster in Richtung „Reich“ öffnet.​

2020 ging nach dem Abschied von Devid Striesow als Kommissar Stellbrink (2013-2019) das neue Team an den Start. Nun ist dessen fünfte Episode fertig, gerade ist sie beim Saarbrücker Filmfestival Max Ophüls Preis gelaufen, am Sonntag in der ARD. „Der Fluch des Geldes“ nun könnte besonders stark polarisieren, denn die bewährte Team-Struktur wird aufgebrochen.​

Über weite Strecken ist das ein Solo-Fall für Leo Hölzer (Vladimir Burlakov); Kollege/Freund Adam Schürk (Daniel Sträßer) wird zur Nebenfigur und zum Beobachter, Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) und Esther Baumann (Brigitte Urhausen) werden zu Randfiguren. Wie man diesen Film nun findet, wird sich auch daran entscheiden, ob man die von Anfang an als Schurken identifizierten Figuren, mit denen man hier mehr Zeit verbringt als mit drei Vierteln der Ermittler, als glaubhaft empfindet – oder als enervierend und arg konstruiert von einem Drehbuch, das vor allem im letzten Drittel einige mitunter wilde Wendungen macht, so dass selbst Schürk sagt: „Erklär mal, um was es geht.“​

 

Ein Foto vom Dreh in Saarbrücken. Foto: tok

„Der Fluch des Geldes“ schließt direkt an den Vorgänger „Die Kälte der Erde“ an (die jüngeren SR-„Tatorte“ haben einen Hang zu sympathisch prätentiösen Titeln). Eben noch hatte sich Schürk mit einem Hooligan geprügelt, nun steht er mit Hölzer an einem See, zwischen ihnen eine Tasche voller Geld aus dem Bankraub von Schürks kriminellem, mittlerweile totem Vater (man sollte da den in der ersten Folge begonnenen Handlungsbogen noch etwas im Kopf haben).​

Dass Schürk das Geld hat, ist neu für Hölzer – und möglicherweise das Ende einer Freund- und Schicksalsgemeinschaft. „Leo, ich bin ein Arschloch – ich hätte es Dir sagen sollen“, sagt Schürk und meint, in seiner typischen Art der Realitätsbeugung: „Ist das nicht ein bisschen egal?“ Egal ist Hölzer das ganz und gar nicht: „Es macht keinen Sinn, Dir zu vertrauen.“ Da bleibt Schürk nur übrig, ein dramatisches „Fuck!“ über den See zu schreien, während Hölzer zu Fuß nach Hause stapft, entlang der „B17, stadteinwärts“.​

„Vier Insassen, einer fett“​

Dort nun beginnt der Fall: Hölzer wird von einem vorbeirasenden schwarzen SUV fast in die Leitplanke gerammt. Seine Beobachtung in aller Eile: „Vier Insassen, einer fett. Goldene Halskette.“ Was man als Zuschauerin oder Zuschauer weiß: Im Auto sitzen zwei Frauen und zwei Männer, die das Wetten und Spielen anscheinend zur Lebensphilosophie erhoben haben – um Geld geht es auch. Die Herausforderung bei diesem lebensgefährlichen Spiel: die Landstraße entlangrasen, während einem die Augen zugehalten werden.​

Hölzer überlebt das, das Quartett ohnehin, aber kurze Zeit später sieht er das rauchende Wrack eines anderen Autos – er vermutet, dass der Tod der Fahrerin mit den Landstraßenrasern zusammenhängt. Als er in der Gerichtsmedizin bei der möhrenschnippelnden Dr. Wenzel (Anna Böttcher) den trauernden Witwer der Fahrerin sieht, wird der Fall für ihn persönlich. Abseits des Dienstweges ermittelt er nun alleine. Vielleicht nicht die schlechteste Idee, denn im Büro hängt der Haussegen ohnehin bedrohlich schief wegen des Zerwürfnisses zwischen ihm und Schürk, so dass Kollegin Baumann fragt: „Was ist denn mit Euch BFFs los?“ – das Band dieser „best friends forever“ scheint zerrissen.​

 

Regisseur Christian Theede beim Dreh an der IHK in Saarbrücken. Foto: tok

 

Inszeniert hat wieder Christian Theede, das Drehbuch stammt von Hendrik Hölzemann – das bewährte Duo der ersten beiden Episoden „Das fleißige Lieschen“ (2020) und „Der Herr des Waldes“ (2021) – Hölzemann hatte zudem das Buch für „Das Herz der Schlange“ (2022) geschrieben.​ „Der Fluch des Geldes“ entstand an 21 Tagen, gedreht wurde an der Congresshalle, auf dem Saarbrücker Flughafen, in der Pathologie der Winterberg-Klinik, im Ludwigsparkstadion sowie in Dudweiler und Neunkirchen, wo eine alte Fabrik eine reizvolle Kulisse bietet für einige Wetten des Quartetts.​

„Full House, geil, Bitch“​

Erzählt wird, wie Hölzer versucht, sich der Spielerbande anzudienen, die er ziemlich schnell in einem Saarbrücker Casino namens „All In“ findet, wo die Vier lautstark an einem Spieltisch Sätze rufen wie „Full House, geil, Bitch“. Mit dieser Struktur entgeht der Film zwar der „Wo waren sie gestern zwischen 20 und 21 Uhr?“-Krimiroutine; aber die Handlung um die Wetten und Psychospielchen wirkt oft gestelzt, die Figuren des Wett-Quartetts bleiben rätselhaft – ganz klar wird nicht, warum sie das tun, was sie tun.​

Interview mit Autor Andreas Pflüger

Da wird kurz angerissen, dass eine Heroinkonsumentin (Jasmina Al Zihairi) durch die oft gefährlichen Spiele „endlich etwas fühlt“; der edel gewandete Kopf des Quartetts (Omar El-Saeidi) ohrfeigt seine Freundin (Susanne Bormann), wenn sie ihn „Loser“ nennt, beteuert zugleich aber „Ich tu das alles nur für uns“; der Wohlbeleibte (Daniel Zillmann), im Film schon mal „fette Kröte“ oder „Moppelchen“ genannt, wirkt noch am normalsten – vergleichsweise. Sein Eingangssatz zu einer Wette: „Ich bin fett und habe einen kleinen Pimmel. Aber jetzt mach ich Dich fertig.“​

Schürk, das schlechte Gewissen​

Hölzer, bisher der weichere und gesetzestreuere Ermittler im Vergleich zum Kollegen Schürk, kann hier eine gewisse Härte und Entschlossenheit zeigen – von einer originellen kleinen Szene untermauert, in der ihm Schürk wie das schlechte Gewissen in einem Spiegel erscheint und ihn fragt, was dieser Alleingang denn eigentlich soll. „Nichts“, sagt Hölzer in Richtung Spiegel, „ich mache es jetzt einfach so wie Du.“​

Wenig zu tun für die Tatort-Ermittlerinnen​

Schade ist, wie wenig die Ermittlerinnen Baumann und Heinrich beziehungsweise ihre Darstellerinnen Urhausen und Westernströer zu tun haben. Nach sieben Minuten „Tatort“ sieht man sie kurz im Fußballstadion jubeln – wie wir aus der Vorgänger-Episode wissen, ist vor allem Baumann Fan eines fiktiven Saarbrücker Vereins namens „1925 TRS“. Weitere sieben Minuten später sprechen sie mit einem Mann, dem für die Irrfahrt auf der B17 der Wagen gestohlen wurde. Dann verschwinden sie für über 20 Minuten aus dem Film, tauchen kurz buchlesend am Saarbrücker Schloss (Baumann) oder am Büroschreibtisch schlafend (Heinrich) wieder auf, um dann nochmal für 20 Minuten absent zu sein.​

Und wenn im Finale die Männer ins Auto springen, um zum Saarbrücker Flughafen zu rasen, bleiben die Frauen im Büro und werden nicht mehr gesehen. Schade und kein Vergleich zum auch formal unkonventionelleren Vorgänger „Die Kälte der Erde“, in dem Autorin Melanie Waelde und Regisseurin Kerstin Polte den beiden Figuren und Schauspielerinnen mehr Raum gaben. Wie steht es nun mit Schürk und Hölzer? Am Ende, so viel darf man verraten, sind sie sich wieder näher gekommen, diese „bromance“ hat eine Zukunft, eingeläutet vom schönen Satz „Wenn’s schief läuft, bist Du da.“ Gerne in einem Fall, der wieder mehr Interaktion im ganzen Team bietet.​

In der ARD-Mediathek.