KINOBLOG

Film und dieses & jenes

Interview mit Katharina Kubrick

Katharina Kubrick im Filmhaus Saarbrücken, wo die Retrospektive "Kubrick Komplett" am 26. Juli, dem Geburtstag ihres Vaters, eröffnet wurde. Das Foto über ihr zeigt den in Saarbrücken geborenen Regisseur Wolfgang Staudte (1906-1984); er hat, auf Kubricks Wunsch, die deutschen Synchronfassungen von drei Filmen betreut: "Uhrwerk Orange", "Barry Lyndon" und "Shining". Foto: tok

Katharina Kubrick im Filmhaus Saarbrücken, wo die Retrospektive „Kubrick Komplett“ am 26. Juli, dem Geburtstag ihres Vaters, eröffnet wurde. Das Foto über ihr zeigt den in Saarbrücken geborenen Regisseur Wolfgang Staudte (1906-1984); er hat, auf Kubricks Wunsch, die deutschen Synchronfassungen von drei Filmen betreut: „Uhrwerk Orange“, „Barry Lyndon“ und „Shining“. Foto: tok

Eine ambitionierte Filmreihe: „Kubrick komplett“ im Filmhaus Saarbrücken widmet sich dem US-Filmemacher Stanley Kubrick (1928-1999). Die komplette Retrospektive läuft 13 Wochen, beginnt am 26. Juli mit Kubricks letzter Produktion „Eyes Wide Shut“ von 1999 und bewegt sich dann chronologisch rückwärts. Jede Woche ist ein Film zu sehen, ebenso im Original wie in synchronisierter Fassung. Im Oktober endet die Reihe mit Kubricks Spielfilmdebüt „Fear and Desire“ und selten gezeigten Kurzfilmen. Zur Eröffnung ist Kubricks Tochter Katharina Kubrick (70) aus London angereist – sie hat an Filmen ihres Vaters mitgearbeitet, aber auch in verschiedenen Funktionen an Produktionen wie „Moonraker“, „Der Spion, der mich liebte“ und „Der dunkle Kristall“.

In seinem Film „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ hat Ihr Vater ein Bild der US- und Weltpolitik am Rande des Wahnsinns gezeichnet, beziehungsweise mittendrin. Mit einem US-General namens Jack D. Ripper, der aus Verfolgungswahn Atombomber losschickt, unter anderem, weil er politische Feinde für seine Impotenz verantwortlich macht. Das war 1964. Heute, in der Ära der „alternativen Fakten“, würde man sich über diese Figur vielleicht weniger wundern als damals – was würde Ihr Vater wohl heute denken?​

KUBRICK Ich fürchte, angesichts des aktuellen Zustands der US-Politik wäre er deprimiert und schockiert. Ich bin mir sicher, dass es damals im Militär tatsächliche Jack D. Rippers gab – und dass es sie heute gibt. Die beiden Figuren Jack D. Ripper und General Turgidson aus dem Film basieren auf der realen Person Curtis E. LeMay vom „Kommando für strategische Langstreckeneinsätze“. Ihm wird unter anderem dieses Zitat zugeschrieben: „Wenn man genug Feinde umbringt, dann hören die auch auf zu kämpfen.“​

Das oft überlieferte Bild Ihres Vaters ist das eines kühlen, distanzierten Einsiedlers, der sich auf seine Festung im Grünen nahe London zurückgezogen hatte, hinter elektrischen Zäunen. Wie weit entfernt von der Wahrheit ist das?​

KUBRICK Weiter entfernt könnte es nicht sein. Und das Wort „Festung“ stimmt schon gar nicht. Das Landhaus Childwickbury war ein ideales Zuhause für ihn, mit vielen Zimmern, viel Garten, viel Platz für die ganze Familie, die Katzen, Hunde – und die Esel. Meine Mutter hat dort bis heute ein großes Atelier und Gewächshäuser.​

Hat Ihren Vater dieses oft kolportierte Bild des Sonderlings und Eremiten gestört?​

KUBRICK Klar, das hat meinen Vater natürlich geärgert, und nun kann er sich nicht mehr wehren. Mich ärgert es bis heute, dass jemand schnell für seltsam oder gar verrückt gehalten wird, bloß weil er in Ruhe und mit genug Platz an einem friedlichen Ort arbeiten will.​

Vielleicht hing ihm dieses Image der Kälte und der Distanz auch an, weil seine Sicht auf die Welt und die Menschen in seinen Film so pessimistisch und finster war. Aber ein Menschenfeind war er nicht?​

KUBRICK Überhaupt nicht. Er war einfach ein sehr genauer Beobachter der menschlichen Existenz. Und die Bücher, von denen er sich hat inspirieren lassen, erzählten Geschichten über das Menschsein – und der Mensch selbst ist ja oft der Grund für sein persönliches Elend.​

Sie sind auch an Drehorten aufgewachsen und bei Dreharbeiten – das klingt schon sehr interessant.​

KUBRICK Das war es auch – in jedem Fall war es keine übliche Kindheit. Wir sind sehr viel gereist, ich habe insgesamt 13 Schulen besucht, wir haben sieben Mal den Atlantik überquert, in Schiffen wie der „Queen Mary“. Das war natürlich sehr schön. Anders als andere „Showbiz-Kinder“ wurden wir nie ins Internat geschickt. Meine Eltern wollten die Familie immer beieinander haben.​

Ab dem Film „Barry Lyndon“ 1975 haben Sie an den Filmen Ihres Vaters mitgearbeitet, so wie Ihre Schwestern Vivian und Anya.​

KUBRICK Ganz stimmt das nicht – meine inzwischen verstorbene Schwester Anya hat nie an einem seiner Filme gearbeitet, sie war Musikerin und Opernsängerin, Filmemachen war nicht ihr Ding. Aber mein Vater hat es geliebt, die Familie so viel wie möglich mit einzubeziehen. Mein Onkel Jan Harlan, der Bruder meiner Mutter Christiane, wurde sein Produzent, mein Cousin Manuel Harlan hat als Fotograf bei den Filmen meines Vaters angefangen und ist jetzt ein sehr respektierter Fotograf an Londoner Theatern und Opernhäusern. Dominic Harlan, ein weiterer Cousin, ist Pianist, hat bei der Musik für „Eyes Wide Shut“ mitgearbeitet und dafür ein Motiv von Ligeti eingespielt.​

Wie sah Ihre Arbeit an seinen Filmen aus? Sie haben nebenbei ja auch Kurzauftritte in „Uhrwerk Orange“ und „Eyes Wide Shut“.​

KUBRICK Ich habe für einige seiner Filme Drehorte gesucht und war für Requisiten verantwortlich. Ich habe das zwischen den Arbeiten an anderen Filmen gemacht, es war mir aber wichtig, mich in der Branche unabhängig von ihm zu etablieren.​

Die Filme Ihres Vaters müssen für Sie eine Art Tagebuch oder Lebensbegleiter sein. Ragt da einer besonders heraus?​

KUBRICK Ganz sicher „Barry Lyndon“, denn da war ich von Anfang an beteiligt, am ganzen Prozess des Films. Und als ich da mit Ken Adam (legendärer Film-Architekt und Ausstatter, Anmerkung der Redaktion) im Art Department gearbeitet hat, wurde mir klar, dass ich genau das machen und als Set-Designerin arbeiten will.​

Die Retrospektive in Saarbrücken beginnt mit dem letzten Film Ihres Vaters, „Eyes Wide Shut“. Ein durchaus passender Abschied. Mit Tom Cruise und Nicole Kidman auf der Höhe ihres Ruhms besetzt, aber kein Star-Vehikel, sondern eine sehr melancholische, bittere Geschichte um Ehe, Eifersucht und die Zerbrechlichkeit von Vertrauen. Einen solchen Film hätte damals außer Ihrem Vater wohl niemand finanziert bekommen.​

KUBRICK Darüber, diesen Film zu machen, hat er 30 Jahre lang nachgedacht. Als er abgeschlossen war, sagte er mir, dass er ihn für seine wichtigste Arbeit hält. Er war sehr stolz auf den Film. Ich finde, dass das Warner-Studio, das den Film in die Kinos brachte, „Eyes Wide Shut“ sehr schlecht vermarktet hat – das Publikum musste wegen der Werbekampagne eine anzügliche Bettgeschichte mit Tom und Nicole erwarten – bekam aber einen ernsten, seelenzerreißenden Blick auf Eifersucht und menschliche Schwächen. Es hatte schon seinen Grund, dass mein Vater so lange gewartet hat, bis er sich bereit fühlte, diesen Film über Situationen zu drehen, bei dem jeder und jede im Publikum eigene Erfahrungen hat. Meine Erfahrung ist, dass ältere Menschen den Film viel besser verstehen als jüngere.​

 

 

Der Film basiert auf der „Traumnovelle“, einem Werk von Arthur Schnitzler – von ihm stammt auch die Vorlage zum Film „Der Reigen“ des in Saarbrücken geborenen Regisseurs Max Ophüls. Ihr Vater galt als Bewunderer von Ophüls.​

KUBRICK Ja, er hat oft über seine Filme gesprochen und nannte ihn einen großartigen Regisseur. Ich muss aber zugeben, und es ist mir ein wenig peinlich, dass ich noch nie einen Ophüls-Film gesehen habe.​

Ihr Vater starb im Alter von 70 Jahren überraschend, wenige Tage nach der Fertigstellung von „Eyes Wide Shut“. Wie sehr vermissen Sie ihn?​

KUBRICK Sehr und jeden Tag – sein Wissen, seine Ermutigungen, sein Lösen von Problemen und sein Lachen. Ich bin traurig darüber, dass meine drei Söhne ohne ihn aufgewachsen sind und dass er zwei Urenkelinnen hat, die er nie sehen wird.​

Sie sprechen regelmäßig über das Werk Ihres Vaters, begleiten Ausstellungen und Filmvorführungen. Hilft das auch, eine gewisse Verbindung aufrechtzuerhalten, als eine Art Trauerarbeit?​

KUBRICK Ja, das hilft eine ganz Menge. „Trauerarbeit“ ist ein gutes Wort – aber es ist mehr als das. Es ist eine Art Mission für mich, falsche Vorstellungen, die sich viele von ihm machen, zurecht zu rücken. Eines Tages wird niemand mehr da sein, der ihn erlebt und gekannt hat – und es gibt immer Leute, die ihm etwas andichten. Das kann ich hoffentlich korrigieren.​

Termin: „Eyes Wide Shut“ eröffnet die „Kubrick Komplett“-Retrospektive im Saarbrücker Filmhaus am Freitag, 26. Juli. Ab 18 Uhr gibt es ein ausführliches Gespräch mit Katharina Kubrick, Kubricks Nachlass-Archivar Richard Daniels und Filmhaus-Leiter Nils Daniel Peiler. Danach läuft der Film in der englischen Originalfassung.

Das gesamte Programm der Retrospektive:  https://filmhaus.saarbruecken.de
Die Seite von Katharina Kubrick: https://www.kubrickart.com/

Regisseur Manfred „Manny“ Kirchheimer ist gestorben

Manfred Kirchheimer, der New Yorker Filmemacher aus Saarbrücken, ist mit 93 Jahren gestorben. Foto: Stadt Saarbrücken

Manfred Kirchheimer, der New Yorker Filmemacher aus Saarbrücken, ist mit 93 Jahren gestorben. Foto: Stadt Saarbrücken

 

Filmemacher war er, Dokumentarist, Chronist seiner Wahlheimat New York – und Ehrenbürger seiner alten Heimatstadt Saarbrücken. Deren Flaggen am Rathaus St. Johann wehen auf halbmast, denn Manfred Kirchheimer ist gestorben – am 16. Juli in New York, wie die Stadt Saarbrücken mitteilt. „Manny“ Kirchheimer wurde 93 Jahre alt; die britische Tageszeitung „Guardian“ attestierte ihm eine „endlose Neugier“ und nannte ihn „den großartigsten Dokumentarfilmer, von dem Sie möglicherweise noch nie gehört haben“.​

„Echtes Daarler Knießje“​

1931 im Saarbrücker Stadtteil St. Arnual geboren, war er ein „echtes Daarler Knießje“, wie er in einem Interview sagte. Vater Berthold Kirchheimer ist damals Chef-Dekorateur und Werbeleiter beim Kaufhaus E.Weil Söhne, nebenher zeichnet er Karikaturen für die „Saarbrücker Zeitung“. 1936, ein Jahr nach der „Saarabstimmung“, bei der die Mehrheit des Saarlandes für ein „heim ins Reich“ votiert, emigriert die jüdische Familie Kirchheimer nach New York. Dort wächst Manfred Kirchheimer auf, studiert am City College, interessiert sich für Film und lernt den deutschen Dadaisten und Experimentalfilmer Hans Richter kennen. Der macht ihm die Lage klar: „Möglichkeiten beim Film gibt es viele – aber Jobs gibt es keine.“​ Kirchheimer lässt sich nicht entmutigen, arbeitet für große TV-Sender, mal als Regisseur, mal als Cutter, mal als Kameramann, oft als alles zusammen; zugleich dreht er unabhängig eigene Dokumentarfilme, mit denen er nach eigener Aussage kein Geld verdient – über New York, über das Arbeitsleben der Stadt, Architektur, Kunst, Rassismus, Einwanderung. Als Filmdozent arbeitet er später ebenfalls, dann wird er Professor an der New Yorker „School of Visual Arts“.​

Nach 42 Jahren wieder in Saarbrücken​

Die alte Heimat Saarbrücken ist weit weg. Doch 1978, 42 Jahre nach der Emigration als kleines Kind, nimmt Kirchheimer Kontakt zu ihr auf: Bei der Mannheimer Filmwoche zeigt er seinen Kurzspielfilm „Short circuit“ und legt Michael Beckert, damals Filmredakteur der Saarbrücker Zeitung, eine kleine Notiz in dessen Pressefach: „Ich bin aus Saarbrücken – M. Kirchheimer“. Beckert kann Kirchheimer überreden, auf seinem Weg zum Luxemburger Flughafen in seiner Geburtsstadt Halt zu machen, für immerhin zwei Stunden. „Zeit genug, ihm das einstige Elternhaus in der Schmollerstrasse zu zeigen“, so schildert es Beckert Jahrzehnte später in seiner Ehrenbürger-Laudatio, „ihn auf den Rotenbühl und durch St. Arnual zu führen, wo er im damaligen Heiliggeist-Krankenhaus zur Welt kam“.​

Interview: Regisseur Christian Schwochow Ehrengast des Ophüls-Festivals 

Ehrengast aus Übersee​

1987 stößt Beckert eine achtteilige Kirchheimer-Retrospektive in der Camera an der Berliner Promenade an. Kinoleiter ist damals Ophüls-Festivalkopf Albrecht Stuby, der Kirchheimer 1988 in die Ophüls-Jury und 1989 als Kurator einer eigenen Reihe einlädt: Ab da reist der New Yorker regelmäßig im Januar nach Saarbrücken, um Filme seiner Studentinnen und Studenten zu zeigen, er wird so etwas wie ein Ehrengast aus Übersee. 2003 erhält er den „Filmhaus Ehrenaward“, 2005 die Ehrenplakette der Stadt Saarbrücken. Seine offizielle Rolle bei Ophüls endet aber 2016, als das Festival die New Yorker Reihe einstellt und den Schwerpunkt lieber auf europäische Filmhochschulen legt. International genießt er weiterhin großes Renommee, das „Museum of Modern Art“ zeigt 2017 eine Retrospektive seiner Arbeiten; die Stadt Saarbrücken vergibt 2021 ihre höchste Ehre – sie ernennt Kirchheimer zum Ehrenbürger.​

„Fuck it! Ich werde freier und freier“​

Kirchheimer bleibt auch mit um die 90 sehr produktiv, stellt während des Lockdowns drei weitere Dokumentarfilme fertig. Besondere Aufmerksamkeit erregt das New-York-Porträt „Free Time“, das er aus filmischen Momenten zusammenstellt, die er zwischen 1958 und 1960 aufgenommen hat. Der Film eröffnet ein Londoner Filmfestival, und in einem begleitenden Interview mit dem „Guardian“ bringt Kirchheimer seine Arbeitsweise und seine Unabhängigkeit schön auf den Punkt: „Ich bin 90 Jahre alt. Ich habe eine Filmschnitt-Anlage in meinem Apartment. Und ich habe ein großes Apartment. Filmische Trends sind mir egal. Fuck it! Ich werde freier und freier.“​

„Saarbrücken eine zweite Chance gegeben“​

Zu seinem Tod teilt nun die Stadt Saarbrücken mit: „Obwohl er als Kind vor dem Terror des Nationalsozialismus aus Deutschland fliehen musste, hat er seiner Heimatstadt Saarbrücken eine zweite Chance gegeben“, schreibt Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU), „er hat wieder eine starke Verbindung zu ihr aufgebaut und durch sein wichtiges Mitwirken die Landeshauptstadt als Filmstadt gestärkt“. An diese Verdienste „werden wir uns auch zukünftig in Dankbarkeit erinnern“.​

„Die Gleichung ihres Lebens“: die Pantoffeln und die Primzahlen

Szene aus "Die Gleichung ihres Lebens". Erst Konkurrenz, dann eine vorsichtige Zusammenarbeit: Marguerite (Ella Rumpf) und Lucas (Julien Frison) nehmen es mit „Goldbachs Vermutung“ auf. ⇥Foto: Weltkino
Erst Konkurrenz, dann eine vorsichtige Zusammenarbeit: Marguerite (Ella Rumpf) und Lucas (Julien Frison) nehmen es mit „Goldbachs Vermutung“ auf.    Foto: Weltkino

Mathematikerinnen und Mathematiker mögen kurz weghören beziehungsweise -lesen: Was um Himmels Willen ist die „Goldbachsche Vermutung“? Was wie ein Buchtitel im „Literarischen Quartett“ klingt, ist ein mathematisches Problem – eine bisher unbewiesene Vermutung des Mathematikers Christian Goldbach aus dem 18. Jahrhundert. Um Zahlentheorie geht es, um Primzahlen, und Goldbachs Theorie steht im Zentrum des Films „Die Gleichung ihres Lebens“.

In Pantoffeln in der Hochschule

Was gut ist: Mehr muss man im Kino zu Goldbach gar nicht wissen. Die Mathematikerin Marguerite jedenfalls beißt sich daran sozusagen die Zähne aus. Die Mittzwanzigerin ist Doktorandin an der Elitehochschule „École normale supérieure“ in Paris, durch das sie in Hausschuhen stapft – so sehr fühlt sie sich in der Mathematik zu Hause und so wenig interessiert sie sich dafür, ob ihre Pantoffeln jemand belächeln könnte. Sollte jemand darüber einen Scherz machen, würde sie ihn wohl wenig würdigen, denn Humor ist nicht ihre stärkste Seite.

Jahre der Forschung für die Katz

Doch dieses gewollt monothematische Leben kommt aus dem Tritt, als Marguerite den Stand ihrer Forschungen in einem Kolloquium vorstellt. Ein anderer Schützling ihres Doktorvaters weist ihr, mit einer gewissen Süffisanz, einen grundlegenden Theoriefehler nach – Jahre der Forschung waren also für die Katz. Marguerite reagiert mit komplettem Rückzug: Sie verlässt Hörsaal und Institut, mit Mathematik und dem konkurrenzharten Wissenschaftsbetrieb will sie nichts mehr zu tun haben. Aber – was nun?

Szene aus "Die Gleichung ihres Lebens": Marguerite (Ella Rumpf) und ihre Doktorvater Laurent Werner (Jean-Pierre Darroussin).

Marguerite (Ella Rumpf) und ihre Doktorvater Laurent Werner (Jean-Pierre Darroussin). Foto: Weltkino

„Zwischen uns das Leben“ mit Alba Rohrwacher und Guillaume Canet

„Die Gleichung ihres Lebens“ (der Originaltitel „Le théorème de Marguerite“ klingt etwas weniger melodramatisch) ist eine Kino-Perle; auch dadurch, was die Regisseurin und Co-Autorin Anna Novion unterlässt, welchen Klischees und filmischen Formeln sie aus dem Weg geht, wenn sie die etwas ungelenke Mathematikerin in das nicht-akademische Leben schickt. Wir begleiten sie in Clubs und auch ins Bett einer Zufallsbekanntschaft – was zu einer witzigen Szene führt, die einiges über Marguerite aussagt. Das hätte nun eine dramatische Selbstfindungsgeschichte werden können, mit großer Krise, dem Wiederaufrappeln und einem späten Triumph. Doch Novion geht es, auch wenn die Eckpunkte des Plots jetzt nicht allzu sehr überraschen, um Zwischentöne, um Schattierungen. Marguerite ist nicht der komplette Mathe-Nerd, keine komödienhafte Karikatur, die nun „das wahre Leben“ entdeckt, ihren Körper – und am Film-Ende, man kennt es aus manchen pseudo-feministischen Hollywood-Filmen, als Zeichen der Frauwerdung die Brille abnimmt. Sie bleibt fest auf Marguerites Nase.

Freundschaft mit Tücken

Die Ex-Doktorandin zieht mit einer Tänzerin zusammen und entdeckt per Zufall bei ihrem chinesischen Vermieter eine dringend benötigte Geldquelle: das Spielen von Mah-Jongg, bei dem ihr dank Gedächtnis und mathematischer Expertise die Euro-Scheine der Besiegten büschelweise entgegenfliegen. Nur: Mathematik und Goldbach lassen sie doch nicht los, und so nimmt sie Kontakt zum neuen Liebling ihres Ex-Doktorvaters auf, jenem Kollegen, der ihre Forschung einst im Kolloquium verbal zerlegte. Sie vereinbaren eine Zusammenarbeit, bei der eine Freundschaft mit Tücken beginnt, basierend auf der gemeinsamen Liebe zu Mathematik und Problemlösungen.

Filmbuch „Herzschlagkino“ von Andreas Pflüger

Ein gefühlvoller und famos, mit einigen Zwischentönen gespielter Film ist diese französisch-schweizerische Produktion. Jean-Pierre Darroussins Doktorvater ist ein Mentor, der es bis zu einer gewissen Grenze gut meint, bis eben auch Eitelkeit, Empfindlichkeiten und Karrieredenken ins Spiel kommen; Julien Frisons Konkurrent und dann Vertrauter nimmt man seine spätere Zuneigung ebenso ab wie seine kühle, ambitionsgefütterte Arroganz. Ganz im Zentrum steht die exzellente Ella Rumpf, die für diesen Film den französischen Filmpreis „César“ erhalten hat (und 2022 im Ophüls-Wettbewerbsfilm „Soul of a beast“ dabei war); sie gibt der Figur Marguerite eine etwas kantige Körpersprache mit, eine Entschlossenheit und eine gewisse anrührende Humorlosigkeit – für Pointen hat sie wenig Zeit, die Primzahlen warten.

Zurzeit bundesweit im Kino,
in Saarbrücken in der Camera Zwo.

„Kubrick komplett“ – große Retrospektive zu Stanley Kubrick im Filmhaus Saarbrücken

 

 

Wie schön! Ein famoses Plakat abseits des Üblichen und Erwartbaren. Kein „2001“-Monolith, kein Jack Nicholson mit der Axt, sondern mal mehr, mal weniger offensichtliche Hinweise auf die Filme von Stanley Kubrick. (Ich habe nicht alles enträtselt).

Sarah Noack hat das hintersinnige Plakat gestaltet.

Die große Retrospektive über Stanley Kubrick im Filmhaus in Saarbrücken  beginnt am 26. Juli mit dessen letztem Film „Eyes wide shut“. Aus London kommt Kubricks Tochter Katharina Kubrick zu einem Filmgespräch; sie spielt in „Eyes wide shut“ mit.

Danach geht es 13 Wochen lang chronologisch zurück bis zu Kubricks Debüt „Fear and Desire“ von 1953, von dem er später nichts mehr wissen wollte.

Alle Termine der Retrospektive

„John Carpenter’s Ghosts of Mars“ – Werbenippes des Grauens

 

Was man nicht alles beim Rumräumen im Schrank findet. Im Oktober 2001 kam „Ghosts of Mars“ von John Carpenter in die deutschen Kinos – und der deutsche Verleih hatte nach dem relativen Erfolg von „Vampire“ (1998) wohl die Hoffnung auf Carpenter nicht ganz aufgegeben. Jedenfalls wurde potenzielles Verlosungsmaterial geschickt – Medaillons mit Schriftzug (habe ich im Schrank jetzt nicht mehr gefunden) und Sonnenbrillen mit „Ghosts of Mars“-Aufkleber. Die Brillen mögen 23 Jahre alt – sind aber zeitlos. Zeitlos schrecklich.

Das Presseheft von "Ghosts of Mars"

Das Presseheft von einst – hinten links Jason Statham, als er noch die zweite bis dritte Geige spielte.

 

„Der Schnorchel“ aus dem Hause Hammer, neu bei Anolis

Die Doku „The Frankenstein Complex“

 

 

„Abbé Pierre – Ein Leben für die Menschlichkeit“


Humanist und nebenbei auch Medienstar: Abbé Pierre (Benjamin Lavernhe). Foto: Splendid

Der Franzose Abbé Pierre (1912-2007) hat unermüdlich gegen Armut und Ungerechtigkeit gekämpft. Ein Film zeichnet nun das Leben des „Emmaüs“-Gründers nach.

Die Szene spielt in den 1980ern, wirkt aber ziemlich aktuell: „Immer mehr Menschen sagen: Frankreich den Franzosen“, sagt ein TV-Moderator zu einem weißbärtigen älteren Herrn im Fernsehstudio. „Was wollen die“, fragt der zurück, „Maschinengewehre für unsere Grenzer? Um die Hungernden abzuwehren?“. Und fügt hinzu: „Zu Le Pen habe ich schon zehn Mal gesagt: Halt’s Maul!“. Mit Le Pen ist nicht Marine gemeint, rechtspopulistische Politikerin des „Rassemblement National“, sondern ihr Vater Jean-Marie – damals Vorsitzender des „Front National“, der sich 2018 eben in „Rassemblement National“ umbenannte, auf der Suche nach einem breitenwirksameren und weniger radikal anmutenden Erscheinungsbild.​

Französisches Nationalheiligtum​

Das TV-Interview hat es gegeben, den Mann mit dem weißen Bart und der großväterlichen Aura auch: Abbé Pierre (1912-2007). Katholischer Priester war er, gründete die Wohltätigkeitsorganisation „Emmaüs“, war lebenslanger Aktivist für die Armen, ein französisches Nationalheiligtum. Drei Jahrzehnte lang führte er die Umfrage nach dem beliebtesten Franzosen an (auch wenn Jean-Marie Le Pen wohl nicht für ihn stimmte) – schließlich bat er sich aus, in dieser Liste nicht mehr aufzutauchen.​

„Arroganz ist Alain Delons zweiter Vorname“

Das Leben und die Lebensmission dieses Mannes aus Lyon, der bürgerlich Henri Grouès hieß, hat der Regisseur und Co-Autor Frédéric Tellier nun unter dem Titel „Abbé Pierre – Ein Leben für die Menschlichkeit“ als ganz klassisches „Biopic“ verfilmt: mit hohem Aufwand, mit ausgesuchten Bildern im breiten Cinemascope-Format für die Leinwand und nicht das Fernsehen, mit großen Momenten und viel Gefühl. Die Gefahr dabei: Abbé Pierre ist durch die Arbeit seines Lebens, ob er das nun wollte oder nicht, zu einem Denkmal geworden – wie entgeht man da dem filmischen Pinseln eines Heiligenbildes, das bunt, aber langweilig zu werden droht? Tellier umgeht das Risiko (meistens), indem er zwar nicht Genre oder Hauptfigur gegen den Strich bürstet; aber er zeigt Abbé Pierre immer wieder als Zweifler, als Haderer, oft als Sturkopf, der er sein muss, um etwas zu bewegen – angesichts der Natur des Menschen, der lieber besitzt als teilt, der sich selbst stärker im Blick hat als andere.​

 

Abbé Pierre (Benjamin Lavernhe) und Lucie Coutaz (Emmanuelle Bercot) weihen ihr erstes Armenhaus ein.

Abbé Pierre (Benjamin Lavernhe) und Lucie Coutaz (Emmanuelle Bercot) weihen ihr erstes Armenhaus ein. Foto: Splendid

„Hinterlasse ich eine bessere Welt?“, fragt sich der altgewordene Abbé zu Beginn, beschienen von den ersten Strahlen einer aufgehenden Sonne. Von dort springt der Film zurück ins Jahr 1937, um ab da chronologisch zu erzählen. Der Abbé ist noch kein Abbé, sondern Kapuziner in einem Kloster, so nasskalt, dass die karge Suppe dampft wie ein Kraftwerkschornstein. Kein Raumklima für den Zerbrechlichen, der regelmäßig kollabiert. „Du bist nicht gemacht für die Kapuziner“, sagt man ihm und rät, er solle am besten „ein kleiner Priester in einem ruhigen Viertel“ werden. Doch dazu kommt es nicht, er wird eingezogen, und später gibt es keine ruhigen Viertel mehr, auch nicht im Frankreich des Vichy-Regimes. In Grenoble lauscht er, scheinbar zustimmend, Kirchenreden über die „deutschen Brüder“ und führt nach Dienstschluss Jüdinnen, Juden und andere Verfolgte über die Grenze in die Schweiz; für von Deutschen fast zu Tode Gefolterte kann er nichts weiter tun, als Zyankali-Kapseln mitzubringen.​

Findige Nonne aus der Résistance​

Diese Machtlosigkeit zehrt an ihm und ist auch der Antrieb zu seiner Arbeit nach 1945, bei der ihm die findige Nonne Lucie Coutaz aus der gemeinsamen Resistance-Zeit hilft. Sie wird zur platonischen Lebensbegleiterin und im Film so etwas wie ein gutes Gewissen; der Film schildert, wie die beiden das erste Armenhaus einrichten, zur Finanzierung die „Emmaüs“-Läden gründen und wie der Abbé im brutalen Pariser Winter 1953/54 eine flammende Rede im Radio hält, um auf die erfrierenden Obdachlosen aufmerksam zu machen; das ist der dramatische Höhepunkt von „Abbé Pierre“ – Regisseur Tellier teilt für seine Montage die Leinwand, die ansonsten zurückhaltende Musik von Bryce Dessner verströmt einiges Pathos und erinnert ein wenig an Hans Zimmers „Inception“. Zu viel des Guten? Oder genau richtig? Geschmackssache.​

Der Humanist mit der Baskenmütze​

Ab da nimmt das Erzähltempo zu, es geht zügig durch das Leben der beiden, die einige Reibereien mit den Unterstützern überstehen müssen, denen die Politik des Abbés bisweilen zu links klingt, nicht zuletzt, wenn er Verständnis aufbringt für französische Kolonien, die keine Kolonien sein wollen. Da wird einiges angerissen, aber nicht ausführlich erklärt – es schadet nicht, sich vor dem Film kurz über diesen prallen Lebenslauf zu informieren. Hat dieser Humanist mit der Baskenmütze die Welt nun ein wenig besser gemacht? „Ich bin gescheitert“, sagt er im Film am Ende seines Lebens im geisterhaften Dialog mit seinem vor Jahrzehnten umgekommenen Bruder. Ihm zustimmen will man da natürlich nicht – aber es ist gut und naheliegend, dass der Film mit realen Bildern aus dem heutigen Paris endet, mit Armut, Not und Obdachlosen, an denen man ja gerne vorbeischaut.​

Der Film läuft aktuell bundesweit, in Saarbrücken ist er in der Camera Zwo zu sehen.

„Jenseits der blauen Grenze“ – Interview mit Regisseurin Sarah Neumann

Szene aus "Jenseits der blauen Grenze": Lena Urzendowsky als DDR-Schwimmerin Hanna - Sportlerin für ein Land, aus dem sie fliehen will. Foto: Wood Water Films

Lena Urzendowsky als DDR-Schwimmerin Hanna – Sportlerin für ein Land, aus dem sie fliehen will. Foto: Wood Water Films

Sommer 1989 in der DDR. Die junge Schwimmerin Hanna (Lena Urzendowsky) zeigt Talent und wird zur Olympia-Hoffnung der DDR. Ihr bester Freund Andreas (Willi Geitmann) wird von der Staatsmacht drangsaliert und will fliehen – durch die Ostsee. Dazu braucht er Hannas Hilfe. „Jenseits der blauen Grenze“ über Enge, Hoffnung und Freundschaft war einer der stärksten Produktionen des Spielfilmwettbewerbs beim Ophüls-Festival 2024, schnörkellos erzählt und sehr berührend – er gewann den Publikumspreis Spielfilm und den Preis der Ökumenischen Jury. Regie führte Sarah Neumann, die auch das Drehbuch nach dem Roman von Dorit Linke geschrieben hat. Wir haben mit Neumann gesprochen, die an der Filmakademie in Ludwigsburg Regie studiert.

Der Film ist am Dienstag, 2. Juli, ab 19 Uhr im Kino Achteinhalb zu sehen.

 

Was hat sie an der Romanvorlage besonders angesprochen?

NEUMANN Ich habe den Roman 2015 zum ersten Mal gelesen. Mich hat auf Anhieb angesprochen, dass er so filmisch geschrieben ist. Besonders die Fluchtszenen sind so eindrucksvoll beschrieben, dass ich mir dachte: „Das habe ich im deutschen Kino noch nicht gesehen – das würde ich gern einmal auf der Kinoleinwand sehen“.

Wie sind Sie mit der Buchvorlage umgegangen, was haben Sie verändert?

NEUMANN Ich habe immer versucht, möglichst nahe am Roman zu bleiben. Doch ein paar Figuren und Situationen mussten leider gestrichen werden, weil es sonst mindestens drei Filme geworden wären. Die Grundaussage des Romans ist aber unverändert geblieben.

Wie schnell war klar, dass Lena Urzendowsky Hanna spielen würde?

NEUMANN Nachdem wir ihr Casting-Video gesehen haben, war für uns alle klar, dass sie die Hanna spielen muss. Im Konstellations-Casting mit Willi Geitmann und Jannis Veihelmann hat sich das nochmal hundertprozentig bestätigt, weil die drei sofort wunderbar miteinander harmoniert haben.

Musste Urzendowsky für die Schwimmszenen ein besonderes Training absolvieren?

NEUMANN Lena hat ein Jahr lang trainiert, um möglichst nahe an die Statur einer Schwimmerin zu kommen. Sie hatte einen Schwimmtrainer, mit dem sie regelmäßig trainiert hat, damit ihre Schwimmbewegungen möglichst authentisch und professionell aussehen.

 

Fototermin beim Ophüls-Festival im Januar, von links: Darsteller Jannis Veihelmann, Regisseurin/Autorin Sarah Neumann. Darstellerin Lena Urzendowsky und Schauspieler Willi geitmann. Foto: Max Kullmann / Filmfestival Max Ophüls Preis

Fototermin beim Ophüls-Festival im Januar, von links: Darsteller Jannis Veihelmann, Regisseurin/Autorin Sarah Neumann. Darstellerin Lena Urzendowsky und Schauspieler Willi Geitmann.   Foto: Max Kullmann / Filmfestival Max Ophüls Preis

Wie war es, im Meer zu drehen? Schwierig – und vor allem kalt?

NEUMANN Wir haben alle Fluchtszenen in der Ostsee gedreht, was ziemlich hart war, weil das Wetter dort unberechenbar ist. Wir sind jeden Tag mit einem Boot ungefähr 20 Minuten weit aufs Meer hinausgefahren. Von da mussten Lena und Willi dann ins Wasser. Und es war, trotz Sommer, wirklich ziemlich kalt.

Wie viele Drehtage hatten Sie?

NEUMANN Wir hatten 28 Drehtage und das Budget eines Abschlussfilms, was für einen historischen Film eigentlich viel zu wenig ist. Aber wir haben unserer tollen Szenenbildnerin Lorena Hahn und Team sowie unserer tollen Maskenbildnerin Mara Laibacher mit Team zu verdanken, dass der Film so authentisch wie möglich ist. Sie haben mit unseren wenigen finanziellen Mitteln die DDR auf der Leinwand zum Leben erweckt.

Interview mit Dominik Graf

Sie sind ein Jahr vor dem Mauerfall in Görlitz geboren. War Film auch die Möglichkeit, sozusagen die DDR-Historie noch einmal mehr für sich selbst zu erforschen?

NEUMANN Ich gehöre zu einer Generation, die sich nun, 35 Jahre nach Mauerfall, noch einmal neu mit der DDR-Geschichte auseinandersetzt. Nachdem es eine Filmwelle gegeben hatte, die alles sehr auf die Stasi-Thematik reduziert hat, und es eine „Ostalgie“-Welle gab, die alles sehr verharmlost und ins Lächerliche gezogen hat, ist es an der Zeit, von der DDR und allen Menschen, die dort gelebt haben, ambivalenter zu erzählen. Und es gibt ganz viele Geschichten, die noch nie erzählt wurden.

Haben Sie Favoriten, was das Behandeln der DDR im Kino angeht?

NEUMANN Ich finde „Gundermann“ einen wirklich guten Film, der eben auch diese Ambivalenz hat, die so wichtig ist, wenn es um die DDR geht. Ansonsten hat mich der Defa-Film „Das Mädchen aus dem Fahrstuhl“ unheimlich inspiriert.

Der wunderbar lapidare Dialog über die DDR in Ihrem Film: „Ist es wirklich so schlimm?“ – „Ja“ – ist der auch so im Buch?

NEUMANN Ja, ein zentraler Dialog, der auch im Roman ist.

Der Film hatte beim Festival gleich zwei Schauspiel-Nominierungen – wie lange haben Sie gecastet?

NEUMANN Dass beide nominiert sind, hat uns unendlich gefreut. Für die Rolle von Andreas haben wir in Hamburg und Berlin insgesamt etwa um die 15 tolle junge Schauspieler eingeladen. Aber als wir Willi Geitmann in Berlin gesehen haben, waren wir alle uns auf Anhieb einig, dass er den Andreas spielen muss. Bei der Rolle des Jensi war es nicht einfach, Schauspieler zu finden, die Charme haben und einen natürlichen sächsischen Akzent. Dass wir Jannis Veihelmann gefunden haben, ist ein großes Geschenk.

Dienstag, 2. Juli, 19 Uhr im Kino Achteinhalb in Saarbrücken,
im Rahmen der Filmtage der Arbeitskammer.

„Heinz Rühmann war definitiv Teil des Systems“ – Interview über das Kino der Nazis​

 

Heinz Rühmann in „Die Feuerzangenbowle“ von 1944 – zugleich deutscher Komödienklassiker und ein Propagandafilm des Nazi-Regimes. Er mokiert sich über die Weimarer Republik und präsentiert mit einem schneidigen Junglehrer einen NS-Pädagogen. Foto: ARD

 

Wie hat die Propaganda des NS-Kinos funktioniert – auch in scheinbar unpolitischen Filmen? Wie haben die Nationalsozialisten ihre Filmindustrie kontrolliert? Und wie liefen die Karrieren von NS-Regiestars wie Leni Riefenstahl oder Veit Harlan nach 1945 weiter? Das sind Themen des Vortrags „Das Kino unter dem Hakenkreuz“ von Martin Seng in Saarbrücken. Der 29-Jährige hat in Trier Politikwissenschaft und Anglistik studiert, arbeitet als Bildungsreferent und als freier Journalist, unter anderem für Zeit Online und die taz.

Ärgern Sie sich, wenn an Weihnachten im Abendprogramm wieder „Die Feuerzangenbowle“ läuft – ein Komödienklassiker und doch auch ein Produkt der NS-Kino- und Propaganda-Industrie?​

SENG Es ist nicht so, dass ich mich unbedingt ärgere. Ich würde mir aber so etwas wie eine kommentierende Einführung wünschen. Das Problem dabei ist, dass die Aufführungsrechte für diesen Film aktuell bei einer ehemaligen Politikerin der AfD liegen, Cornelia Meyer zu Heide. Sie hat in der Vergangenheit mehrfach verhindert, dass dieser Film wissenschaftlich eingeordnet wird, etwa bei Vorstellungen bei Uni-Kinos. Bei TV-Ausstrahlungen hingegen gibt es keine Einordnungen.​

Im Kino der Nationalsozialisten waren Propagandafilme mit deutlicher politischer Botschaft seltener als scheinbar unpolitische Unterhaltungsfilme. Waren diese eskapistischen Filme harmloser und auch unpolitischer?

SENG Nein, es gab offene Propaganda wie etwa „Hitlerjunge Quex“ von 1933. Da wird ganz offensichtlich die Hitlerjugend glorifiziert, man soll sich ihr anschließen. Aber „Die Feuerzangenbowle“ etwa ist eher versteckte Propaganda, ein Unterhaltungsfilm während des Kriegs, um die Menschen von dem Krieg und den Zuständen in Deutschland abzulenken. Dadurch wird Eskapismus zu etwas Politischem. Genauso gibt es kolossale Durchhaltefilme wie „Kolberg“ von 1945, der die deutsche Gesellschaft zum Durchhalten bis zum angeblichen Sieg noch motivieren soll.​

Der Journalist Martin Seng. Foto: Seng

Der Journalist Martin Seng. Foto: Seng

„Kolberg“ wurde, wie auch der besonders berüchtigte „Jud Süß“, von Veit Harlan inszeniert. Der war Regie-Star unter den Nazis und hat nach 1945 rasch wieder als Filmemacher Fuß gefasst. Gab es im deutschen Kino keine Stunde Null?​

SENG Beim Kino sehe ich diese Stunde Null nicht, insbesondere nicht bei Veit Harlan. Seine NS-Vergangenheit war allgemein bekannt, aber das hat ihn nicht daran gehindert, weiter Filme zu machen. Im Zuge der Entnazifizierung wurde er entlastet, hat öffentlichkeitswirksam immer wieder versucht, seine Unschuld zu beteuern und sich als bloßer Mitläufer darzustellen. Aber er war ganz klar ein Mittäter und hat dennoch relativ groß Karriere nach ´45 gemacht, wie auch andere Schauspieler oder Regisseure, nicht zuletzt Leni Riefenstahl, wahrscheinlich die erfolgreichste Regisseurin überhaupt auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Entnazifizierung der NS-Filmindustrie ist massiv fehlgeschlagen.​

„Opfergang“ und „Immensee“ von Veit Harlan

Wie schwer ist das Verhalten von Filmschaffenden insgesamt zu beurteilen? Regisseur Wolfgang Liebeneiner etwa war eine sehr mächtige Figur in der NS-Filmindustrie, doch Ende 1945 holte ihn die jüdische Theaterleiterin Ida Ehre an ihre Bühne – nach dem Krieg hatten einige Jüdinnen und Juden gesagt, er habe ihnen während der NS-Zeit geholfen.​

SENG Die Beurteilung ist wahnsinnig schwer. Nehmen Sie jemand ambivalenten wie Gustaf Gründgens. Er hat in NS-Propagandafilmen sehr prominent mitgespielt, war ein Mitläufer, hat Harlan vor Gericht entlastet – gleichzeitig hatte er seine jüdischen Liebhaber vor dem NS-Regime gerettet. Die Einordnung ist also generell schwierig, manchmal aber auch einfach: Leni Riefenstahl, Regisseurin von „Triumph des Willens“ und „Olympia“, etwa war kein NSDAP-Mitglied, sie war aber trotzdem sehr eng mit der NS-Führungsriege verbandelt. Sie kann man keinesfalls entlasten.​

Und Heinz Rühmann, der im Film der Nazis ebenso ein Star war wie im Nachkriegskino?​

SENG Rühmann war definitiv Teil des Systems, er hat auch „Die Feuerzangenbowle“ damals Hitler persönlich vorgeführt, weil er unbedingt erreichen wollte, dass dieser Film gezeigt wird. Ich würde ihn als einen klassischen Mitläufer sehen, als einen Opportunisten.​

 

Regisseurin Leni Riefenstahl (1902-2003) bei der Arbeit an ihrem Dokumentar- und Propagandafilm „Triumph des Willens“ über den Nürnberger Parteitag der NSDAP 1934. Foto: dpa

Wie mächtig sind die offensichtlichen Propagandafilme heute noch? Sieht man „Jud Süß“ heute, hat man nicht den Eindruck, dass er einen zum Antisemiten macht, wenn man nicht schon vorher einer war.​

SENG Das ist eine lange diskutierte Frage. „Jud Süß“ ist einer von den sogenannten Vorbehaltsfilmen – Produktionen, die von der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung in Wiesbaden quasi unter Verschluss gehalten werden, weil sie als volkverhetzend, rassistisch oder kriegsverherrlichend gelten. Sie dürfen nur bei Veranstaltungen gezeigt werden mit historischen Einordnungen oder Diskussionen. Grundsätzlich kann ich den Gedanken dahinter verstehen, aber es wäre gelogen, wenn man sagt, man könne nicht anders an diese Filme herankommen – insbesondere, wenn man sich im Internet auskennt.​

Interview mit Rüdiger Suchsland zu „Hitlers Hollywood“

„Jud Süß“, „Heimkehr“, „Der ewige Jude“ sind die klassischen, sehr offensichtlichen Hetzfilme der Nazis. Welche Filme würden sie heute für gefährlich halten, weil sie subtiler sind?​

SENG Generell glaube ich, dass die heutige Wirkungskraft vieler dieser Filme überschätzt wird. Aber es gibt auch Ausnahmen: „Ich klage an“ von 1941, inszeniert vom besagten Wolfgang Liebeneiner. Das ist ein Film, der die Euthanasie der Nationalsozialisten vorbereitet. Dieser Film ist relativ subtil in seiner Botschaft, aber unfassbar perfide, so dass man von dieser Botschaft leicht manipuliert werden kann. Deswegen würde ich gerade so einen Film nicht im regulären Fernsehprogramm zeigen. Bei einem Streaming Dienst würde ich mir wünschen, dass man mit einer Texttafel oder einer anderen technischen Möglichkeit eine Einordnung zur Verfügung stellt.​

Wie haben sich die populären Filmschaffenden der NS-Zeit danach zu ihrer Rolle geäußert?​

SENG Zum Teil gar nicht. Vieles wurde auch klein geredet – man habe ja nur als Schauspielerin oder Schauspieler vor der Kamera gestanden und so weiter. Dabei wurde dann immer gerne übersehen, wie viel Wirkung dieses Medium Film und seine Stars hatten. Hitler und Goebbels haben das ja auch gewusst. Interessant ist, wie nach 1945 mit „Jud Süß“ umgegangen wurde. Dieser unfassbar antisemitische Film, auch Harlans „Kolberg“, wurde in den 1950er und 1960er Jahren im Nahen Osten von vielen arabischen Gruppen in Syrien, Ägypten und Irak gezeigt. Das wird gerne mal vergessen. Und die deutsche Regierung wusste auch, dass zum Beispiel im Ministerium für Nationale Erziehung in Kairo noch viele NS-Filme lagen und noch eine Kopie von „Jud Süß“. Man hat sich aber nicht die Mühe gemacht, die Objekte zu bergen, weil man keine schlafenden Hunde wecken wollte. Zu groß war die Sorge, einen Protest im arabischen Raum zu provozieren. Dazu empfehle ich sehr das Buch „Jud Süß: Das lange Leben eines Propagandafilms“ des US-Filmhistorikers Bill Niven. Er verfolgt die Geschichte des Films auch lange nach 1945 hinaus. Das Traurige ist, dass dieser Film nicht tot zu kriegen ist und und eben auch von komplett anderen Gruppen wie im Nahen Osten für Propaganda-Zwecke missbraucht wird. Man unterschätzt gerne die Reichweite dieses Films.​

Es ist die alte Frage – kann man die Kunst vom Künstler oder der Künstlerin trennen? Und die Gestaltung mancher NS-Filme bewundern, auch wenn die Botschaft schrecklich ist? Filmemacher Quentin Tarantino nannte, in einer offensichtlich sehr engen filmhistorischen Sicht, Leni Riefenstahl wegen ihres Olympia-Films „die beste Regisseurin, die jemals lebte“.​

SENG Ich halte die Idee dieser Trennung von Kunst und den Schaffenden im Fall der Nationalsozialisten für einen Mythos. Im Bezug zu Leni Riefenstahls Parteitagsfilm „Triumph des Willens“ sprach Walter Benjamin von einer „Ästhetisierung der Politik“. Die Botschaften, die Ideologie des NS-Regimes werden hier mit Bildern eins zu eins transportiert. Riefenstahl wusste das und hat die Bilder entsprechend angeordnet und der NS-Politik eine Ästhetik verliehen. Da kann man Kunst und Künstlerin gar nicht mehr voneinander trennen.​

Sie werden bei Ihrem Vortrag Ausschnitte aus NS-Filmen zeigen, aber auch Neueres, unter anderem das Musikvideo von Rammstein für den Song „Stripped“ – warum?​

SENG Weil die Band dort die originalen Aufnahmen aus dem Riefenstahl-Film „Olympia“ verwendet. Rammstein spielt ja immer mit einer gewissen NS-Ästhetik.​

Ist das reine Provokation oder mehr?​

SENG Rammstein bezeichnet sich selbst gerne als unpolitisch, was definitiv nicht der Fall ist. Man kann nicht mit einer solchen Ästhetik kokettieren und sich dann als unpolitisch bezeichnen. Die Band provoziert gerne, ich würde in diese Provokation selbst dann aber nicht unbedingt einen politischen Standpunkt hineinlesen. Ich sehe Rammstein nicht als rechtsextreme Band, auch wenn mir da einige Leute widersprechen würden. Ich sehe aber diese Provokation sehr kritisch. Natürlich kann man das machen, aber dann muss die Band mit entsprechender Kritik leben und dem berechtigen Vorwurf, dass sie so auch Rechtsextreme anlockt.

 

Interview zu Verschwörungstheorien​

 

Gab es in der NS-Filmindustrie auch Beispiele für subversive Filme, in denen Filmemacher regimefremde Botschaften eingeschmuggelt haben? Oder war das unmöglich?​

SENG Unmöglich würde ich nicht sagen, aber es war sicher unfassbar schwierig. Der Film „Paracelsus“ von 1943 von Georg Wilhelm Pabst etwa hat eine ambivalente Lesart. Man kann ihn als linientreu lesen oder als leisen Widerstandskommentar, denn Pabst wollte noch vor Kriegsbeginn fliehen. Aber so etwas wie eine große filmische Untergrund- oder Widerstandsbewegung hat es nicht gegeben. Das war gar nicht möglich in dieser gleichgeschalteten Filmindustrie.​

Termin: Donnerstag, 27. Juni, 19 Uhr, im Kino Achteinhalb in Saarbrücken.
Eine Veranstaltung zusammen mit der Rosa Luxemburg Stiftung Saar und der Peter Imandt Gesellschaft.​

„Im Wasser der Seine“ bei Netflix – Streaming-Fischfutter?

Das Plakatmotiv zu "Im Wasser der Seine". Foto: Netflix

Das Plakatmotiv zu „Im Wasser der Seine“. Foto: Netflix

 

Peinlich ist das schon. Da geißelt der Film – völlig zurecht – in seinen ersten Minuten die Vermüllung der Meere, zeigt die türkisblaue Ex-Schönheit des Nordpazifiks, entstellt von quallengleich dahinschwebenden Kunststofftüten – und dann lässt der Film seine Heldin dramaturgisch unmotiviert gleich zweimal aus der schnöden Plastiktüte eines bekannten Süßwarenherstellers naschen. Nun ist Schleichwerbung ja nichts Neues; aber wenn ein Film einen Naschwerk-Plastiktüten-Riesen an der Öko-Botschaft knabbern lässt, landet die Glaubwürdigkeit in der gelben Tonne – zumal Regisseur Xavier Gens seinen Film vollmundig als „ökologische Parabel“ bezeichnet hat.​

Simpel, aber effektiv​

Andererseits – Schwamm drüber. Denn die französische Netflix-Produktion „Das Wasser der Seine“ will vor allem ein Thriller sein und fußt dabei auf einer simplen, aber effektiven Prämisse: ein hungriger Hai in Paris. Parbleu! Lilith heißt das Tier, so benannt von der Biologin Sophia (Bérénice Bejo). Sie studiert den Makohai zu Beginn des Films im Pazifik, wo er a) unerwartet schnell wächst und b) in einem Anfall von Heißhunger unter anderem den Ehemann der Forscherin frisst. Der Film lässt da nicht zimperlich einen abgetrennten Arm mit Finger mit Ehering durchs Wasser schweben. Nach einem Zeitsprung von drei Jahren treffen wir Sophia in Paris wieder; mit aktiver Meeresforschung will sie nichts mehr zu tun haben, sondern unterrichtet auf festem Boden über den angeschlagenen Zustand der Meere.​

Aktivisten im Altbau​

Doch junge Öko-Aktivistinnen und -Aktivisten vom Geheimclub „SOS“ treten an sie heran und führen sie in ihr Hauptquartier, einen Raum, der jede Wohnungsnot in Paris vergessen macht: ein geräumiger Altbau mit reihenweise PCs und einem Beamer, der Szenen aus den Ozeanen an die Wand projiziert. Die Aktivisten wissen, da ihre IT-Expertin (stets mit Wollmütze) am PC es beweist, dass Lilith nicht mehr im Pazifik schwimmt, sondern in der Seine. Warum auch nicht? Sophia ist schnell überzeugt, nicht aber die Wasserbrigade der Polizei und vor allem nicht die Oberbürgermeisterin (wunderbar ölig gespielt von Anne Marivin) – sie will sich einen Massen-Triathlon in der für viel Geld gesäuberten Seine und den damit einhergehenden Image-Gewinn nicht verderben lassen. Denn „Paris ist ein Fest“ verkündet sie. Wenn auch letztendlich, das befürchtet man als Zuschauer, eher für den hungrigen Fisch als für die Schwimmer.​

Ein Bild von der Dreharbeiten vor Green Screen.. "das Wasser der Seine".

Ein Bild von der Dreharbeiten vor Green Screen. Foto: Netflix

 

Netflix-Produktion „Atlas“

Netflix-Produktion „Leave the world behind“

Wie der Hai es vom Pazifik nach Paris geschafft hat oder wie er mit Süßwasser zurande kommt, ist dem Film nicht so wichtig; ein Darwin-Zitat zu Beginn über die Macht der Anpassung muss reichen;  evolutionär setzt das Hai-Weibchen noch einen drauf – Lilith braucht gar keinen männlichen Fisch mehr zur Fortpflanzung. Das Matriarchat mit Flosse also? Jedenfalls muss die wackere Forscherin gleich mehrmals im Film „c’est pas possible“ raunen; überhaupt muss man Bérénice Bejo zu Gute halten, dass vor allem ihre souverän nüchterne Darstellung dem Film hilft, nicht allzu früh zu absurd zu wirken – dem Drehbuch und auch manchen zweitklassigen Computertricks zum Trotze.​ (Es gibt auch viele gute).

Viel Fischfutter​

Langweilig ist der Film dabei nicht, wenn auch weit entfernt von der Schreckensspannung der Fisch-Horror-Urmutter „Der weiße Hai“, auf die als Hommage ein paar Mal angespielt wird. Aber Regisseur Xavier Gens, der 2007 mit dem ruppigen Horrorfilm „Frontière(s)“ bekannt wurde, gelingt eine famose Sequenz klaustrophoben Horrors, wenn er Polizisten und Aktivisten in eine Pariser Katakombe führt und sie dort an einem Becken positioniert, das sich als flüssiges Nest des Hais entpuppt. Beim ausbrechenden Chaos ist es mit der Achtsamkeit und Solidarität der Aktivistinnen und Aktivisten auf der Flucht schnell vorbei – da wird getreten und ins Wasser geschubst, dass es zumindest für den hungrigen Hai eine Freude ist. Überhaupt ist die Haltung des Films zu den Öko-Aktivistinnen und -Aktivistinnen mindestens ambivalent. Sie wollen den Hai lebend ins Meer zurückleiten – doch dafür gehen die Radikalen unter ihnen gerne das Risiko ein, dass Menschen dabei sterben. Keine sympathische Perspektive des Drehbuchs, das uns mit einer gewissen Stammtisch-Perspektive nahelegen will: Die Politik (Bürgermeisterin) ist verlogen; die Aktivisten sind fanatisch; und am Ende muss es die Polizei richten, zusammen mit einer Biologin, die mittlerweile von „Ausrottung“ spricht.​ „Der Fisch muss weg!“

 

Begegnung im Pazifik der Plastiktüten. Foto: Netflix

Ideologisch könnte einem das beim Zuschauen nun aufstoßen wie ein altgewordener Heringssalat – aber der Film lenkt im Finale mit einiger Rasanz ab, wobei am Ende Logik und Physik sozusagen ins Wasser fallen. Man mag sich da herzhaft am Kopf kratzen, aber spektakulär sehen die Schlussbilder schon aus. Und um mehr geht es diesem filmischen FishMac wohl auch nicht.​

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