Ingrid Kraus, Waldemar Spallek und Olga Dovydenko im Saarbrücker Kino Achteinhalb.

Im Kino Achteinhalb, von links: Ingrid Kraus, Waldemar Spallek und Olga Dovydenko.    Foto: tok

 

Der 30. Geburtstag des Saarbrücker Kino Achteinhalb ist von Corona verhagelt worden. Also hat das Kino-Team um Ingrid Kraus und Waldemar Spallek die Schnapszahl 33 als Anlass zum Feiern genommen. Wie ist die Lage im Kino?

Warum auch nicht? Wenn man das 30. Jubiläum nicht begehen kann, dann eben das 33., in diesem Jahr. Vor drei Jahren hatte die Pandemie jegliche Geburtstagsfeier im Saarbrücker Kino Achteinhalb verhagelt. Und die Zahl 33 passt biografisch nicht schlecht. „Seit 33 Jahren bin ich beim Achteinhalb, jetzt bin ich 66, das ist mein halbes Leben“, sagt Ingrid Kraus, Mitgründerin und Leiterin des Kinos, zusammen mit Waldemar Spallek. Einst, 1983, hatte sich in der Alten Feuerwache in Saarbrücken eine „nichtkommerzielle Abspielstätte für 16- und Acht-Millimeter-Filme“ gegründet; 1990 zog dieses „Kino in der Feuerwache“ in die Nauwieserstraße 19 und nannte sich Kino Achteinhalb – nach dem Meisterwerk „8 1/2“ von Regisseur Federico Fellini, den diese Idee im fernen Saarland wohl entzückt hat: Im April 1990 gab der Italiener sein Einverständnis zum Namen per Brief aus Rom – eine Kopie davon hängt heute noch im Kino, das Original liegt bei Ingrid Kraus zuhause. Sicher ist sicher.

 

Federico Fellinis Grußkarte von 1990. Foto: Kino Achteinhalb

Federico Fellinis Grußkarte von 1990. Foto: Kino Achteinhalb

Online-Diskussion mit Agnieszka Holland

Wie geht es dem selbst verwalteten Kino in seinem unrunden Jubiläumsjahr, nach Lockdown und Wiederöffnung? „Die Besucherzahlen sind gut“, sagt Waldemar Spallek, „wir haben wieder den Stand von 2019 erreicht und sind damit sehr zufrieden“. Natürlich sei die Corona-Zeit frustrierend gewesen, aber man habe sie so gut genutzt wie es ging: Die Stühle hätten neue Polster und Bezüge bekommen; überholt wurde auch die Webseite des Kinos, die zweite Programm-Informationsquelle neben dem gedruckten Katalog. Und noch ein Gutes habe Corona paradoxerweise mit sich gebracht, erklärt Spallek – die Online-Diskussionen mit Filmschaffenden, eigentlich ein Notnagel in der Pandemie, habe sich etabliert, sei nun akzeptierter Bestandteil des Programms, der einige Höhepunkte mit sich gebracht habe: Im April etwa ein Online-Publikumsgespräch mit der oscarnominierten polnischen Regisseurin Agnieszka Holland, aktuell Präsidentin der Europäischen Filmakademie.

So war der Abend im Achteinhalb mit Volker Schlöndorff

Insgesamt hat sich das Publikum des Achteinhalb etwas verjüngt. „Einige ältere Stammkunden besuchen uns seltener als vor der Pandemie“, sagt Olga Dovydenko, aber „es besteht auffallendes Interesse bei Studierenden an Veranstaltungen mit Originalfassungen und an Filmen zu gesellschaftlich-politischen Themen“. Eine Reihe mit Filmen von Jean-Godard sei zuletzt sehr gut gelaufen, ebenso wie neulich der betagte Hitchcock-Film „Eine Dame verschwindet“, gezeigt zum „Tag der Schiene“, spielt der Film doch vor allem im Zug. „Das Fernsehen zeigt ja kaum noch Klassiker“, sagt Ingrid Kraus – für das Saarbrücker Kino ein Vorteil. Und beim jungen Publikum spüre man ohnehin die Lust, diese Klassiker nicht zuhause als DVD oder per Streaming zu schauen. „Der Ort Kino wird sehr geschätzt.“ Reizvoll ist auch die neuere Schiene „Nachteinhalb“ mit klassischen und mit jungen Horrorfilmen, freitagabends und jeweils mit einer Einführung.

Das Saarbrücker Kino im Werkhof der Nauwieser Straße 19. Foto: tok

Das Saarbrücker Kino im Werkhof der Nauwieser Straße 19.  Foto: tok

Charly Hübner und Volker Schlöndorff zu Gast

Vor der Sommerpause in diesem Jahr gab es einige außergewöhnliche Vorstellungen, die gewissermaßen symbolisch für die Arbeit des Achteinhalb waren: Erst war Schauspieler und Filmemacher Charly Hübner zu Gast, vor vollem Haus. Einen Tag später kam Volker Schlöndorff zu einer ebenfalls denkwürdigen Veranstaltung – der Oscarpreisträger („Die Blechtrommel“) zeigte seine Proust-Adaption „Eine Liebe von Swann“, sprach lässig über das damals vernichtende Echo der französischen Kritik und über die enorme Arroganz von Alain Delon. Eine Sternstunde für Cineastinnen und Cineasten, möglich durch den Enthusiasmus des Teams – und durch das, was sozusagen das Rückgrat des Ganzen ist: Kooperationen. Bei Hübner etwa war die Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK) mit dabei, bei Schlöndorff die Romanistik der Saarbrücker Uni – begleitend zu einem Proust-Seminar zeigte das Achteinhalb einige Adaptionen.

Ein vergammelndes Kino der Kindheit

Um die 100 Kinovorstellungen im Jahr seien an Kooperationen geknüpft (neuerdings auch mit dem Saarländischen Staatstheater), was dem Achteinhalb Unterstützung der Partner einbringe und nicht zuletzt Hilfe bei der so wichtigen Werbung. „Wir arbeiten gerne sehr breit mit allen möglichen Gruppen und Verbänden“, sagt Spallek, „man lockt nicht jedes Publikum etwa mit einer Uni-Kooperation“. Im September und Oktober etwa sind ebenso das Kultusministerium wie die Synagogengemeinde Saar mit dabei (für die Jüdischen Filmtage), außerdem unter anderem die Arbeitskammer des Saarlandes, die Staatskanzlei und die Deutsch-Polnische Gesellschaft Saar für die Polnischen Filmtage – das sind nur einige von vielen Partnern.

„Minimale Gehälter“

Fruchtbare Kooperationen hin oder her – ein Problem treibt die Achteinhalber seit der Kinogründung um, bis heute: die Finanzierung. Das Kino wird als gemeinnütziger Verein betrieben, der dem Team „minimale Gehälter“ zahlt, wie Spallek sagt; die habe man jetzt aber ebenso minimal erhöhen müssen, um steigende Lebenshaltungskosten aufzufangen. Nur: Dann werde im Verein und somit im Kino sofort das Geld knapp, erklärt Spallek, zumal etwa die rettenden Coronahilfen nun ausgelaufen seien. In diesem Jahr wird das Kino von der Stadt Saarbrücken mit 78 890 Euro gefördert, vom Land mit 85 000 Euro (37 000 über das Kultusministerium, 48 000 über die Saarland Medien), erklärt Spallek. „Das sind insgesamt 55 Prozent unseres Budgets, also müssen wir 45 Prozent selber erwirtschaften.“ 20 Prozent erreiche man über den Erlös durch die Kinokarten, weitere 25 über die Förderungen durch Kooperationen. „Das funktioniert mal mehr, mal weniger.“ Die Stadt habe ihre Zuschüsse zuletzt etwas erhöht, das Land bisher nicht, aber man sei hoffnungsvoll. Um sich mehr Sicherheit zu verschaffen, will das Kino seine Eintrittspreis ab Januar um 50 Cent erhöhen, „damit haben wir aber immer noch die niedrigsten Eintrittspreise der Kinos in Saarbrücken“, sagt Ingrid Kraus.

Lars Kraume im Gespräch vor dem Achteinhalb

Zudem steht beim Achteinhalb ein Generationenwechsel an. Ingrid Kraus ist mit 66 Jahren eigentlich in Rente, will in den nächsten zwei Jahren noch im Achteinhalb arbeiten, aber weniger als zuvor; Spallek will noch vier Jahre im Kino in Vollzeit arbeiten, danach seine Stelle reduzieren und sanft in die Rente gleiten. Mit Olga Dovydenko ist zuletzt frisches Blut ins Kino gekommen, sie ist für Programm, Technik und Organisation mitverantwortlich und leitet den Vorführbereich. Ob es nach der Ära Kraus/Spallek wieder eine Doppelleitung des Kinos gehen wird? Das ist ungewiss, sagt Spallek, man müsse auch erst einmal Interessierte finden, „und unsere Gehälter sind nicht so attraktiv“.

Digitale Projektion ist nächste Baustelle

Betrieben wird das Achteinhalb von einem fest angestellten Team sowie von ehrenamtlichen Mitgliedern. Neben Kraus, Spallek und Dovydenko kümmert sich Gerd Meyer um Presse-Arbeit, Organisation und Disposition, Maximilian Sälzle betreut Kinosaal und Technik. Alper Cevik, André Fischer, François Schwamborn und Theodor Wülfing sind weitere Vorführer; seit September kümmert sich Markus Huppert um die Social-Media-Präsenz. Der Generationenwechsel ist nicht die einzige Baustelle – eine weitere ist der Vorführraum: Vor zehn Jahren wurde auf digitale Projektion umgestellt, für 100 000 Euro; diese Technik müsste in naher Zukunft renoviert werden, „aber Hersteller Sony stellt schon keine Projektoren mehr her und wartet die alten auch nicht mehr“, sagt Dovydenko, „da könnten wir in drei bis fünf Jahren ein Problem bekommen“.

Beim 40. Jubiläum werden die Veteranen Kraus und Spallek nicht mehr in aktiver Funktion dabei sein. Zumindest die vielen Abrechnungen und die Verwaltungsarbeit, die sich oft vor die eigentliche Programmarbeit dränge, werde er nicht vermissen, sagt Spallek. Kraus blickt zufrieden zurück, auch wenn das Achteinhalb-Leben nicht immer einfach war und ist, man „Abstriche machen musste beim Gehalt und jetzt bei der Rente. Aber ich bin sehr froh, dass ich es so gemacht habe“, sagt er.

www.kinoachteinhalb.de